Weltklimarat legt Abschlussbericht vor: Ban Ki Moon fordert mehr globale Verantwortung
Bis zum Jahr 2100 müssen die globalen Treibhausgasemissionen drastisch gesenkt werden, um das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen. Sonst drohen unüberschaubare Risiken, warnt der Weltklimarat.
Zur Arbeitsplatzbeschreibung eines Generalsekretärs der Vereinten Nationen gehört unerschütterlicher Optimismus. Den versuchte Ban Ki Moon am Sonntag in Kopenhagen zu verbreiten, wo der Weltklimarat (IPCC) die Zusammenfassung seiner drei Teilberichte zur Physik des Klimawandels, den zu erwartenden Auswirkungen und den Möglichkeiten, der globalen Erwärmung zu begegnen, präsentierte. Ban sagte, beim Weltklimagipfel vor fünf Jahren ebenfalls in Kopenhagen seien die Staats- und Regierungschefs wohl „noch nicht bereit gewesen, nationale Erwägungen hinter der globalen Notwendigkeit zurück zu stellen“. Doch nun sei die „Lage anders als damals“, fügte Manuel Pulgas-Vidal hinzu. Der Umweltminister Perus ist Präsident des 20. UN-Klimagipfels, der in einem Monat in Lima stattfinden wird. Er argumentierte, es gebe viel mehr Akteure, die zum Klimaschutz beitrügen. Vor allem Unternehmen und die Zivilgesellschaft nannte er.
Der IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachauri beschrieb in einer live im Internet übertragenen Pressekonferenz, warum schnelles Handeln geboten sei. Soll die globale Erwärmung zum Ende des Jahrhunderts unter zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung liegen, sei eine Klimaschutzpolitik notwendig, die die globalen Treibhausgasemissionen bis dahin unter Null bringe. Ohne Technologien, die Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entfernen, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass dieses mehrfach beschlossene globale Klimaziel eingehalten wird. Gemeint sind damit große Wiederaufforstungsprojekte und der Einsatz von Bioenergie in Kombination mit einer unterirdischen Verpressung des freigesetzten CO2. So würden negative Emissionen erreicht. Ottmar Edenhofer, der die IPCC-Arbeitsgruppe geleitet hat, die Möglichkeiten zum Klimaschutz beschrieben hat, erläuterte, dass solche Technologien nur in geringem Umfang nötig wären, wenn die Klimapolitik der kommenden ein bis zwei Jahrzehnte erfolgreich wäre, aber umso notwendiger würden, wenn das nicht gelinge.
Im vorgelegten Bericht wird deutlich, dass ein Großteil der bereits bestehenden Probleme durch den Klimawandel noch verschärft würden. Allein die schon beobachtete und sich erwartbar fortsetzende Erwärmung der Ozeane würde genügen, wirtschaftlich relevante Fischbestände stark zu schädigen oder zum Zusammenbruch zu bringen. Dazu kommt aber noch eine Fischereipolitik, die schon jetzt viele Bestände erschöpft hat.
Hendricks: Deutschland muss sein Klimaziel einhalten
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte: „Der Bericht ist alarmierend und ermutigend zugleich.“ Alarmierend sei er wegen der „dramatischen Folgen des Klimawandels“. Ermutigend sei aber, dass die Mittel zur Begrenzung der Erderwärmung bekannt seien. Es sei „wichtig, dass wir unser nationales Ziel erreichen“, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu mindern, sagte sie weiter.
„Auch der Klimaschutz birgt Risiken“, sagte Edenhofer. Es gebe beim Ausbau der Stromerzeugung aus Biomasse oder der Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid aus Abgasen von Kraftwerken „offene Fragen zum Einsatz in großem Maßstab“. Edenhofer sagte aber: „Diese Risiken sind beherrschbar – das ist der fundamentale Unterschied zu den potentiell unbeherrschbaren Risiken des Klimawandels.“ Die Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres, lobte, dass der IPCC-Bericht zeige, auf welchem Weg eine „klimaneutrale Welt in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts“ erreicht werden könne.
Die Umweltverbände WWF, Greenpeace und der BUND verlangten von der Bundesregierung, in ihrem für den 3. Dezember angekündigten Klimaschutzkonzept die Abschaltung von Kohlekraftwerken mit vorzusehen. Anders sei das deutsche Klimaziel bis 2020 nicht erreichbar, argumentieren sie. Der SPD-Klimaexperte Frank Schwabe bemängelte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, dass das Konzept bisher noch keine Antworten für die Kraftwerksemissionen enthalte.
Berlin lädt zur Geberkonferenz für den grünen Klimafonds ein
Der Weltklimarat hat in seinem erstmals enthaltenen Kapitel zur Finanzierung des Klimaschutzes darauf hingewiesen, dass viel weniger Geld in Öl, Kohle oder Gas investiert werden sollte. Um die Energieversorgung klimafreundlich zu gestalten müsste viel mehr in Energieeffizienz und erneuerbare Energien gesteckt werden. 2010 hat der Weltklimagipfel in Cancun deshalb die Schaffung eines grünen Klimafonds beschlossen, der inzwischen arbeitsfähig wäre, wenn er denn Geld zu verteilen hätte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Sommer beim Petersberger Klimadialog in Berlin eine Milliarde Euro für den Fonds zugesagt. Beim Klimagipfel des UN-Generalsekretärs im September zog Frankreichs Präsident Francois Hollande nach. Doch noch ist er ziemlich leer. Deshalb hat Angela Merkel für den 20. November zu einer Geberkonferenz für den grünen Klimafonds nach Berlin eingeladen. Bis 2020 sollen jedes Jahr 100 Milliarden Dollar in den Fonds fließen. Bisher werden jährlich zwischen 35 und 49 Milliarden in den Klimaschutz in Entwicklungsländern investiert, schreibt der IPCC.
Warnung vor einem Klimarenten-Fluch
Zuviel Euphorie in Sachen Finanzmittel wollen allerdings Jan Steckel und Michael Jakob vom Forschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) in Berlin nicht aufkommen lassen. Die beiden Wissenschaftler haben gemeinsam mit sechs weiteren Forschern untersucht, welche realistischen Möglichkeiten zur Minderung von Treibhausgasemissionen Entwicklungsländer haben.
Die Forscher warnen vor einem Klimarenten-Fluch, der ähnlich wie der Ressourcenrenten-Fluch wirken könnte. Damit meinen sie die Beobachtung, dass Geld, das mit Ressourcen verdient wird, zwar der regierenden Klasse eines Landes ein gutes Auskommen bringt, aber meistens keine positive Wirkung auf die gesamte Wirtschaft hat. Das Risiko, dass das Geld, das am 20. November in Berlin für den grünen Klimafonds der Vereinten Nationen gesammelt werden soll, in ähnlicher Weise wirkt, halten Steckel und Jakob für gegeben. Deshalb schlagen sie vor, Entwicklungsländer bei „realistischen Klimaschutzbemühungen“ zu unterstützen wie etwa der Kürzung und schließlich Abschaffung von Subventionen für klimaschädliche Energien wie beispielsweise Treibstoffsubventionen. Zudem könnte in dezentrale moderne Energie, wie etwa kleine Solarstromnetze kombiniert mit Biogasanlagen oder kleinen Wasserkraftwerken investiert werden. All das hätte einen Klimanutzen und würde Investitionen in eine klimafreundliche Zukunft lenken. Zudem schlagen die Forscher Hilfe beim Brennstoffwechsel beispielsweise von Kohle zu Gas vor. Der Kohlendioxidausstoß bei der Verbrennung von Kohle ist weitaus höher als bei der Verbrennung von Gas.
Auf den Einwand, dass die Streichung von Subventionen beispielsweise auf Treibstoffe, beispielsweise in Nigeria Anfang 2012 grandios an Massenprotesten gescheitert ist, antwortet Jan Steckel mit dem Hinweis auf dem Iran. „Iran hat die Subventionen erfolgreich gestrichen, die Ersparnisse für den Staat sind direkt an die Bürger überwiesen worden.“ Die Bürger zahlten also mehr für Benzin, bekämen aber gleichzeitig Geld vom Staat zurück. Michael Jakob warnt vor zu großen Erwartungen an die Geberkonferenz für den grünen Klimafonds in wenigen Wochen in Berlin. „Es sieht nicht so aus, als ob die Bereitschaft zu zahlen sehr groß wäre“, sagt er. Die 100 Milliarden Dollar, die da von 2020 an jährlich fließen sollten, „sind eine politische Zahl“, gibt er zu bedenken. In die 35 bis 49 Milliarden Dollar, die derzeit jährlich für die Klimafinanzierung in Entwicklungsländern zur Verfügung stehen, sind auch Kredite enthalten, die später an die Geberländer zurückfließen. Jakob kann sich derzeit schwer vorstellen, dass die angestrebten 100 Milliarden Dollar zusammen kommen - zumindest, wenn diese Geldflüsse nicht zurückgezahlt werden müssen.
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