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Sir David King ist Sonderberater des britischen Außenministers William Hague für Klimafragen. Er hat zuvor auch schon die Vorgängerregierung beraten.
© promo

Klimawandel: "Ich bin ein wenig besorgt"

Der Klimaberater des britischen Außenministers, Sir David King, sieht im Preisverfall der erneuerbaren Energien die größte Chance für erfolgreichen Klimaschutz. Seine Erwartungen an die UN-Verhandlungen sind weniger hoch.

Was ist für Sie die wichtigste Botschaft aus dem Weltklimabericht für die Klimapolitik?
Die wichtigste Information aus dem Bericht des Weltklimarats (IPCC) ist das Kohlenstoff-Budget. Wir haben jetzt eine klare Botschaft, wie viel Kohlenstoff übrig ist, um in einem Zwei-Grad-Bereich der globalen Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts zu bleiben. Was mich überrascht hat, sind die enormen Subventionen, die für die Nutzung von fossilen Brennstoffen weltweit gezahlt werden. Dieser Absatz wurde zwar aus dem Berichtsentwurf entfernt, blieb im Bericht selbst aber erhalten. Das wäre eine der wichtigsten Maßnahmen, diese Subventionen abzuschaffen. Denn derzeit werden 530 Milliarden Dollar pro Jahr ausgegeben, um fossile Brennstoffe zu subventionieren, und nur 90 Milliarden Dollar, um erneuerbare Energien zu subventionieren. Obwohl wir alle wollen, dass die Entwicklung in Richtung erneuerbare Energien geht. Der dritte Teilbericht ist der angreifbarste, weil da ökonomische Analysen bis 2100 versucht werden.
Es ist immer kontrovers über die Möglichkeiten für den Klimaschutz zu sprechen. Der dritte Teilbericht war immer der umstrittenste. Ich fand auffallend daran, dass wir 20 Jahre verloren und jetzt nicht mehr die Wahl haben zu sagen, es gibt bestimmte Technologien, die wir nicht mögen wie beispielsweise die Abscheidung von Kohlenstoff und die Verpressung in den Untergrund (Carbon Capture and Storage, CCS).
Richtig. Die Langsamkeit des Verhandlungsprozesses ist ein Grund für diese Verzögerung. Deutlich wird dabei auch wieder, dass jeder Dollar, den wir heute für Klimaschutz ausgeben im Jahr 2020 bereits eine Investition von mindestens 20 Dollar wäre, um die gleiche Wirkung zu haben. Dies ist eine wichtige Aussage. Wir könnten es immer noch schaffen, aber wir müssen es jetzt tun. Trotzdem gibt es eine Menge Fortschritte. Nicht alles war Stillstand. Wir haben Fortschritte seit Deutschland begann mit den Einspeisetarifen für erneuerbare Energien im Jahr 1991 begonnen hat. Diese Förderidee haben in Europa auch Spanien, die Tschechische Republik oder Großbritannien aufgegriffen. Das Ergebnis der Einspeisetarife ist, dass die Kosten für die Installation von Photovoltaik-Anlagen vor allem aber auch Onshore-Wind-Rädern stark gefallen sindt. Das ist die wichtigste Änderung in der Welt. Ich denke, wir sind jetzt in einer Situation, in der die erneuerbaren Energien, wenn es um die Kosten pro Kilowatt-Installation geht, fast gleich auf ist mit Kohle und Gas in all den Ländern, die ausreichend Sonne und Wind haben. In diesem Sinne haben wir einen enormen Fortschritt gemacht. Das sollte viel mehr betont werden.

Die Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres (links), scherzt bei der Verhandlungsrunde in Bonn mit der deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
Die Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres (links), scherzt bei der Verhandlungsrunde in Bonn mit der deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
© dpa

Aber überraschend viele Verantwortliche in der Welt sind immer noch der Meinung, erneuerbare Energien reichten nicht aus. Sie denken immer noch groß.
Teil meiner Aufgabe als Sonderbeauftragter für den Klimawandel für den Außenminister ist genau, diese Nachrichten weiterzutragen. Zum Beispiel in Indien habe ich darauf eine sehr gute Resonanz bekommen. Rajastan ist eine große Wüste, eine perfekte Fläche für Solarparks zur Stromerzeugung. Sie haben genügend Platz da, um Strom für die nächsten paar hundert Jahre zu produzieren. In Indien gibt es ein Verständnis für diese Tatsachen. Sie bauen eine Zwei-Gigawatt-Solarkraftwerk in Rajastan. Aber sie sind besorgt über die Grundlast-Elektrizität. In Südafrika ist es genau die gleiche Geschichte. Sie haben die Kourou Wüste und viel Sonnenschein. Aber sie sind der Auffassung, sie bräuchten weitere große Grundlast-Kraftwerke. Was wir dringend brauchen sind deshalb große Speicherlösungen, um diesen Ängsten begegnen zu können und um den Strom dann zur Verfügung stellen zu können, wenn er gebraucht wird. Dies ist der wichtigste Bereich für Investitionen seitens der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft.

"Was wir dringend brauchen sind Stromspeicher"

In Deutschland haben wir den Eindruck, dass die Speicherung nicht zu unseren dringendsten Problemen gehört.
Lassen Sie mich einen Moment beim Speicher-Thema bleiben. Das erfordert sofortiges Handeln. Es sollte beim Klimagipfel des Generalsekretärs der Vereinten Nationen im September in New York ein wichtiges Thema werden. Wir reden über ein zehnjährige Programm, von einer Art der Appollo-Programm. Ein Speicherprogramm sollte eine große internationale Anstrengung sein. Das würde einen gewissen Wettbewerb zwischen den Ländern bei der Entwicklung von Speicher auslösen. Auch einen zeitlichen Wettbewerb. Ich sehe das als eine dringende Maßnahme. Wir müssen da hin kommen, dass die erneuerbaren Energien als Grundlaststrom so billig wie Gas und Kohle ist, damit die Versorgungssicherheit gegeben ist. Wissenschaftlich sind wir an dem Punkt, das Problem zu lösen. Das muss jetzt wirtschaftlicher werden.
In Deutschland sehen wir das eher als mittelfristiges Problem. Die interessanten Optionen wie Power-to-Gas sind noch nicht da, sie brauchen mehr Entwicklung. Das wäre die eine Option, die eine vorhandene Infrastruktur von Gasspeichern und Gaspipelines nutzen könnten.
Das ist genau das Problem mit den meisten Speicher-Lösungen. Wir brauchen Finanzmittel, um neue Technologien in den Markt zu bringen. So wie es mit dem Einspeisetarif für Solarstrom passiert ist. Wir müssen eine Markteinführungsstrategie für Stromspeicher entwerfen.
Dies und die Diskussion über ein globales Kohlenstoffbudget kann nur voran kommen, wenn wir einen globalen CO2-Preis zu bekommen. Oder glauben Sie, wir schaffe das ohne?
Ich habe den Eindruck, dass wir eine Bepreisung von CO2 nur bekommen, wenn wir die Kohlendioxid-Handelssysteme verknüpfen, die überall auf der Welt eingeführt werden. Vorläufig bekommen wir viele verschiedene CO2-Preise. China hat jetzt seine fünf großen Provinzen in ein Emissionshandelssystem gebracht. Die britische Regierung hat sich stark an der Schaffung dieses Systems beteiligt. Kalifornien und Quebec haben ihre Emissionshandelssysteme miteinander verbunden. Wir sehen diese unterschiedlichen Systeme entstehen und sie werden zwangsläufig unterschiedliche Preise haben. Irgendwann in der Zukunft könnte es sein, dass die Welthandelsorganisation (WTO) eingreift und sagt: Wir können nicht zehn verschiedene Preise für CO2 haben. Und irgendwann könnte dies dann in einem einzigen Emissionshandelssystem zusammengeführt werden. Aber ich denke, das ist ein ziemlich langer Weg. Ich glaube nicht, dass wir mit dem Kyoto-Prozess und einem Ansatz von oben nach unten vorankommen werden. 197 Unterschriften auf einem Dokument, das ein Emissionshandelssystem für jedes Land vorschreibt, sind eher unwahrscheinlich, weil die Demokratie so nicht funktioniert.

"Der Kyoto-Prozess war ein langer harter Weg"

Der IPCC in seinem dritten Bericht sehr deutlich gemacht, dass es ohne ein internationales Abkommen nicht gehen wird.
Ja und ich habe schon meine Bedenken zu diesem Bericht angedeutet. Der Kyoto-Prozess war ein langer harter Weg und wir müssen die Lehren daraus ziehen. In einem System, in dem es billiger ist, eine Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen als mit Kohle oder Gas, kommen wir schneller voran. Auch ohne einen einheitlichen Preis auf Kohlendioxid.
Vielleicht sollten wir zunächst einmal das europäische Emissionshandelssystem reparieren?
Es lohnt sich, zu analysieren, warum unser europäisches Emissionshandelssystem repariert werden muss. Der Preis ist sehr niedrig, und schon gar nicht hoch genug, um Veränderungen herbeizuführen. Wir müssen untersuchen, warum die Länder in Europa dieses Problem immer noch nicht beheben. Der Grund ist einfach. Keine Regierung hat Appetit auf höhere Kohlenstoffpreise. Und auch die Regierungen in den großen Nationen wie Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien - haben wenig Neigung, eine Kohlendioxid-Steuer zu unterstützen oder die Emissionsobergrenze deutlich zu senken. Denn wir haben eine Finanzkrise und in dieser Zeit ist das Wirtschaftswachstum das wichtigste Thema für die politische Elite. Wenn es keinen Kohlenstoffpreis gibt, der Veränderungen bringt, dann müssen wir den Markt eben regulieren. Für mich ist das der richtige Weg.
Was erwarten Sie von der Klimakonferenz in Paris 2015?
Das Treffen in Lima in diesem Jahr muss als noch wichtiger als das Treffen in Paris angesehen werden. Ansonsten gehen wir in einen Klimagipfel wie in Kopenhagen. Wir brauchen eine grundsätzliche Einigung auf eine Vertragsstruktur und brauchen das dann folgende Jahr, um die Details zu klären. Ich habe gerade meinen zweiten Enkel bekommen, und ich bin ein wenig besorgt.

Das Interview in seiner englischen Originalfassung finden sie hier: "We have a clear message, how much carbon is left"

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