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Der ehemalige brandenburgische Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg.
© Ralf Hirschberger/dpa

Flüchtlingspolitik: Bamf-Skandal: Auch Opposition und Medien haben versagt

Das am Sonntag bei Anne Will erwähnte Schreiben der Bamf-Personalräte ist schon lange bekannt. Das offenbart, dass Opposition und Medien ihre Aufgabe versäumt haben. Ein Gastbeitrag.

Immer deutlicher wird, dass nach der meines Erachtens humanitär gebotenen Öffnung der Bundesgrenze für notleidende Menschen ohne Identitätskontrolle im Jahr 2015 die Bundesregierung und insbesondere das Bundesinnenministerium versagt haben, indem nicht für eine adäquate Ausstattung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) Sorge getragen worden ist. Dem schönen Satz der Bundeskanzlerin „Wir schaffen das!“ sind nicht die dafür erforderlichen Taten gefolgt.

Aber bereits am 11. November 2015 richteten die Vorsitzenden des örtlichen Personalrats und des Gesamtpersonalrats beim Bamf einen „Offenen Brief“ an den damaligen Leiter der Behörde, Frank-Jürgen Weise, in dem grundlegende Mängel detailliert aufgeführt werden. Insbesondere wurde beanstandet, dass bei Syrern auf eine Identitätsprüfung verzichtet werde, obwohl sich nach den bisherigen Erfahrungen 30 Prozent derer, die sich als Syrer ausgeben würden, gar keine seien.

Das vierseitige Schreiben endet mit folgendem Apell: „Wir bitten Sie deshalb, trotz aller sicherlich zutreffenden Gebote der Verfahrensbeschleunigung und Neuausrichtung zum einen bei Asylsuchenden aus Syrien, dem Irak und Eritrea ein rechtsstaatliches Verfahren im Sinne einer ,echten’ Identitätsprüfung zu gewährleisten und zum anderen für eine ausreichend qualifizierte Ausbildung des zum Bundesamt abgeordneten Personals Sorge zu tragen und damit einen effektiven Personaleinsatz zu gewährleisten ()“.

Das geschah aber nicht und auch die IT-Ausstattung des Bamf war unzureichend. Mich wundert daher nicht mehr, weshalb ich auf mein Schreiben vom 8. April 2016 an Behördenleiter Weise die Antwort erhielt, dass mir die erwünschten Identitätsdaten der nach Brandenburg verteilten rund 18 000 Personen nicht mitgeteilt würden. Begründet wurde dies mit unverhältnismäßig großem Aufwand, weil die große Mehrheit der Ermittlungsverfahren wegen Einreise ohne Pass oder Aufenthaltstitel ohnehin eingestellt werden würde.

Doch ging es ja gerade darum, die Personen herauszufiltern, denen schwerwiegendere Straftaten zur Last zu legen waren und die weder Kriegsflüchtlinge waren noch einen Asylantrag gestellt hatten. Leider sind die Gerichte der Auffassung des Bamf gefolgt, sodass die zuständige Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) die Verfahren mit größerem Aufwand abarbeiten muss.

Nun könnte man meinen, das am Sonntag in der Talkshow von Anne Will mit der Kanzlerin erwähnte Schreiben der Bamf-Personalräte vom November 2015 sei erst kürzlich bekannt geworden. Das trifft aber nicht zu. Darüber wurde sogleich in den Medien berichtet, und es ist seitdem im Internet in vollem Umfang abrufbar. Doch wurde die mediale Berichterstattung nicht fortgesetzt und die geäußerte Kritik auch nicht von den Oppositionsparteien aufgegriffen, was letztlich mit dazu beigetragen hat, dass die Mängel immer noch nicht abgestellt sind.

Oppositionspolitiker und Medienvertreter sollten sich mit Schuldzuweisungen zurückhalten

Der Grund für das „Beschweigen“ dürfte darin liegen, dass sich viele Politiker und Journalisten damals darin einig waren, die Probleme, die die Flüchtlingswelle mit sich gebracht hatte, nicht zu thematisieren, weil andernfalls eine Stärkung der AfD befürchtet wurde. Doch diese Tabuisierung ist der Bevölkerung nicht entgangen und hat nach meiner Einschätzung gerade zum Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl beigetragen.

Der Bundespräsident hat während seiner Jordanienreise Ende Januar den richtigen und wichtigen Hinweis gegeben, dass diejenigen, die auf der Suche nach einem besseren wirtschaftlichen Leben sind, nicht dieselben Rechte haben wie politisch Verfolgte und daher anders zu behandeln sind, um den politisch Verfolgten auch in Zukunft gerecht werden zu können.

Nun dürfte Klarheit bestehen, dass diese Differenzierung ohne eine gründliche Identitätsfeststellung der ohne Identitätsprüfung in das Land gelassenen Personen nicht möglich ist, und das hierfür zuständige Bamf endlich in die Lage versetzt werden muss, seinen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Mit Schuldzuweisungen sollten sich Oppositionspolitiker und manche Medienvertreter allerdings zurückhalten, denn auch sie haben versagt, indem sie die früh bekannt gewordenen Mängel des Regierungshandelns ignoriert haben und damit ihrer Kontrollfunktion nicht gerecht geworden sind.

Der Autor war von März 1996 bis März 2018 Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg.

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