„Eine andere Art des Führens“: Baerbock wirbt für Verkürzung der Kanzleramtszeit
Langzeit-Kanzlerschaften sind in Deutschland problemlos möglich. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock forciert nun eine Debatte zur Länge der Amtszeit.
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, will über eine Verkürzung der Kanzleramtszeit diskutieren. „Wir sollten auch die Begrenzung der Amtszeit einer Kanzlerin und eines Kanzlers in den Blick nehmen“, sagte sie dem „Spiegel“. Es brauche eine andere Art des Führens.
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„Wir sehen ja gerade, wieviel Bewegung es gibt, wenn zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik alle Parteien gefordert sind, etwas Neues zu wagen, weil eben kein amtierender Kanzler oder amtierende Kanzlerin nochmal antritt“, sagte Baerbock. Auch eine Debatte über die Verlängerung der Legislaturperiode könne sinnvoll sein: „Das alles zusammengenommen kann neuen Schwung bringen und Verkrustungen aufbrechen.“
Im Bundestag liegen Fragen rund um das Thema Kanzleramtszeit bereits auf den Tischen. Geplant ist, eine Kommission zur Reform des Bundeswahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit einzusetzen. Ihre Aufgabe soll es sein, über eine Wahlrechtsreform eine Verkleinerung des Bundestags zu bewirken.
Außerdem soll sie Fragen wie ein Wahlalter ab 16 Jahren, eine Verlängerung der Wahlperiode und die gleiche Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundestag behandeln. Bei der Abstimmung über den Einsetzungsbeschluss votierten nur CDU/CSU und SPD für den von ihnen selbst vorgelegten Antrag. Ein Zwischenbericht der Kommission soll bis zum 30. September vorgelegt werden.
Kritik von der Opposition an Wahlrechtsreform
Die Kommission war bei der Wahlrechtsreform im vergangenen Herbst vereinbart worden. Damals waren für die Bundestagswahl im September nur kleinere Änderungen am Wahlrecht vorgenommen worden, die nach Auffassung der Oppositionsparteien und von Fachleuten kaum Auswirkungen haben dürften.
Kritik kam zuletzt von FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Die große Koalition habe das Thema „vergeigt“, sagte er vergangene Woche. Seit der Änderung des Bundeswahlgesetzes im vergangenen Herbst, die auch die Einsetzung der Kommission vorsieht, sei sieben Monate lang nichts passiert. Nun gebe es nur noch vier Sitzungswochen. Die Einsetzung der Kommission jetzt sei daher eine „absolute Farce“. Das mache die FDP nicht mit.
Friedrich Straetmanns von der Linken sprach von einer „reinen Hinhaltetaktik“ der Union. „Sie haben nach wie vor gar kein Interesse an einem modernen Wahlrecht.“ Ähnlich argumentierte auch die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann: Die Kommission sei nur eine „Beruhigungspille“ für die SPD gewesen. „Was wollen Sie denn in den nächsten vier Wochen machen? (...) Glauben Sie, hier kommt irgendwer hin und berät mit Ihnen in der parlamentarischen Sommerzeit, in besten Wahlkampfzeiten über die Frage, ob wir vielleicht in der nächsten Legislaturperiode darüber diskutieren können? Das ist doch absurd.“
Rufe nach einer befristeten Kanzleramtszeit kam jüngst auch aus den Reihen der CDU. Der niedersächsische CDU-Chef Bernd Althusmann schlug eine maximale Regierungszeit von zwei Legislaturperioden vor, die jedoch jeweils auf fünf Jahre verlängert werden sollten.
Derzeit gibt es in Deutschland keine zeitliche Begrenzung für das Amt des Bundeskanzlers. Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) regiert seit November 2005. Länger als sie war nur Helmut Kohl (CDU) im Amt. Sollte sich die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl im September hinziehen, könnte Merkel den Ex-Kanzler noch einholen – dafür müsste sie bis zum 17. Dezember 2021 im Amt bleiben. (AFP, dpa)