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Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock
© Stefanie Loos/AFP
Update

Grünes Bündnis kündigt Wahlprüfungsbeschwerde an: Baerbock muss auf Zweitstimmen aus dem Saarland verzichten

Die Landesliste der Saarländer Grünen ist vom Bundeswahlausschuss von der Bundestagswahl ausgeschlossen. Das schadet den Grünen bundesweit, sagt ein Experte.

Die Grünen und ihre Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock werden bei der Bundestagwahl auf Stimmen aus dem Saarland verzichten müssen. Der Bundeswahlausschuss lehnte am Donnerstag eine Beschwerde der Saarländer Grünen gegen die Entscheidung der Landeswahlleiterin ab. Damit werden die Grünen am 26. September im Saarland nicht für die Zweitstimme auf dem Wahlzettel auftauchen.

Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses erfolgte nach mehr als einer Stunde Diskussion mit 6 zu 2 Stimmen. Zwei Mitglieder des Bundeswahlausschusses enthielten sich. Der Vertreter der Grünen in dem Gremium hatte sich wegen Befangenheit nicht an der Abstimmung und der Diskussion beteiligt.

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Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, äußerte sich enttäuscht. „Wir bedauern die Entscheidung des Bundeswahlausschusses. Es ist insbesondere für die Menschen bitter, die im Saarland mit der Zweitstimme gerne eine grüne Landesliste gewählt hätten.“

Auch die saarländischen Grünen selbst bedauern die endgültige Nicht-Zulassung ihrer Landesliste für die Bundestagswahl. „Ich bin enttäuscht über das Ergebnis. Auf jeden Fall“, sagte Grünen-Politikerin Lisa Becker, die als Vertrauensperson der Partei fungiert. „Im Moment können wir nichts mehr ausrichten. Das ist es jetzt einfach so wie es ist.“ Juristisch könne sie den Beschluss aber „ganz nachvollziehen“.

Möglich wäre nach der Bundestagswahl ein Wahlprüfungsverfahren beim Bundestag zu beantragen, sagte Becker. Wenn dieses dann „nicht zu unseren Gunsten“ ausgehe, könnten die Grünen eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Ob die Grünen diese Schritte gehen würden - das sei noch offen.

Politologe Niedermayer: Das schadet den Grünen bundesweit

Der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer sieht in dem Vorgang ein Problem für die gesamte Partei. „Wenn es bei der Wahl knapp wird für das Kanzleramt oder für eine Regierungsbeteiligung, könnten den Grünen am Ende entscheidende Stimmen aus dem Saarland fehlen“, sagte er der „Rheinischen Post“.

„Die symbolische Wirkung ist aber wahrscheinlich noch größer als die rein quantitative“, fügte Niedermayer hinzu. In den Medien würden die Intrigen und Machtkämpfe im saarländischen Landesverband breit getreten. „Nun bekommt auch der Wähler außerhalb des Saarlands diese unschönen Dinge mit. Das schadet den Grünen bundesweit.“

Hintergrund ist ein schwerer Streit um die Aufstellung der Grünen-Liste

Die Saarländer Landeswahlleiterin, Monika Zöllner, hatte zuvor ihre Entscheidung mit Verletzungen des Demokratieprinzips begründet. Sie übte deutliche Kritik am Zustandekommen der Grünen-Landesliste: „Würde man einen solchen Wahlvorschlag zulassen, dann stünde insgesamt die demokratische Legitimation der Bundestagswahl in Frage“, sagte sie bei der Ablehnung der Liste.

Hintergrund ist ein schwerer Streit um die Aufstellung der Grünen-Liste. Beim ersten Versuch war am 20. Juni der aus Saarlouis stammende Ex-Landesparteichef Hubert Ulrich auf Platz eins gewählt worden. Zuvor war die inzwischen zurückgetretene Tina Schöpfer dreimal beim Versuch, als Spitzenkandidatin gewählt zu werden, durchgefallen. Danach hatte sich Ulrich in einer Stichwahl gegen Jeanne Dillschneider, Sprecherin der Grünen Jugend im Saarland, mit 95 zu 46 Stimmen durchgesetzt. Dies war laut Parteistatut möglich.

Ein Landesschiedsgericht der Grünen erklärte die Wahl später jedoch für ungültig, weil auch nicht stimmberechtigte Parteimitglieder mitgewählt hatten. Zudem sah es einen Verstoß gegen das Frauenstatuts, wonach Listenplatz eins für eine Frau freigehalten werden muss. Interne Mails, die dem Tagessspiegel vorliegen, belegen zudem, wie die Bundespartei Druck ausübte, um eine Neuwahl stattfinden zu lassen.

Ulrich: "Sieg für die Demokratie"

Vor dem zweiten Anlauf der Landesliste hatte das Bundesschiedsgericht der Grünen dann 49 Delegierte aus dem Ortsverband Saarlouis, dem auch Hubert Ulrich angehört, ausgeschlossen. Der Ortsverband Saarlouis macht rund ein Drittel aller Grünen-Mitglieder im Saarland aus. Am 17. Juli wurde schließlich Jeanne Dillschneider als Spitzenkandidatin gewählt. Doch diese Liste lehnte der Landeswahlausschuss des Saarlands ab.

Der „Panzer“. Hubert Ulrich hat die Grünen im Saarland geführt – und sich dabei viele Feinde gemacht.
Der „Panzer“. Hubert Ulrich hat die Grünen im Saarland geführt – und sich dabei viele Feinde gemacht.
© Oliver Dietze/dpa

Dem folgte auch der Bundeswahlausschuss: „Das Grundgesetz und die Wahlgrundsätze haben Vorrang vor den parteiinternen Regelungen. Das war der Kern der Entscheidung“, sagte Bundeswahlleiter Georg Thiel am Donnerstag dem Tagesspiegel.

Es sei nicht hinnehmbar, dass ein Drittel der Delegierten nicht an einer Wahl teilnehmen dürften. „Die Entscheidung ist uns allen sehr schwer gefallen“, sagte Thiel weiter. Die Grünen seien jedoch selbst verantwortlich, schließlich hätte man die Delegierten aus Saarlouis nicht unmittelbar vor der zweiten Listenaufstellung ausschließen müssen. „Die Partei hatte die Möglichkeit, uns die schwere Entscheidung, die wir jetzt gefällt haben, abzunehmen.“

Hubert Ulrich kommentierte die Entscheidung am Donnerstag zwiegespalten: „Das ist ein Drama für die Grünen im Saarland, das mir Bauchschmerzen verursacht“, sagte er dem Tagesspiegel. Gleichzeitig sei es ein großer Sieg für die Demokratie. „Auch die Bundesspitze kann nicht willkürlich in die Parteientscheidungen auf Kommunal- und Landeseben einwirken.“

Für die Kanzlerinnenambitionen von Annalena Baerbock ist die Entscheidung ein Rückschlag. 2017, als die Grünen deutlich unter den aktuellen Umfragen abschnitten, hatte die Partei im Saarland 35.117 Stimmen erhalten. Bereits vor der Entscheidung hatte sich die grüne Landesgeschäftsführerin im Saarland, Nadja Doberstein, besorgt geäußert. „Wir brauchen diese Liste, denn das kann auch die Kanzlerkandidatur kosten.“

Ein Bündnis innerhalb der saarländischen Grünen, zu dem auch Dillschneider gehört, kündigte zudem an, wegen der abgelehnten Liste nach der Bundestagswahl Wahlprüfungsbeschwerde einzulegen. Das „Grüne Bündnis Saarland“ forderte außerdem „sofortige Konsequenzen und eine vollständige Aufarbeitung“ der Vorgänge rund um die Listenaufstellung. Dillschneider warf Ulrich vor, er habe den Landesverband „ins Chaos gestürzt“.

Bremer AfD doch noch zugelassen, die Berliner Pinken nicht

Zuvor hatte der Bundeswahlausschuss bereits einige andere Landeslisten nicht zur Bundestagswahl zugelassen. So darf die „V-Partei³“, die für Veränderung, Vegetarier und Veganer ist, nicht in Baden-Württemberg antreten. In Berlin wurde die Partei „die Pinken“ nicht zugelassen, weil sie ihre Unterstützungs-Unterschriften elf Minuten zu spät eingereicht hatten.

Die Landesliste der AfD in Bremen ist nach langer Diskussion dagegen doch noch zugelassen worden. Bei einer Enthaltung und einer Gegenstimmte, votierten neun Mitglieder für eine Berücksichtigung der Beschwerde der Partei.

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