Nach dem Diesel-Urteil: Autohersteller geraten unter politischen Druck
Gibt es bald Fahrverbote? Die Bundesregierung prüft die Einführung einer blauen Plakette. Nachrüstungen und höhere Prämien sollen helfen.
Die Automobilhersteller geraten nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten unter Druck. Die Bundesregierung will sich – anders als in der vergangenen Legislaturperiode – rasch mit der möglichen Einführung einer blauen Plakette beschäftigen. Diese würde bundeseinheitlich Fahrverbote für ältere Fahrzeuge regeln. Auch die Forderung nach Hardware-Nachrüstungen für ältere Dieselwagen auf Kosten der Industrie wird lauter. Politiker appellierten zudem an die Autobauer, die Abwrackprämien für Neuwagenkäufer zu erhöhen.
„Das Thema wird in der neuen Bundesregierung alsbald aufgegriffen werden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin auf die Frage, ob die Regierung nach dem Fahrverbotsurteil vom Vortag weiter gegen die Plakette sei oder sie nicht ausschließe. Vor allem der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt spricht sich, ebenso wie sein Vorgänger Alexander Dobrindt (beide CSU), gegen eine solche Kennzeichnung aus. Kommunen, Umweltverbände und Grüne fordern sie als wirksame und handhabbare Maßnahme gegen die Luftverschmutzung in zahlreichen Innenstädten. Die Bundesregierung werde „unmittelbar nach Auswertung der Urteilsbegründung“, die in etwa zwei Monaten vorliegen soll, mit Ländern und Kommunen beraten, kündigte Seibert an. Die Sorge, dass ein Flickenteppich von Fahrverboten entstehen könne, werde man „aufnehmen und prüfen, wie wir die Maßnahmen und die Festsetzung von Kriterien unterstützen können“. Ziel sei es, Fahrbeschränkungen für Diesel wo immer möglich zu vermeiden.
Verbotsschilder in Hamburg schon fertig
Die Hamburger Umweltbehörde twitterte nur einen Tag nach dem Diesel-Urteil bereits ein Foto mit dem Entwurf für Fahrverbotsschilder. Sie sollen ebenso wie Schilder für Ausweichrouten in Kürze bestellt werden, wie ein Sprecher am Mittwoch sagte. Unter einem Durchfahrtverbotsschild, auf dem ein Auto in einem roten Kreis zu sehen ist, steht der Erklärhinweis, dass das Verbot für Dieselautos bis zu einer bestimmten Euroklasse gilt. In Hamburg müssen Autofahrer bereits in zwei Monaten mit Diesel-Fahrverboten an zwei Straßen im Stadtteil Altona-Nord rechnen. Der Berliner Senat will bis Ende dieses Jahres prüfen, ob und wo Fahrverbote notwendig sind.
SPD-Politiker forderten eine Erhöhung der Umtauschprämien für alte Dieselautos. „Die von den Herstellern gezahlten Kaufprämien für Neufahrzeuge müssen von den Unternehmen erhöht werden, da sich viele Besitzer älterer Fahrzeuge ansonsten keinen Neuwagen leisten können“, heißt es in einem Brief der drei Fraktionsvizes Sören Bartol, Hubertus Heil und Matthias Miersch an die SPD-Bundestagsabgeordneten. Mit bis zu 10000 Euro Prämie wollen Autobauer wie VW, Daimler, BMW oder Ford Autobesitzer dazu bringen, ältere Diesel verschrotten zu lassen und sich sauberere Neuwagen zuzulegen. Die Aktion läuft noch bis Ende März, die Konzerne haben die Laufzeit schon einmal verlängert. Einige ausländische Hersteller sind allerdings schon Anfang 2018 wieder ausgestiegen. Derweil sinken der Marktanteil und die Restwerte von Dieselfahrzeugen massiv.
Der für Verbraucherschutz zuständige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte eine Entlastung der Autofahrer bei technischen Nachrüstungen. Die Autofahrer dürften „nicht die Zeche zahlen für das Versagen der Autobranche“, sagte Maas der „Rheinischen Post“. „Wir erwarten von der Automobilindustrie, dass sie Euro5- und Euro6-Fahrzeuge technisch nachrüstet“, sagte Maas.
Henrik Mortsiefer