Elektromobilität: Aus Sorge um Deutschlands Autoindustrie
Der frühere Leiter des Solarforschungsinstituts Fraunhofer ISE, Eicke Weber, schreibt im Tagesspiegel, warum er der deutschen Autoindustrie rät, sich schnell auf die neue Mobilität einzustellen.
Eine große Sorge geht um in Deutschland, wird aber selten offen angesprochen: Die Sorge um einen wesentlichen Pfeiler der deutschen Wirtschaft, unsere Automobilindustrie. Noch vor wenigen Jahren schickte VW sich an, der weltgrößte Automobil Produzent zu werden, mit fast einem Dutzend erfolgreicher Marken. Dann kam Dieselgate: Das VW Management entschied, auf Betrug zu setzen. Statt zusätzlicher Abgasreinigung wurden die Autos mit intelligenter Software ausgestattet. Sie stellt mit Hilfe von Sensoren fest, wann die Autos auf einem Teststand liefen. Dann wurde auf eine leistungsmindernde, strenge Abgasreinigung umgeschaltet. Autos, die auf der Straße Abgaswerte weit über den erlaubten Grenzen ausstießen, konnten so die Tests auf dem Prüfstand bestehen, ein offener Betrug am Kunden und an der Umwelt, der VW besonders in den USA sehr teuer zu stehen kommt. Dazu kommen die schwer abschätzbaren Folgen für den weltweiten Ruf deutscher Technologie und Verlässlichkeit, diese Manager haben nicht nur VW, sondern Deutschland ernsthaft geschadet.
Testinstituten wie TÜV und Dekra wurde "von höchster Stelle" untersagt, Straßentests der echten Abgasemissionen durchzuführen – ein Vorgang, dem man eigentlich einmal näher nachgehen sollte – wer hat derartige Anweisungen gegeben, von wo kamen sie?
Dieselgate ist im Vergleich ein kleines Problem
Die so geschwächte deutsche Automobilindustrie nähert sich nun der nächsten Klippe, gefährlicher als Dieselgate: das Verpassen der weltweiten Transformation unseres Energiesystems hin zur effizienten Nutzung von schließlich 100 Prozent erneuerbaren Energien!
Die Pariser COP-21-Konferenz endete im Herbst 2015 mit einer umfassenden Einigung von 175 Staaten auf die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Vielen Spitzenpolitikern, auch den langfristig planenden Militärs, werden zunehmend die imminent drohenden Gefahren des Klimawandels bewusst. Selbst wenn die USA mit Präsident Donald Trump vorübergehend auf die Bremse treten sollten, ist dieser Zug unaufhaltsam geworden, da er ökologischen Nutzen mit immer deutlicheren ökonomischen Vorteilen verbindet.
Energiewende hat die Preise für Erneuerbare gesenkt
Die besonders auch von Deutschland angeschobene Energiewende hat zu einer in dieser Geschwindigkeit unerwarteten Preissenkung erneuerbarer Energien geführt: Off-Shore-Wind aus dem Ozean kann bereits Strom für sieben Cent pro Kilowattstunde bereitstellen, On-Shore-Wind für noch weniger. Sogar Solarstrom aus der Photovoltaik (PV) kann in Deutschland für diesen Preis erzeugt werden, PV-Strom in sonnenreichen Ländern für weniger als drei Cent pro Kilowattstunde! Dies sind Zahlen, die selbst Optimisten erst 2030, 2040 erwartet hatten. Mittelständler in Deutschland können nun ihre Stromrechnung durch ein eigenes PV-System beträchtlich reduzieren, das in nur circa vier Jahren abgezahlt ist!
Revolution am Speichermarkt
Dazu kommt die noch gar nicht richtig wahrgenommene Revolution der Kosten im Speichermarkt: Die von Tesla angekündigten Batterien für weniger als 200 Euro pro Kilowattstunde werden es erlauben, Sonnenstrom auch nachts preisgünstig zu nutzen.
Diese Entwicklung wurde durch rasche Kostensenkungen möglich, basierend auf großskaliger Produktion im Gigawatt-Bereich. Für die Elektromobilität in großer Stückzahl gebaute, hochwertige Batterien können auch in stationären Systemen zur Speicherung von Wind-und Sonnenstrom eingesetzt werden. Besonders werden auch gebrauchte Batterien aus Elektro-Autos mit beispielsweise nur noch 80 Prozent der Ausgangskapazität hervorragend für stationäre Speicher eingesetzt werden können.
Ein wichtiger Teil dieser Entwicklung wird die kommende Umstellung unseres Verkehrs auf Elektromobilität sein, die E-Mobilität, sicher auch rascher als erwartet: Strom wird zu sonnigen Zeiten mit gutem Wind im Überfluss vorhanden sein, und kann dann preiswert zum Laden der Autobatterien zu diesen Zeiten verwendet oder auch in Wasserstoff verwandelt werden, der die Brennstoffzellen-basierte E-Mobilität kostengünstig versorgt. Zum wichtigen Argument des Klimaschutzes kommt eben zunehmend die attraktive Wirtschaftlichkeit der Energiewende, die diesen globalen Transformations-Prozess weiter beschleunigt.
Das Ende des Verbrennungsmotors ist nah
Diese Entwicklungen führen zu der für die deutsche Volkswirtschaft sehr wichtigen – auch schmerzhaften - Erkenntnis: Der Verbrennungsmotor hat mittelfristig für Landtransport ausgedient!
Erste Länder ziehen daraus bereits die richtige Konsequenz: Norwegen will - wie einige US-Bundesstaaten – bereits ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zulassen!
Die entscheidende Frage wird aber sein, welche Chancen hat die deutsche Automobilindustrie in diesem Umfeld? Sie hat bereits vor Jahren teure Entwicklungsprogramme in dieser Richtung gestartet: Wagen mit Brennstoffzellen wurden entwickelt, sogar mit Wasserstoff-Verbrennungsmotoren, dazu natürlich die batteriebetriebene E-Mobilität. Daimler soll allein an sechs Modellreihen der E-Mobilität arbeiten.
Wo ist der deutsche Markt für E-Mobilität?
Die große Frage ist allerdings, wo unser Markt für die E-Mobilität ist. Statt der von Kanzlerin Angela Merkel angekündigten einen Million Elektromobile 2020 wird die Zahl wohl eher nur bei einem Zehntel liegen. Diese Bundesregierung hat leider viel zu wenig dafür getan, um den heimischen Markt entsprechend anzureizen.
Batteriebetriebene Autos sind in Deutschland fast unverkäuflich: sie sind teurer als Benziner oder Diesel, sie müssen umständlich nach wenigen 100 Kilometern aufgeladen werden, und das Netz effektiver Schnell-Ladesäulen ist nur wenig dichter als das erst beginnende Netz der Wasserstoff Tankstellen! Die Kaufprämie ist weitgehend unwirksam, sie lädt zu Mitnahme-Effekten bei der Preisbildung ein und verringert den Druck auf die Verkaufspreise.
Zu den Maßnahmen, die den Markt der E-Mobilität auch bei uns wirksam ankurbeln können, zählt eine deutlichere, dauerhafte Reduzierung der Kraftfahrzeugsteuer, ein bleibender finanzieller Vorteil für Elektroautos.
Noch effektiver wäre die Ankündigung emissionsfreier Innenstädte: der Gesetzgeber müsste den Kommunen endlich das Recht einräumen, emissionsfreie Innenstädte in eigener Regie zu etablieren – was spricht eigentlich dagegen, diese Befreiung lokaler Körperschaften von bundesweiter Regulierung zu realisieren? Derartige Ankündigungen, die beispielsweise ab 2020 wirksam werden, würden unmittelbar die Kaufentscheidungen von heute beeinflussen!
Warum fordert unsere Automobilindustrie nicht derartige Maßnahmen vom Gesetzgeber, obwohl sie sich doch so lautstark – Beispiel VW! – für diese neue Technologie einsetzt?
Die Antwort ist klar: die heutige Automobilindustrie verdient ihr Geld mit konventionellen Autos, und möchte dieses bequeme Geschäftsmodell nicht gefährden. Daher sollte darüber nachgedacht werden die Autofirmen – dem Beispiel großer Stromversorger folgend – zu teilen: Nur wirtschaftlich starke Produzenten von Elektroautos werden sich lautstark in Politik und Öffentlichkeit für ihre Produkte einsetzen!
Ohne den raschen Aufbau eines heimischen Marktes für die E-Mobilitäts-Produkte erreichen wir nicht die Stückzahlen, die für kostengünstige Produktion erforderlich sind, und werden auch in dieser Zukunftstechnik aus den USA und Asien überrollt werden, mit drastischen Schäden für unsere Volkswirtschaft. Dies kann sich die deutsche Volkswirtschaft eigentlich nicht erlauben.
Eicke Weber war bis Ende 2016 Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energieforschung in Freiburg. Derzeit leitet er die Berkeley Education Alliance for Research in Singapore BEARS.
Eicke Weber
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