zum Hauptinhalt
Annegret Kramp-Karrenbauer bei ihrer ersten Rede als Ministerin.
© AFP

Erste Rede als Verteidigungsministerin: Auf Kramp-Karrenbauer kommt einiges zu

Annegret Kramp-Karrenbauers erste Rede als Verteidigungsministerin ist eine Gratwanderung - und es gibt starken Gegenwind.

Für Annegret Kramp-Karrenbauer ist diese erste Rede auch eine Gratwanderung. Die CDU-Vorsitzende steht am Mittwoch vor den Abgeordneten des Bundestags, gerade ist sie als Verteidigungsministerin vereidigt worden. Und nun muss sie in 15 Minuten die Leistung ihrer Vorgängerin würdigen, gleichzeitig aber auch das Gefühl vermitteln: Bei der Bundeswehr wird sie die Dinge jetzt zum Positiven wenden. „Damit wir in Deutschland gut und sicher leben können, braucht es eine einsatzfähige Bundeswehr“, ruft sie. Applaus bei ihren Parteikollegen.

Für Kamp-Karrenbauer kann das Verteidigungsministerium entweder Sprungbrett ins Kanzleramt sein – oder ein Schleudersitz, wie für viele ihrer Amtsvorgänger. Die erste Rede ist dementsprechend bedeutsam. Doch am Mittwoch zeigt sich auch, wie groß die Aufgaben sind, die vor ihr liegen.

Eine normale Vereidigung ist es ohnehin nicht. Die 709 Abgeordneten mussten aus der Sommerpause geholt werden, geschätzte Kosten: mehr als 100 000 Euro. Und weil der Plenarsaal im Reichstagsgebäude renoviert wird, findet die Veranstaltung im Paul-Löbe-Haus des Bundestages statt – einem futuristisch anmutenden Bau mit viel Beton und Licht von oben. Anstatt im üblichen Halbrund sitzen die Abgeordneten in mehreren langen Reihen.

„Aufrüstungspolitik nach den Wünschen von Donald Trump“

Zwei Dinge sind für Kramp-Karrenbauer zentral. Erstens: Die Bundeswehr braucht mehr Geld. Die Verteidigungsministerin will am Nato-Ziel festhalten, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. Auf dieses Ziel hätten sich alle Verbündeten wiederholt geeinigt, sagt Kramp-Karrenbauer. Ähnlich äußerte sie sich am Wochenende bereits in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ – und brachte damit den Koalitionspartner gegen sich auf. Der kommissarische SPD- Chef Thorsten Schäfer-Gümbel warf ihr vor, eine „Aufrüstungspolitik nach den Wünschen von Donald Trump“ zu betreiben.

Am Mittwoch verteidigt sich die CDU-Chefin: Es gehe nicht um Aufrüstung oder um „Wünsche von außen“. „Es geht um Ausrüstung und Personal, um unsere Bundeswehr.“ Bis 2024 will sie die Ausgaben erst mal auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigern. Woher das Geld kommen soll, erklärt sie nicht. Finanzminister Olaf Scholz hat jedenfalls für 2020 ein Verteidigungsbudget 44,9 Milliarden Euro vorgesehen. 2023 dann aber nur noch 44 Milliarden Euro. Die Nato-Quote würde damit von 1,37 auf 1,24 Prozent zurückgehen. Hier wird sich Kramp-Karrenbauer behaupten müssen.

Der zweite Punkt, den sie stark macht, ist die Sichtbarkeit der Bundeswehr in der Öffentlichkeit. Die Streitkräfte gehörten in die Mitte der Gesellschaft. Bei Soldatinnen und Soldaten könnte das eine populäre Forderung sein: Kramp-Karrenbauer will mehr Gelöbnisse und Zapfenstreiche in der Öffentlichkeit – beispielsweise am 12. November, dem Geburtstag der Bundeswehr. Sie spricht zudem über kostenlose Bahnfahrten für Soldaten in Uniform – was aber ursprünglich eine Initiative der CSU-Landesgruppe im Bundestag war.

Der Gegenwind für Kramp-Karrenbauer ist am Mittwoch groß. Als erstes darf der AfD-Abgeordnete Rüdiger Lucassen sprechen, selbst ein Oberst a.D. Er ruft: „Die Union benutzt das Verteidigungsministerium seit 14 Jahren als Traineestelle, um Familien- und Provinzpolitikerinnen kanzlertauglich zu machen.“ Kramp-Karrenbauer nennt er eine „sicherheitspolitische Novizin“. Und der Kanzlerin wirft er vor, ihre „Kronprinzessinnen nach feudaler Art“ zu installieren. Es gehe um Macht und um Macht allein.

„Rassist im Weißen Haus“

Auch der Übergangschef der SPD-Fraktion Rolf Mützenich geht auf Konfrontation, so dass manche ihm danach unterstellen, sich mit seiner Rede schon mal auf den regulären Fraktionsvorsitz beworben zu haben. Vor allem kritisiert er Kramp- Karrenbauers Hinweis auf das vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel. „Mich erinnert mehr und mehr diese Diskussion an den Tanz um das goldene Kalb“, sagt er. „Wir sollten besser über Fähigkeiten der Bundeswehr reden, die wir in die Nato einbringen können.“ Und über US- Präsident Donald Trump wettert Mützenich, es sitze ein „Rassist im Weißen Haus, der sich durch Unberechenbarkeit und Egoismus auszeichnet“. Mützenich verbindet das mit der Forderung einer größeren Eigenständigkeit Europas gegenüber den USA.

FDP-Chef Christian Lindner erklärt dagegen, er traue der Ministerin durchaus „Leadership“, also Führungskraft zu – zählt dann aber auch lang und breit die Baustellen des Ministeriums auf: So müsse Kramp-Karrenbauer die Berateraffäre aufklären. „Es darf nichts unter den Teppich gekehrt werden, sonst wird die Bilanz Ihrer Vorgängerin auch Ihre Bilanz werden.“ Leadership erwarte die FDP auch in Bezug auf die internationale Verantwortung Deutschlands: Als Handelsnation dürfe sich Deutschland bei der Sicherung der Seewege nicht aus der Verantwortung stehlen – eine Anspielung auf die Lage in der Straße von Hornus. Er wünsche sich zudem Kramp-Karrenbauers „unbefangenen Blick“ bei der Planung einer Exit-Strategie aus Afghanistan.

Eine Schonfrist hat Kramp-Karrenbauer jedenfalls nicht. Direkt nach der Bundestagssitzung bricht sie zu ihrem ersten Truppenbesuch im niedersächsischen Celle auf. Heute ist sie zu Gast beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr nahe Potsdam und spricht per Videoschalte mit Soldaten in vier Einsatzgebieten der Bundeswehr. Sie wird Zeit brauchen, sich in die komplexe Materie einzuarbeiten.

Zur Startseite