Kongresswahlen in den USA: Auf der Suche nach einem Rezept gegen die Trumpisten
Trumpisten gegen Linke oder Pragmatiker? Welche Trends sich vor den Kongresswahlen in den USA abzeichnen.
Am Sonntag waren es noch 100 Tage bis zu den amerikanischen Midterms am 6. November und es zeichnet sich ab, was diese Wahl bedeuten könnte. Bei den „Midterms“, den Kongresswahlen zur Mitte der Amtszeit eines Präsidenten, entscheiden die Wähler über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses und wählen ein Drittel der Senatoren neu. Selten war wohl eine Midtermwahl so aufgeladen mit Hoffnungen und Befürchtungen wie diese, zwei Jahre nach der Wahl Donald Trumps. Die Kongresswahlen gelten als Stimmungsbarometer: Besonders die Demokraten verkaufen sie als Wahl für oder gegen Trump. Sie wollen das Abgeordnetenhaus zurückgewinnen und vielleicht sogar die knappe republikanische Senatsmehrheit brechen.
In nationalen Umfragen haben die Demokraten die Nase vorn - verlassen können sie sich darauf nicht
Bislang scheinen die Demokraten insgesamt die Nase vorn zu haben. In allgemeinen nationalen Umfragen führen sie seit Monaten mit sechs bis acht Prozentpunkten, Ende Juli sahen zwei Umfragen die Partei sogar mit 12 Prozentpunkten vorn. Bei diesen Umfragen wird allerdings nur sehr allgemein gefragt: Werden Sie eher demokratisch oder republikanisch wählen? Am Ende entscheiden sich die Wähler aber für einen konkreten Kandidaten vor Ort – und von denen stehen bislang nur etwa die Hälfte fest. Die politische Nerd-Szene in den USA schaut deshalb genau darauf, welche Sorte Kandidat das Rennen macht – sowohl innerhalb der demokratischen als auch innerhalb der republikanischen Partei. Bei den Republikanern ist, grob gesagt, die Frage: Gewinnen Trumpisten oder Moderate? Bei den Demokraten ist die Frage: Gewinnen Linke vom Schlage Bernie Sanders oder pragmatische Zentrumspolitiker?
"Die Republikaner sind Trump-Republikaner geworden
Bei 435 Vorwahlen für das Abgeordnetenhaus, plus Senatsvorwahlen, plus Gouverneurswahlen, ist das Feld denkbar unübersichtlich. Dennoch zeichnen sich rund 100 Tage vor der Wahl Trends ab: In der republikanischen Partei scheint es einen leichten Vorteil für die „Trumpisten“ zu geben, für Republikaner, die Trump unterstützen und seiner Politik nahestehen. Sowohl bei Vorwahlen für das Repräsentantenhaus als auch für Senatssitze sind viele moderatere Republikaner ausgeschieden, nicht selten, nachdem der Präsident sie attackiert hatte. Prominente Beispiele waren die Senatoren Jeff Flake in Arizona und Bob Corker in Tennessee. „Die Republikaner sind Trump-Republikaner geworden“, fasst Josef Braml, Amerikaexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, die Lage zusammen.
Für die Demokraten ist mit den Midterms nicht minder die Frage der Ausrichtung verbunden. Sie testen, welcher Typ Politiker sich in Gegenden durchsetzen kann, die es von Trump zurückzugewinnen gilt: in der ländlichen, weißen, deindustrialisierten Mitte.
Der Fall einer Sanders-Anhängerin hat viel Aufmerksamkeit bekommen, ist aber nicht repräsentativ
Bei den Demokraten haben bislang vor allem solche Rennen für Medienaufmerksamkeit gesorgt, bei denen sich „linke“ Kandidaten durchsetzten. Sie fordern zum Beispiel „Medicare“ für alle, also die Ausweitung eines Gesundheitsprogramms, das bisher für Ältere und chronisch Kranke reserviert ist, und die Abschaffung von ICE, einer Polizei- und Zollbehörde, die dem Innenministerium untersteht und unter anderem für Abschiebungen zuständig ist. Prominenteste Vertreterin ist die 28-jährige Alexandria Ocasio-Cortez aus der Bronx. Im 14. New Yorker Wahlkreis setzte sie sich in der Vorwahl Ende Juni überraschend gegen Joseph Crowley durch, ein Urgestein im Abgeordnetenhaus und Kandidat für den Posten des Fraktionssprechers.
Immer mehr Experten sind allerdings der Meinung, dass sich durch die Aufmerksamkeit für den Fall Ocasio-Cortez ein verzerrtes Bild ergibt. Will Marshall, der den Washingtoner Thinktank „Progressive Policy Institute“ leitet, eine Denkfabrik, die den Demokraten nahe steht, sagt, der 14. New Yorker Distrikt sei immer schon „tiefblau“ gewesen. Gerade in den entscheidenden Wahlkreisen in den Trump-Heartlands setzten die Wähler offenbar nicht auf „links sticht Trump“, so Marshall, sondern auf „pragmatism trumping Trump – Pragmatismus sticht Trump“. Der Think Tank „Third Way“ hat Mitte Juli durchgezählt und kommt zu einem ähnlichen Schluss: In den entscheidenden Wahlkreisen werden eher moderate Demokraten gegen die „Trumpisten“ antreten. „Das Zentrum ist sexier als Sie denken“, schrieb die New York Times daraufhin. In den US-Medien wird die Midterm-Wahl deshalb häufig als Kampf um die „Seele“ der demokratischen Partei beschrieben. Man kann es auch weniger metaphysisch ausdrücken: Es geht um das richtige Rezept gegen Trump.