Fünfte TV-Debatte der US-Demokraten: Auf der Suche nach dem Super-Heiler
In der TV-Debatte geben sich die Kandidaten ungewohnt harmonisch: Alle wollen Amerika wieder „heilen“ - und jeder will darin der beste sein. Eine Analyse.
Die gute Nachricht aus Sicht der US-Demokraten? Die fünfte TV-Debatte ihrer Präsidentschaftsbewerber verlief bis auf kleine Ausreißer ungewöhnlich harmonisch. War noch bei jeder der vier vergangenen Debatten der Umfrage-Favorit des Moments angegangen worden, manchmal so arg, dass mancher bereits um den Zusammenhalt der Partei fürchtete, so war das in der Nacht zu Donnerstag anders.
Die weniger gute Nachricht für die Partei ist allerdings, dass sie mit dieser Veranstaltung in Atlanta immer noch keine entscheidenden Fortschritte in der Frage gemacht hat, wer für sie im November des kommenden Jahres US-Präsident Donald Trump herausfordern soll. Und das, obwohl bereits in weniger als drei Monaten mit dem Caucus in Iowa die Vorwahlen beginnen. Auch weiterhin heißen die großen Favoriten Joe Biden, Elizabeth Warren, Bernie Sanders - und Pete Buttigieg.
Zwar gab es immer wieder Versuche der vier Moderatorinnen, Streit unter den zehn Kandidaten auf der Bühne anzufachen. Zum Beispiel, nachdem die Kongressabgeordnete aus Hawaii, Tulsi Gabbard, die Außenpolitik ihrer eigenen Partei kritisiert hatte, die das Land in endlose "Regime Change"-Kriege verwickelt habe. Kaliforniens Senatorin Kamala Harris war aufgefordert, darauf zu reagieren, und nach einem kurzen Zögern tat sie das auch entschlossen. Es sei traurig, dass hier eine Kandidatin mit auf der Bühne sei, die die vergangenen vier Jahre damit verbracht habe, den früheren Präsidenten Barack Obama und die eigene Partei zu kritisieren. "Wir brauchen jemanden, der gewinnen kann, weil er alle im Land anspricht." Und ein andermal wehrte sich der ehemalige Vizepräsident Joe Biden dagegen, beim Thema Klimawandel von dem Milliardär Tom Steyer "belehrt" zu werden, der sein Geld doch mit Kohle gemacht habe.
Geschlossen gegen Trump
Dagegen verliefen die Versuche, die Kandidaten wie erwartet auf den jungen Bürgermeister von South Bend (Indiana), Pete Buttigieg, loszulassen, der laut neuen Umfragen in Iowa auf einmal ganz vorne liegt, weitgehend harmlos. Harris, die überhaupt einen bemerkenswerten Auftritt hatte, obwohl sie derzeit in den Umfragen abgeschlagen zurückliegt, lehnte es gar ab, in eine Kontroverse mit Buttigieg einzusteigen. Für den Fehler seines Wahlkampfteams, das Foto einer kenianischen Mutter mit ihrem Kind als Symbolbild für seine Pläne zu Gunsten von Afroamerikanern zu verwenden, habe der Bürgermeister sich ja bereits entschuldigt, erklärte Harris. Es wäre wohl auch zu billig gewesen.
Geschlossen kritisierten die zehn Kandidaten (sieben andere hatten die Qualifikation für die Debatte nicht geschafft) dagegen Präsident Trump, gegen den die Demokraten in Washington derzeit ein Amtsenthebungsverfahren prüfen. Alle äußerten sich empört über die neuesten Entwicklungen in der Ukraine-Affäre. Elizabeth Warren betonte, keiner stehe über dem Gesetz. Der unabhängige Senator aus Vermont, Bernie Sanders, erklärte, Trump sei nicht nur ein "pathologischer Lügner", sondern "wohl der korrupteste Präsident" in der modernen Geschichte der USA.
Senatorin Harris sagte, nach Angaben des US-Botschafters bei der EU, Gordon Sondland, der am Mittwoch vor dem Geheimdienstausschuss ausgesagt hatte, seien viele hochrangige Regierungsvertreter eingeweiht gewesen in den Versuch, Druck auf die Regierung in Kiew auszuüben. Auch Vizepräsident Mike Pence, Außenminister Mike Pompeo und Trumps geschäftsführender Stabschef, Mick Mulvaney, hätten Bescheid gewusst, sagte Harris. Die ganze Regierung sei "ein kriminelles Unternehmen".
Sondland hatte ausgesagt, er habe im Umgang mit der Ukraine auf ausdrückliche Anordnung Trumps mit dessen persönlichem Anwalt Rudy Giuliani zusammengearbeitet. Giuliani habe ein "Quid pro quo", eine Gegenleistung, für ein Treffen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Trump im Weißen Haus verlangt. Kiew sollte demnach Ermittlungen unter anderem gegen die ukrainische Gasfirma Burisma ankündigen, bei der Bidens Sohn Hunter bis April beschäftigt war.
Biden selbst erklärte am Abend, er habe bei den Impeachment-Untersuchungen gelernt, dass Trump definitiv nicht wolle, dass er Präsidentschaftskandidat werde.
Sanders warnt, zu viel über den Präsidenten zu sprechen
Allerdings warnte Senator Sanders auch davor, dass man sich zu viel mit Donald Trump beschäftigen könne. "Damit riskieren wir, die Wahl zu verlieren." Stattdessen müsse die Partei sich um die wirklichen Problemen der Menschen im Land kümmern.
Auch Buttigieg merkte an, dass die Demokraten klar machen müssten, wie sie das Land nach Trumps Amtszeit regieren und die gespaltene Gesellschaft wieder zusammenbringen könnten.
Überhaupt: Das Thema, wie wichtig es sei, Amerika wieder zu "heilen", wurde auffallend oft angesprochen. Und jeder Kandidat behauptete dabei von sich, der beste Heiler zu sein. Biden verwies darauf, dass er schon so lange Menschen auch über Parteigrenzen zusammengebracht habe. Senator Cory Booker betonte, der nächste Präsident müsse das Land wieder vereinen, und dafür sei er der beste Kandidat. Bernie Sanders erklärte, man müsse das Land zusammenbringen, allerdings nicht nur gegen Trump.
Diese Töne gehen vielleicht auf eine Warnung von Barack Obama zurück. Der demokratische Vorgänger von Trump hatte seine Partei gerade erst ermahnt, die Wähler nicht mit radikalen Ideen zu verschrecken. Zuletzt war der Gegensatz zwischen dem stärker werdenden linken Flügel, für den Warren und Sanders stehen, und den moderaten Vertretern immer offener zutage getreten. Warren und Sanders fordern einen radikalen Wandel im Land, während andere wie Biden fürchten, dass so gemäßigte Republikaner und unabhängige Wähler vergrault werden könnten, die die Partei für einen Wahlsieg braucht.
Die Moderatoren stellen selbst die entscheidende Frage an Buttigieg
An dem Abend in Atlanta ging es aber auch nicht ausschließlich ernsthaft und staatstragend zu. Mit die lautesten Lacher hatten Senatorin Amy Klobuchar und der Tech-Gründer Andrew Yang. Klobuchar mit ihrem - bereits häufiger geäußerten - Satz, dass sie einen Allzeit-Rekord aufgestellt habe, weil sie für ihre Senats-Kampagne 17.000 Dollars von Exfreunden eingesammelt habe. Und Yang, als er auf die Frage antwortete, was er dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Falle seiner Wahl als erstes sagen würde. "Es tut mir leid, dass ich Ihren Typ geschlagen habe", werde er sagen, kündigte Yang an. Den Zuschauern im Studio war offensichtlich klar, dass er dabei Trump meinte.
Weil die Kandidaten nicht so richtig anspringen wollten, stellten die Moderatorinnen dann letztlich selbst die Frage an Pete Buttigieg: Warum sollten Demokraten das Risiko eingehen, auf einen so unerfahrenen Kandidaten wie ihn zu setzen? Der 37-Jährige konterte gewohnt gelassen: "Ich habe vielleicht nicht die Washington-Erfahrung." Aber er wisse, wie man Menschen zusammenbringe. Washington sollte ein bisschen mehr auf die besonders gut regierten Städte im Herzen des Landes schauen. "Die Probleme meiner Stadt mögen klein wirken, aber für uns wirkt die Politik in Washington klein." Dieser Punkt zumindest ging an ihn.