Von Kosovo nach Deutschland: Auch erwünschte Arbeitsmigranten bekommen keine Visa
Ab 1. März gilt das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz. Die ähnliche Vorgängerregelung für den Westbalkan gibt Hinweise darauf, wo es in der Praxis hakt.
In wenigen Tagen, am 1. März, tritt das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz in Kraft, mit dem Deutschlands seinem Mangel an Arbeitskräften entgegenwirken und Menschen von außerhalb der EU anwerben will. Eine geografisch begrenzte Vorläuferin gibt es es bereits: die so genannte Westbalkan-Regelung, die Menschen aus Albanien, Bosnien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien seit 2016 weitgehend die Grenzen öffnet; sie müssen dazu nur einen deutschen Arbeitsvertrag vorweisen.
Der Sachverständigenrat Integration und Migration und der kosovarische Think Tank „GAP“ haben jetzt eine Zwischenbilanz für Kosovo gezogen, das Westbalkanland mit einer besonders jungen, rasch wachsenden und perspektivlosen Bevölkerung, die die Regelung entsprechend am stärksten in Anspruch nahm. Für nächstes Jahr rechnet man bei insgesamt nur 1,8 Millionen Kosovarinnen und Kosovaren mit einer halben Million Menschen im Erwerbsalter, die keine Arbeit haben – hoch- ebenso wie geringqualifizierte. Das ist der höchste Wert aller sechs Westbalkanländer. Das Pro-Kopf-Einkommen im Kosovo ist das viertniedrigste auf dem europäischen Kontinent.
Behörden sind misstrauisch, die Verfahren dauern
Die Bilanz, die beide Institute am Dienstag veröffentlichten und die auch im Blick auf das neue Gesetz Bedeutung bekommen könnte, ist durchwachsen. Wie schon frühere liberale deutsche Gesetze zur Arbeitsmigration scheint auch hier die schleppende Erteilung von Visa sie in der Praxis auszubremsen. Die Verfahrensdauer sei „derzeit nicht nachhaltig“, rügt die Studie. Die Bundesregierung müsse das Personal der Botschaft in Kosovos Hauptstadt Prishtina dringend aufstocken. „Zwischen 2017 und 2018 kamen lediglich zwei neue Mitarbeiter, obwohl die Zahl der Anträge rasch wuchs.“
Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat hatte bereits 2018 nach einer Balkanreise ein Übermaß deutschen Misstrauens beklagt. Oft vermuteten die Botschaften fingierte Verträge oder ausbeuterische Arbeitsverhältnisse hinter den vorgelegten Papieren. Statt diese Prüfungen der deutschen Arbeitsverwaltung zu überlassen, verzögerten sich so die Visa-Verfahren. Die Zahlen, die die Studie präsentiert, belegen das: Obwohl in den ersten drei Jahren der Westbalkan-Regelung Staatsangehörige der sechs beteiligten Länder mehr als 200.000 Arbeitsverträge vorlegten und die Bundesagentur für 80 Prozent eine vorläufiges Okay gab, stand in nicht einmal einem Drittel der Fälle (31 Prozent) am Ende ein Arbeitsvisum für die Bundesrepublik.
Bilanz der Bundesregierung steht noch aus
Ein Problem sei auch die mangelnde Koordination zwischen den beteiligten Herkunftsländern und dem Zielland Deutschland, moniert die Studie. So bestehe die Gefahr, dass gerade Menschen abgeworben würden, deren Fähigkeiten im Heimatland fehlten, während andere Sektoren der heimischen Wirtschaft unterversorgt seien. Als eine Möglichkeit empfiehlt die Forschungsgruppe bilaterale Abkommen mit den beteiligten Balkanländern, um die Bedürfnisse von Herkunfts- und Zielland zu berücksichtigen und möglicherweise „Abschied zu nehmen von sehr großer Freizügigkeit“.
Positiv vermerkt das Papier, dass die in Deutschland besonders händeringend gesuchten Pflegekräfte im Kosovo keine dramatischen Lücken reißen würden. Ein „Brain Drain“ im Gesundheitssektor sei höchstens mäßig riskant, im übrigen brauche das Land „eher ärztliches Personal als Krankenschwestern“. Anders sehe dies aktuell für den Verwaltungs- und Dienstleistungssektor und für die Bauindustrie des Kosovo aus.
Das SVR-Team und sein kosovarisches Partnerinstitut betonen allerdings, dass ihre Ergebnisse vorläufig sind. Einerseits ist die amtliche Datenbasis aus dem Kosovo dürftig, zudem gibt es auch von deutscher Seite noch keine tauglichen Zahlen, wie viel erfolgreiche Arbeitsmigration die Westbalkan-Regelung tatsächlich bewirkt hat. Die Bundesregierung will in diesem Jahr eine Bilanz veröffentlichen. Da das Abkommen bis Ende 2020 befristet ist, muss sie auf deren Basis auch entscheiden, ob es verlängert wird.
Fachkräfte-Gesetz: Fachleute sehen auch hier Hürden
Auch für das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz erwarten Experten bereits Umsetzungsschwierigkeiten. Die wesentliche Hürde dürfte hier die Anerkennung eines ausländischen Abschlusses sein, die das neue Gesetz vorschreibt - die Westbalkanregelung verlangt dies nicht - und die in Deutschland besonders kompliziert ist. Zwischen 2012 und 2017 versuchten dies folglich lediglich 4000 Drittstaats-Angehörige.
Andrea Dernbach
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