Seehofers Abschied auf Raten: "Auch die schönste Zeit geht zu Ende"
Nach einem turbulenten Jahr kehrt bei der CSU der Weihnachtsfriede ein. Als wäre nichts gewesen, nehmen Horst Seehofer und die CSU Abschied voneinander.
Es weihnachtet bei der CSU - und wie. „Der Weihnachtsfriede ist eingekehrt“, vermeldet ein Vorstandsmitglied am Montag aus der letzten Parteivorstandssitzung vor Weihnachten. „Da kommt schon Weihrauch raus.“ Lob und warme Worte von allen Seiten, berichtet auch ein anderer CSU-Mann. „So viel Freundschaft war nie.“
Am Ende dieses für die CSU und ihn persönlich denkwürdigen Jahres leitet Horst Seehofer seine letzte Vorstandssitzung. Ursprünglich hätte es noch eine weitere geben sollen, kurz vor dem Sonderparteitag am 19. Januar. Doch auf die will man nun verzichten. Seehofer verabschiedet sich also schon jetzt vom Parteivorstand, kurz und schmerzlos: Die Sitzung ist nach nicht einmal zwei Stunden zu Ende, an der anschließenden Pressekonferenz nimmt er nicht teil.
„Ich kann nur sagen, auch die schönste Zeit geht einmal zu Ende. Dieser Zeitpunkt ist jetzt für mich gekommen“, sagt Seehofer schon vor Beginn der Sitzung. „Ich bin jetzt seit über zehn Jahren im Amt, das ist auch genug. Das reicht auch.“ Der 69-Jährige will sich nach eigenen Worten in Zukunft auch zurückhalten, jedenfalls wenn es um reine Parteiangelegenheiten geht. „Ich werde nicht als Vormund meiner Partei auftreten. Jede Zeit hat ihre Themen, ihre Personen, ihren Stil.“ Es werde keine „besserwisserischen Einlassungen“ geben.
"Ich bin glücklich, muss ich sagen"
Fast schon feierlich geht es auch hinter verschlossenen Türen zu. „Es waren zehn gute Jahre und zehn starke Jahre für die CSU unter Horst Seehofer als Parteivorsitzendem“, wird der bayerische Ministerpräsident Markus Söder von Teilnehmern zitiert. Und Seehofer lässt es sich nicht nehmen, Söder als seinen Nachfolger im CSU-Vorsitz vorzuschlagen. Der „Hauch der Geschichte“ sei durch den Raum geweht, sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume. Söder, der vom Parteivorstand einstimmig nominiert wird, spricht von einem „bewegenden Moment“, und preist Seehofer: „Er gehört zu den ganz Großen der CSU-Geschichte.“
„Ich bin glücklich, muss ich sagen“, sagt Seehofer nach Ende der Sitzung. „Es ist immer eine Zäsur im Leben, wenn etwas zu Ende ist.“ Man rede zwar oft über die Endlichkeit der Dinge im Leben. „Aber wenn sie dann stattfinden, ist es noch mal ein eigenes Erlebnis.“ Es sei aber auch ein Stück Erleichterung dabei. „Es beginnt ein neuer Abschnitt im Leben, ein ganz anderes Leben, mit Sicherheit nicht mehr mit diesem Stress.“ Wobei das schon „ein schöner Stress“ gewesen sei.
Die weihnachtliche Harmonie an diesem Morgen kann allerdings nicht vergessen machen, welch schwere Krisen hinter der CSU liegen: der Absturz bei der Bundestagswahl 2017, Seehofers unfreiwilliger Abgang als Ministerpräsident und die turbulente Machtübergabe an Söder, der Dauerstreit mit der Schwesterpartei CDU, mehrere Regierungskrisen in Berlin, der Absturz bei der bayerischen Landtagswahl - und dann das Hickhack, bis Seehofer auch den Weg an der CSU-Spitze freimacht.
Die Herausforderungen sind groß
Der CSU-Weihnachtsfriede hat aber auch kleine Makel, die zeigen, dass mindestens ein Teil der neuen Harmonie vielleicht doch ein ganz klein wenig inszeniert ist: Bei einer Presse-Weihnachtsfeier der CSU an diesem Mittwoch soll nur Seehofer mit dabei sein, Söder nicht. Und Seehofer verabschiedet sich zwar nach eigenen Worten bei vielen Parteigliederungen - bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion Anfang Januar im Kloster Banz ist er allerdings nicht mit dabei. Liegt das möglicherweise daran, dass sich die tiefen Gräben zwischen Seehofer und der Fraktion nicht ganz so leicht zuschütten oder wenigstens überbrücken lassen? Immerhin macht Seehofer die Fraktion hauptverantwortlich dafür, dass er in München vom Hof gejagt wurde.
Doch die CSU will nach vorne blicken. Mit Optimismus vorangehen - so nennt das Söder. Der Berg der Aufgaben und Herausforderungen ist groß: Nach den zurückliegenden Wahlpleiten soll es eine größere Parteireform geben. Die Zusammenarbeit mit der CDU soll unter der neuen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Söder auf ein neues, stabileres Fundament gestellt werden. Und dann wartet Ende Mai die Europawahl mit dem CSU-Politiker Manfred Weber als Spitzenkandidaten. Das ist dann schon die erste Bewährungsprobe für Söder als CSU-Chef.
Keine neue Personaldebatte
Bleibt noch eine klitzekleine Frage: wie lange Seehofer noch Bundesinnenminister bleibt. Im November hatte er in einer internen Sitzung noch deutlich gemacht, dass er ohne Parteivorsitz nicht dauerhaft Minister bleiben will. Öffentlich sagt er nur grinsend, dass er nichts dazu sagen will: „Da haben wir doch schon mehrfach jetzt festgestellt, dass es da keinen Erklärungsbedarf gibt.“
Söder und weite Teile der CSU haben offenbar kein Interesse an einer neuerlichen CSU-Personaldebatte, dann auf dem Berliner Parkett. Neue Turbulenzen personeller Art sollen vermieden werden. Zumal sich in den CSU-Reihen kein Nachfolger für den 69-Jährigen aufdrängt. Sollte Seehofer nun doch nicht früher abtreten, könnte er genau wie Kanzlerin Angela Merkel als Bundesinnenminister weitermachen. Oder doch nicht? Was meint Seehofer, wenn er am Montag sagt, „auch der Stress hat mal einen Schlusspunkt“? Das Rätselraten geht weiter. (Christoph Trost und Marco Hadem, dpa)
Christoph Trost, Marco Hadem