Horst Seehofer: Ein politischer Job ist kein Privateigentum
Die Demokratie tut sich schwer damit, ihre Angestellten rauszuschmeißen. Da ist CSU-Chef Seehofer keine Ausnahme. Eine Kolumne.
Manche Leute sind ganz schön dreist. Unglaublich, wie Seehofer reagiert hat, als man ihn nach den persönlichen Konsequenzen fragte, die er aus dem bayerischen Debakel ziehen werde. Rücktritt? Wo denken Sie hin? Im Gegenteil, der Bundesminister und Vorsitzende der CSU betont, dass seine Region und das ganze Land jetzt dringend Stabilität bräuchten. Und der Einzige, der angesichts des herrschenden Chaos Stabilität garantiert, ist er, wer sonst. Horst Seehofer ist nicht der Einzige, der glaubt, dass der Sessel, auf dem er sitzt, ihm auf Lebenszeit zugesprochen wurde. Höchste Zeit, daran zu erinnern, dass ein politischer Posten kein Privateigentum ist.
Das Phänomen ist nicht neu. Die Demokratie tut sich immer schwer damit, ihre Angestellten rauszuschmeißen. Dabei gibt es jede Menge Möglichkeiten der Neuorientierung. Liebe Bayern, nehmt euch ein Beispiel an den französischen Kollegen! Als Macron 2017 an die Macht kam, verloren viele alte Politikhasen ihren Job und mussten ein neues Leben beginnen. François Fillon wurde Partner in einer Investmentgesellschaft; er wird jetzt wesentlich besser bezahlt als zu seiner Zeit als Premierminister und muss seiner Ehefrau keinen Nebenjob mehr verschaffen. Außerdem nimmt er Englisch-Intensivkurse und gibt sich in seinem Aston Martin wieder seiner Leidenschaft für den Automobilsport hin. Der flotte Dominique de Villepin, einst Außen-, dann Premierminister, ist heute Anwalt. Auch Rathäuser sind beliebt. Emmanuel Valls, Premierminister unter Hollande, nutzt seine doppelte Staatsbürgerschaft und strebt das Bürgermeisteramt in Barcelona an.
Will er bis ins Grab Politik machen? Bitte nicht!
Gérard Colomb, der gerade zurückgetretene Innenminister, versucht es noch einmal in Lyon. Warum nicht Ingolstadt, Herr Seehofer? Oder der FC Bayern? Und wie wäre es mit einer weiteren Talkshow, um im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Einschaltquoten in die Höhe zu treiben? In der Rubrik „Was ist aus ihnen geworden?“ findet man wirklich alles. Nur der Sozialist Jean-Christophe Cambadélis verkündete, als er, schon 67 Jahre alt, bei den Wahlen im Juni 2017 seine Pariser Hochburg verlor: „Ich werde bis ins Grab Politik machen.“ Es steht zu befürchten, dass sich Horst Seehofer ausgerechnet an ihm ein Beispiel nimmt.
Doch auch in Deutschland werden Politiker recycelt. Zum Beispiel Gerhard Schröder. Als ihn ein Journalist am Tag nach seiner Niederlage fragte, was er zu tun gedenke, antwortete er: „Geld verdienen!“ Gesagt, getan. Er fand bei der Gelegenheit sogar sein fünftes Liebesglück. Nicht schlecht! Und Joschka Fischer hält, wie Obama und Clinton, schöne Vorträge an Eliteuniversitäten. Das ist wohl eher keine Option für Horst Seehofer. Manche schreiben auch ihre Memoiren (Um Himmels willen! Verschonen Sie uns!). Wäre ich Seehofer, ich würde mich auch vom humanitären Bereich fernhalten. Ein Boot zu chartern, um Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu fischen, ist in seinem Fall keine wirklich gute Idee. Bleibt also die Umorientierung zum Bio-Imker (wie Arnaud Montebourg, ehemaliger Wirtschaftsminister) oder Schafzüchter in den bayrischen Bergen. Oder, etwas bescheidener und ganz im Sinne Adenauers, zum Rosenzüchter im eigenen Garten. Nur zu! Es erinnert mich an eine Replik in dem Film „Die dummen Streiche der Reichen“, einem Publikumsrenner in den 70er Jahren. „Was soll aus mir werden?“, sagt da Louis de Funès. „Ich bin Minister. Ich kann nichts Gescheites!“ Beweisen Sie uns das Gegenteil, Herr Seehofer.
- Aus dem Französischen übersetzt von Odile Kennel.