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Syrische Kinder konnten während der Waffenruhe am Samstag nach langer Zeit wieder einmal auf den Straßen spielen.
© Mohammed Badra/dpa

Erster Tag der Waffenruhe: Atempause für Syrien

Seit Samstag gilt in Teilen des Landes eine Waffenruhe. Tatsächlich scheint die Gewalt deutlich zurückzugehen. Auch auf Dauer?

Der Samstagmorgen war für die Bewohner von Damaskus etwas ganz Besonderes. Sie wachten ohne das übliche Granatfeuer auf. Auch in Städten und Provinzen wie Aleppo, Homs, Latakia oder Hama herrschte laut Beobachtern erstmals seit langer Zeit wieder überwiegend Ruhe. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wurde die Feuerpause für Syrien offenbar eingehalten. Zumindest für einen Tag.

Geht die Gewalt zurück, soll das den Hilfsorganisationen ermöglichen, die Zivilbevölkerung mit dringend benötigten Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen. Außerdem soll die Waffenruhe den Weg für die Wiederaufnahme der Syrien-Friedensgespräche am 7. März ebnen. Dieses Datum hatte UN-Vermittler Staffan de Mistura dem Weltsicherheitsrat mitgeteilt. Voraussetzung sei allerdings, dass die Feindseligkeiten weitgehend eingestellt werden.

"Kein normales Leben"

Trotz der jüngsten Hilfslieferungen für mehrere belagerte syrische Städte herrscht in vielen Teilen des Landes weiter große Not. „Die Lage ist angespannt, und es ist offensichtlich, dass ein normales Leben weit entfernt ist“, sagte der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer. Um einem chronischen Versorgungsmangel vorzubeugen, seien regelmäßig Hilfslieferungen notwendig, sagte Maurer. Hilfsorganisationen hatten in den vergangenen Tagen in mehrere eingekesselte Städte Lkw-Konvois mit Nahrung und Medikamenten gebracht. Sie erreichten sowohl vom Regime abgeriegelte als auch von Rebellen belagerte Orte.

In Damskus nutzten Menschen die Waffenruhe, um das Nationamuseum zu besuchen - oder sich auf den Märkten zu versorgen.
In Damskus nutzten Menschen die Waffenruhe, um das Nationamuseum zu besuchen - oder sich auf den Märkten zu versorgen.
© YOUSSEF BADAWI/dpa

Vor der Ruhe: Heftiges Bombardement wie lange nicht

Das syrische Regime und sein enger Verbündeter Russland hatten in den Stunden vor Beginn der Feuerpause ihre Luftschläge gegen Rebellenstellungen massiv verstärkt. Kampfflugzeuge beider Länder flogen noch am Freitag in mehreren Provinzen des Landes Dutzende Angriffe. Beobachter sprachen von den heftigsten Kampfhandlungen seit Jahren. Syriens Militär setzte dabei offenbar erneut die besonders verheerenden, weil mit Metallteilen gefüllten Fassbomben ein, wie die oppositionsnahe, in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete. Die meisten Angriffe waren demzufolge gegen Aleppo und Homs gerichtet. Dort kämpfen auch nicht-dschihadistische Oppositionelle gegen Machthaber Baschar al Assad.

Die Waffenruhe ist labil - und relativ

Es bleiben ohnehin nach wie vor Zweifel, ob die Feuerpause tatsächlich hält. So wird nach Einschätzung des russischen Militärs die vorläufige Waffenruhe allein in sechs kleinen Gebieten Syriens gelten. Gleichzeitig rechnet die Kremlführung weite Gebiete rund um die Stadt Aleppo der Al-NusraFront zu. Und die darf ebenso wie der „Islamische Staat“ weiter bekämpft werden.

In Al Shadadi sammelten die Menschen Brauchbares aus den Trümmern nach den Bombardements.
In Al Shadadi sammelten die Menschen Brauchbares aus den Trümmern nach den Bombardements.
© Rodi Said/REUTERS

Daher wird dort nicht mit einem Ende der russischen Luftangriffe gerechnet. Regimegegner befürchten, Assad und seine Verbündeten – neben Moskau vor allem die vom Iran unterstützte libanesische Hisbollah und schiitische Milizen – könnten die weiter erlaubten Attacken auf fundamentalistische Extremistengruppen nutzen, um gegen gemäßigtere Kräfte vorzugehen. In der Tat ist es sehr schwierig, die verschiedenen Aufständischen auseinanderzuhalten. In einigen Regionen gibt es übergreifende Militärbündnisse wie die sogenannte Armee der Eroberer. In diesem Zusammenschluss spielen Islamisten der mit Al Qaida verbündeten Nusra-Front eine zentrale Rolle. Dem Bündnis gehören jedoch gleichfalls Einheiten der Freien Syrischen Armee an.

Für Assad sind alle Gegner "Terroristen"

Auch die Regierung in Ankara begrüßt zwar die Waffenruhe, ist aber skeptisch, ob diese Bestand haben wird. Die Türkei ist in den vergangenen Wochen massiv gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG vorgegangen. Vor allem in Nordsyrien gab es heftige Kämpfe. Dort kontrollieren die Brigaden inzwischen große Teile des Grenzgebiets zur Türkei. Das empfindet Ankara als Bedrohung. Denn dort gilt die YPG als Ableger der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Die USA und Russland hatten sich Anfang der Woche auf die Waffenruhe geeinigt. Es ist innerhalb kurzer Zeit der zweite Versuch, die Gewalt wenigstens zeitweise zu unterbinden. Die Regierung in Damaskus sowie das in der saudischen Hauptstadt Riad ansässige Hohe Verhandlungskomitee der Regimegegner und rund 100 Milizen stimmten der Übereinkunft zu. Assad hat aber in der Vergangenheit mehrfach klargestellt, dass er ganz Syrien zurückerobern wolle. Das schließt das Vorgehen gegen „Terroristen“ ein. Gemeint sind damit alle Gegner des Herrschers.

(mit dpa/AFP)

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