Falschangaben bei Produktionskapazitäten?: Astrazeneca lagert 29 Millionen Impfstoff-Dosen in Italien
In Italien liegen Millionen Impfstoff-Dosen, obwohl in der EU Mangel herrscht. Unklar ist, woher der Impfstoff kommt. Hersteller wehrt sich gegen Vorwürfe.
Nach Berichten über große Mengen von eingelagertem Astrazeneca-Impfstoff in Italien hat die Regierung in Rom eine Inspektion in einer Firma bestätigt. Allerdings seien die kontrollierten Impfstoff-Partien den Angaben nach für Belgien bestimmt gewesen, wie die Inspektion ergeben habe. Eine entsprechende Erklärung verbreitete die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi am Mittwoch in Rom.
Darin hieß es, dass die Europäische Kommission Rom am Samstag (20. März) gebeten habe, eine Reihe von Impfstoffpartien in einer Produktionsanlage in Anagni in der Region Latium zu untersuchen. Gesundheitsminister Roberto Speranza habe die Inspektion angeordnet. Bis Sonntag hätten die für Gesundheitsschutz zuständigen Carabinieri (NAS) geprüft. „Die Inspektion ergab, dass die Partien für Belgien bestimmt waren“, hieß es. Alle ausgehenden Partien würden nun von den Behörden kontrolliert.
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Der britisch-schwedische Impfstoffhersteller wies Berichte über die Vorratslagerung von 29 Millionen Impfdosen in einem Werk in Italien als nicht korrekt zurück. Es handle sich um verschiedene Kontingente des Impfstoffs, die auf die Freigabe durch die Qualitätskontrolle warteten, teilte eine Sprecherin am Mittwoch mit.
Davon seien 13 Millionen Dosen für arme Länder im Rahmen des Covax-Programms bestimmt. Sie seien außerhalb der EU hergestellt und in dem Agnani-Werk in Fläschen abgefüllt worden. Weitere 16 Millionen sollten nach der Freigabe nach Europa gehen, ein großer Teil davon noch im März. Derzeit seien keine Exporte außer in Covax-Länder geplant.
Astrazeneca weist Vorwürfe zurück
„Es ist nicht korrekt, dies als einen Vorrat zu bezeichnen“, so die Sprecherin. Der Prozess der Herstellung von Impfstoffen sei sehr komplex und zeitaufwendig. Insbesondere müssten die Impfstoffdosen auf die Freigabe durch die Qualitätskontrolle warten, nachdem die Abfüllung der Fläschchen abgeschlossen sei, hieß es weiter.
Die italienische Zeitung „La Stampa“ hatte berichtet, dass die Dosen teilweise für den Export nach Großbritannien bestimmt gewesen seien. Das scheint sich jetzt nicht bewahrheiten zu haben.
"Wir hatten den Verdacht, dass Astrazeneca über mehr Produktionskapazität in Europa verfügte, als sie angegeben hatten", sagte ein EU-Vertreter in Brüssel am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. EU-Industriekommissar Thierry Breton habe deshalb die italienischen Behörden gebeten, das Werk zu inspizieren.
Frage nach der Herkunft der Impfstoffe bleibt bisher offen
Die Entdeckung ist brisant, weil Astrazeneca bei den Lieferungen an die Europäische Union in der Corona-Pandemie sehr stark im Rückstand ist, das belegen auch aktuelle Zahlen. Statt bis zu 220 Millionen Dosen will das Unternehmen den EU-Staaten bis zur Jahresmitte nur 100 Millionen liefern.
Aus informierten Kreisen hieß es laut AFP, Astrazeneca habe angegeben, dass 16 Millionen der gefundenen Dosen für die EU und 13 Millionen für die internationale Impfinitiative Covax bestimmt seien.
„La Stampa“ berichtete, das Lager mit den 29 Millionen Impfdosen sei in der italienischen Abfüllfirma Catalent in Anagni entdeckt worden. Der Impfstoff wurde nach dpa-Informationen in der niederländischen Fabrik Halix in Leiden hergestellt und dann in Italien abgefüllt.
"Wir müssen jetzt überprüfen, ob der Wirkstoff in diesen Impfstoffen in der EU in von der EMA zugelassenen Anlagen hergestellt wurde", zitiert die AFP einen ungenannten EU-Vertreter.
Astrazeneca produziert auch in Werken in Asien, die bislang nicht für die EU-Produktion zugelassen sind. Auch eine Produktionsstätte des Unternehmens im niederländischen Halix darf bislang nicht für die EU produzieren, weil eine entsprechende Genehmigung noch nicht beantragt wurde.
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Zuletzt sorgte auch eine Studie für Kritik, mit der Astrazeneca die Wirksamkeit seines Impfstoffs mit 100 Prozent angibt. Vor allem die USA warf dem britisch-schwedischen Pharmaunternehmen vor, „veraltete“ Daten genutzt zu haben.
EU-Kommission will Exporte erschweren
Der schwelende Streit um Exporte der Impfstoffe führte am Mittwoch dazu, dass Auslieferungen aus der Europäischen Union noch schärfer kontrolliert und notfalls häufiger gestoppt werden sollen. Dies beschloss die EU-Kommission am Mittwoch. Dafür wurde die Anfang Februar eingeführte Exportkontrolle erweitert. Neue Kriterien sollen es erlauben, Impfstoffe zurückzuhalten, wenn Verhältnismäßigkeit und Gegenseitigkeit nicht gewahrt sind. Generelle Exportverbote soll es aber nicht geben. Ausfuhren in Entwicklungsländer sollen nicht behindert werden.
Die EU bleibe offen für Exporte, betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Aber die EU-Staaten steckten in der dritten Pandemiewelle, und nicht alle Herstellerfirmen lieferten gemäß ihrem Vertrag an die EU. „Wir müssen schnelle und ausreichende Lieferungen an die EU-Bürger sicherstellen. Jeder Tag zählt.“
Seit dem 1. Februar müssen Impfstoff-Exporte aus EU-Staaten in viele Länder angemeldet und genehmigt werden. 17 Partnerstaaten waren jedoch von dieser Erfassung ausgenommen, darunter Israel und die Schweiz - diese Ausnahmen werden jetzt gestrichen. Nur Lieferungen an 92 ärmere Länder über den Covax-Mechanismus der Weltgesundheitsorganisation sollen ausgenommen bleiben.
Bisher wurden nach Angaben der Kommission 380 Anträge zur Lieferungen von insgesamt rund 43 Millionen Dosen Corona-Impfstoff an 33 Länder genehmigt. Nur ein Antrag wurde abgelehnt - Italien stoppte die Ausfuhr von 250.000 Dosen Astrazeneca-Impfstoff an Australien. Wichtigstes Empfängerland war Großbritannien, dorthin gingen allein 10,9 Millionen Dosen. Danach kamen Kanada (6,6 Millionen), Japan (5,4 Millionen) und Mexiko (4,4 Millionen).
„Es ist nicht unsere Absicht, Dinge zu blockieren“, sagten EU-Beamte. Der erweiterte EU-Mechanismus beziehe nun aber einen „Gerechtigkeits-Ansatz“ mit ein. Das Prinzip der Gegenseitigkeit bedeutet aus Sicht der Kommission, dass auch das Empfängerland Exporte von Impfstoffen oder Bestandteilen zulässt. Verhältnismäßigkeit zielt auf die Frage, ob das Empfängerland bereits eine bessere Pandemielage und eine höhere Impfrate habe.
Nach diesen Kriterien könnte vor allem Großbritannien im Fokus der Kontrollen stehen. Aus dem Land kommen nach Darstellung der EU-Kommission keine Impfdosen in die EU, und die Impfrate dort ist höher als in EU-Staaten. Doch hofft Großbritannien auf Lieferungen des Astrazeneca-Impfstoffs aus einem Werk in den Niederlanden. (AFP, dpa, Tsp)