Krieg in Syrien: Assads nächster Sieg
Im südsyrischen Daraa begann 2011 der Aufstand gegen Assad. Nun kontrolliert das Regime die Stadt wieder. Und bald könnte die letzte Schlacht beginnen.
Soldaten, die jubelnd ihre Gewehre in die Höhe halten. Militärfahrzeuge, die hupend durch die Straßen fahren. Fahnen des syrischen Staates, die auf Gebäuden gehisst werden. Derartige Bilder und Videos werden derzeit vom Regime vielfach verbreitet.
Mit Bedacht. Denn sie sollen zeigen, dass die Herrschenden einen wichtigen symbolischen Sieg errungen haben: Nach mehr als sieben Jahren Krieg kontrolliert Baschar al Assad die Stadt Daraa im Südwesten des Landes wieder vollständig.
Das ist nicht nicht irgendein Ort, sondern ein ganz besonderer. Hier begann der Aufstand gegen den Gewaltherrscher in Damaskus. Ein Aufstand, der nun vermutlich auf sein militärisches Ende zusteuert.
Die Wiege der Revolte
Im Frühjahr 2011 hatte eine Schülergruppe regierungsfeindliche Graffiti an Wände gesprüht. Der Geheimdienst reagierte prompt, nahm die Jugendlichen fest und ließ sie zur Abschreckung foltern. In der Stadt kam es zu heftigen Protesten, die Sicherheitskräfte mit Gewalt unterbinden wollten. Aus den Unruhen ist ein verheerender Konflikt geworden.
Mehrere Hunderttausend Menschen sind ums Leben gekommen, Millionen auf der Flucht. In den vergangenen Wochen sind nochmals Zehntausende Vertriebene hinzugekommen. Denn die Bewohner Provinz Daraa und der gleichnamigen Stadt versuchten sich vor den heftigen Gefechten und den Regierungseinheiten in Sicherheit zu bringen.
Von Hilfe abgeschnitten
Die Kämpfe hätten zur größten und schnellsten Fluchtbewegung seit Beginn des Krieges geführt, berichtet die Organisation Oxfam. Seitdem sind die Schutzsuchenden von dringend benötigter Hilfe weitgehend abgeschnitten. Notlager, Wasser, Lebensmittel, Medikamente – es mangelt an allem.
Dabei müsste es dort vergleichsweise ruhig und halbwegs friedlich zugehen. Daraa gehört nämlich zu vier sogenannten Deeskalationszonen, in denen die Waffen ruhen sollen. Darauf hatten sich vor gut einem Jahr Russland, der Iran und die Türkei verständigt. Die USA und das angrenzende Jordanien stimmten dem zu.
Doch zu Beginn der Fußball-WM war es mit der Zurückhaltung vorbei. Assad und seine Verbündeten in Moskau kündigten den Waffenstillstand auf. Es folgte Luftschlag auf Luftschlag. Immer wieder soll es Angriffe auf zivile Ziele wie Kliniken und Schulen gegeben haben. Die militärische Überlegenheit war derart groß, dass die Aufständischen rasch aufgaben.
Eine unter russischer Vermittlung zustande gekommene Vereinbarung sieht nun vor, dass „versöhnungsbereite“ Kämpfer ihre schweren Waffen abgeben müssen und dann in der Stadt bleiben können. Wer dazu nicht bereit ist, soll ins nördliche Idlib abziehen dürfen.
Mit strategischem Kalkül
Diese Provinz ist nach dem Fall von Daraa das letzte relevante Rückzugsgebiet der Assad-Gegner. Dass der Machthaber dies zulässt, hat nach Ansicht von Beobachtern allerdings nichts mit Gnade oder Milde gegenüber den Besiegten zu tun. Seit der Schlacht um Aleppo werden Aufständische systematisch nach Idlib gebracht.
So hat sich das Gebiet zu einer Hochburg der Rebellen entwickelt, darunter bestens ausgebildete, kampferfahrene Islamisten. Experten gehen davon aus, dass Assad dies zulässt, weil er sich davon einen strategischen Vorteil verspricht – seine verbliebenen Kontrahenten sind damit an einem Ort versammelt.
Das macht es dem Diktator einfacher, sie auf einen Schlag auszuschalten. Denn an einem lässt Assad keinen Zweifel: Er will ganz Syrien zurückerobern.