Endspurt in der K-Frage: Armin Laschet läuft die Zeit davon
Im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur der Union scheint Markus Söders Kalkül aufzugehen: Er hat die CSU im Griff, Armin Laschet die CDU nicht.
Es war nicht schwierig zu erraten, wer im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur unter den CDU-Fürsten als erster sich selbst der Nächste sein würde. Und richtig, Rainer Haseloff rammt seinem Parteichef ein Messer in den Rücken.
Am Montag hat der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt im CDU-Präsidium noch zum Bild beigetragen, dass die Parteispitze einhellig Armin Laschets Anspruch unterstützt. Am Donnerstag schlägt er sich auf Markus Söders Seite: Popularität entscheide, nicht Sympathie oder Vertrauen, sagt Haseloff dem „Spiegel“: „Leider geht es jetzt nur um die harte Machtfrage: Mit wem haben wir die besten Chancen?“
Den Namen des CSU-Chefs nennt er nicht ausdrücklich, aber die Absage an Laschet ist auch so deutlich genug. Es nütze der Union ja nichts, wenn jemand „absolut kanzlerfähig“ sei, „aber dieses Amt nicht erreicht, weil die Wählerinnen und Wähler ihn nicht lassen“.
Haseloff weiß, wovon er spricht. Ihm droht am 6. Juni ein vergleichbares Schicksal bei der Landtagswahl. In der Fraktion in Magdeburg geht die Angst vor dem Machtverlust und der AfD um. Da reicht die Solidarität zum Bundesvorsitzenden nur für ein „leider“.
In München reiben sie sich die Hände. Söders Kalkül geht Stück für Stück auf. Er weiß die eigene CSU fest unter seiner Knute. Selbst Horst Seehofer, der reichlich Grund zu Revanchegelüsten hätte, gibt öffentlich nur seinem Leiden an der Situation Ausdruck, in die der Kandidatenkampf CDU und CSU gebracht hat. Derart geschlossene Reihen hätte Laschet gern. Aber der Rivale hat ihn erst brutalstmöglich übertölpelt, und jetzt lässt er die Zeit für sich arbeiten.
Denn mit jeder Stunde ohne eine Lösung steigt der Druck im CDU-Kessel. Und eine Lösung ist nicht einmal ansatzweise in Sicht. Die Idee eines Verhandlungsgremiums, in dem die beiden Bewerber flankiert von gewichtigen Sekundanten einen gemeinsamen Weg finden, ist vorerst ad acta gelegt.
Elder Statesman vergeblich gesucht
Einen Vermittler mit der Autorität, die Kontrahenten zusammen zu zwingen, haben weder CDU noch CSU zu bieten. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der im Flüchtlingsstreit noch Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel zusammenbrachte, hatte sich im CDU-Präsidium zu eindeutig positioniert. Schäuble trug dort das zentrale Argument vor, das auch zögernde Parteifreunde dazu brachte, sich zumindest nicht gegen Laschet zu stellen: Wenn ein CSU-Mann Kanzler wird, wird die CDU zur dritten Kraft noch hinter dem wichtigsten Koalitionspartner degradiert.
Ein gemeinsamer Weg ist aber ohnehin schwierig zu gehen, wenn keiner der beiden bereit ist, dem anderen den Vortritt zu lassen. Laschet will nicht weichen, Söder sieht zum Nachgeben gar keinen Grund.
In der CDU hatten manche anfangs noch versucht, sich die Kampfansage des Bayern als landesübliche Kraftmeierei schönzureden. Inzwischen hat sich bei Parteispitzen die Erkenntnis durchgesetzt: „Der zieht das durch!“
Hätten sie sich vorher genauer angeschaut, wie Söder in Bayern an die Macht kam, hätten sie das gleich gewusst. Auch dort war die Fraktion sein wichtigster Hebel, um den Ministerpräsidenten Seehofer zu stürzen. Auch damals war es bis zur Wahl nur ein gutes halbes Jahr hin, spielte die Angst der Landtagsabgeordneten vor dem Karriereende in seine Karten. Die CSU fuhr danach das mit Abstand schlechteste Ergebnis ihrer jüngeren Geschichte ein. Für Söder reichte es.
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Auch diesmal hat der CSU-Chef seine Chancen kühl durchgerechnet. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass der Kandidat der Union selbst dann beste Aussichten auf das Kanzleramt hat, wenn es im Wahlkampf mäßig läuft. Die wichtigste Wählerklientel, die Älteren, sind bis dahin geimpft. Und mögen CDU-Spitzenleute jetzt sauer auf ihn sein – im Herbst gewinnen wollen sie auch.
Merkel hätte abstimmen lassen
Dass Laschet sich dazu bereit erklärte, in seiner Parteispitze nur ein „Meinungsbild“ herzustellen statt eines bindenden Votums, erleichtert es allen, ihre Meinung zu ändern. Seine Vor-Vorgängerin hätte sich auf so etwas nie eingelassen. Als Merkel noch gegen mächtige Ministerpräsidenten kämpfen musste, hat sie die mit Beschlüssen gefesselt.
Auch im Timing, räumen Christdemokraten mittlerweile ein, habe ihr Chef Chancen vergeben. Hätte er schnell nach seinem Sieg beim Parteitag den Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erhoben, hätte er das Lager der Unterlegenen zur Solidarität und Söder nach kurzem Protest zum Beigeben zwingen können.
Jetzt unterstützen die Freundeskreise von Friedrich Merz und Norbert Röttgen den Angriff aus München. Merz selbst schimpft auf Söder. Er hat aber in einem Schreiben an den Wahlkreis unverblümt ausgemalt, was bei einem Sieg des Bayern zu erwarten sei: Laschet wäre unwiederbringlich demoliert, die CDU bräuchte den dritten Parteichef in Folge. Leicht zu erkennen, an wen er denkt.
Das Szenario erscheint zunehmend möglich. Laschet verhandelt mit Söder, erst wenige springen ihm bei. Der Kieler Daniel Günther, auch der Hesse Volker Bouffier gehören dazu. Der fordert Söder auf, sich an seine Zusage zum Rückzug zu halten, und kritisiert indirekt Haseloff: „Wir waren doch nicht umnachtet, als wir das einstimmig beschlossen haben!“
Andere schlingern um klare Sätze herum. Jens Spahn etwa mahnt Geschlossenheit an. Für die stehe Laschet, und die sei wichtig, denn wenn CDU und CSU sich stritten, spalte das meistens die CDU.
Das ist unübersehbar. Aus Sachsen wird von Stimmung pro Söder in Fraktion und Landesvorstand berichtet. Junge- Union-Chef Tilman Kuban droht in der „Bild“-Zeitung mit einem Votum des Jugendverbands, wenn bis Samstag die „Selbstzerfleischung“ nicht ende – es fiele wohl zugunsten des Bayern aus. Söders Freunde in der Bundestagsfraktion sammeln Unterschriften für eine Kampfabstimmung in der Sitzung am Dienstag.
Aber wenn sich die Sache bis dahin ziehen würde, sagen inzwischen selbst Leute, die auch mit Laschet an der Spitze zufrieden wären, dann brauche der Mann aus Düsseldorf wahrscheinlich gar nicht erst anzureisen. Am vorigen Dienstag hätte er vielleicht eine gute Chance gehabt bei den vielen, die zu dem Duell mit Söder schwiegen. Doch auch diese Chance schwinde mit der Zeit.
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