zum Hauptinhalt
Die Europa und Deutschlandfahne hängt vor dem Gebäude der Außenstelle des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
© Carmen Jaspersen/dpa

Bamf-Affäre: Anwälte nennen Vorwürfe „Stück aus dem Tollhaus“

Die Anschuldigungen in der Affäre um das Bremer Flüchtlingsamt wiegen schwer. Jetzt melden sich die Verteidiger der Beschuldigten zu Wort - mit einer ganz anderen Version.

In der Affäre um mutmaßlich unzulässige Asylbescheide gehen die Beschuldigten in die Offensive. Der Anwalt der ehemaligen Leiterin der Bamf-Außenstelle Bremen weist die Anschuldigungen gegen seine Mandantin zurück - und erhebt seinerseits schwere Vorwürfe gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Seine Mandantin habe weder Geld angenommen noch Geld an Anwälte angewiesen, die dafür Asylsuchende gezielt nach Bremen gebracht haben sollen, sagte der Jurist Erich Joester Radio Bremen, NDR sowie „Süddeutscher Zeitung“. Die Verfahren seien vielmehr wegen Überlastung anderer Außenstellen und mit Wissen der Nürnberger Zentrale nach Bremen verlegt worden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die ehemalige Leiterin der Bamf-Außenstelle. Unter ihrer Ägide sollen zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Asylverfahren ohne Beachtung der Vorschriften positiv entschieden worden sein. Zu den weiteren Beschuldigten gehören auch Anwälte und ein Dolmetscher, darunter ein Anwalt aus Hildesheim.

Bericht: Mehr Mitwisser als bekannt

Einem "Spiegel"-Bericht zufolge soll es derweil mehr Mitwisser als bekannt gegeben haben. Bereits 2014 sollen nach Erkenntnissen interner Aufklärer sieben Führungskräfte erfahren haben, dass es in der Bremer Außenstelle des Amtes massive Unregelmäßigkeiten gab, berichtete der "Spiegel" in seiner neuen Ausgabe.

Dem "Spiegel" zufolge warnte bereits 2014 ein Bamf-Beamter, es sei zu prüfen, ob in den verdächtigen Fällen "nach Recht und Gesetz entschieden wird oder eher sachfremde Erwägungen eine Rolle spielten".

Vier-Augen-Prinzip gelte erst seit 2017

Joester nannte den von der Bamf-Innenrevision erhobenen Vorwurf, seine Mandantin habe bei ihren Entscheidungen das Vier-Augen-Prinzip missachtet, „ein Stück aus dem Tollhaus“. Das Vier-Augen-Prinzip sei von der Bamf-Zentrale erst Anfang September 2017 in Kraft gesetzt worden. Die überprüften Fälle bezögen sich aber auf den Zeitraum von März 2013 bis August 2017: „Wie kann man jemanden vorwerfen, eine Vorschrift missachtet zu haben, wenn es diese Vorschrift noch gar nicht gab?“

Auch der Verteidiger des Hildesheimers Anwalts, mit dem die frühere Bremer Bamf-Leiterin besonders eng zusammengearbeitet haben soll, wies die Vorwürfe scharf zurück. Dass die Behördenleiterin viele der betroffenen Asylanträge mangels Zuständigkeit gar nicht hätte bearbeiten dürfen, sei „haltlos“, sagte Henning Sonnenberg.

Er berichtet von einem Erlass der Bamf-Zentrale in Nürnberg, wonach die Bremer Außenstelle zumindest zeitweise auch für die Bearbeitung von Asylanträgen aus Teilen von Niedersachsen zuständig war. Seines Wissens befinde sich eine entsprechende Mail im dienstlichen Mail-Account der Frau, der von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt sei.

Auch bei der Kontrolle von Integrationskursen gibt es Probleme

Bestätigt wurde dieses Verfahren vom Ordnungsamt des Landkreises Cuxhaven. Die Behörde erklärte auf Anfrage von Radio Bremen, NDR und SZ, das Bamf in Nürnberg habe mit Schreiben vom 30.12.2014 mitgeteilt, dass die Landesaufnahmebehörde wegen der hohen Zahl an Asylbewerbern gezwungen sei, manche schon vor Antragstellung zu verteilen. Die für den Zuständigkeitsbereich Landkreis Cuxhaven vorgesehene Außenstelle sei das Bremer Bamf.

Linken-Chefin Katja Kipping machte den früheren Bamf-Präsidenten Frank-Jürgen Weise für die Zustände in der Behörde verantwortlich. Die nach seinem Dienstantritt 2015 neu strukturierte Entscheidungspraxis habe „zu einer systematischen Aushöhlung von rechtsstaatlichen Verfahren“ geführt, schrieb sie in einem Gastbeitrag auf „tagesspiegel.de“.

Probleme gibt es auch bei der Kontrolle von Integrationskursen für Flüchtlinge. Die Kontrolle sei „äußerst dürftig“, habe Innenminister Horst Seehofer (CSU) in der Sondersitzung des Innenausschusses zur Bamf-Affäre kritisiert, berichten die „Nürnberger Nachrichten“ und die „Welt am Sonntag“. Laut Seehofer würden im Durchschnitt nicht einmal zehn Prozent der Träger geprüft. Dem Bericht zufolge waren Ende 2017 insgesamt etwa 1750 Träger vom Bamf zugelassen. Im Dezember habe das Bamf noch erklärt, es prüfe die Träger laufend. (dpa, AFP)

Zur Startseite