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Weltweit haben am Wochenende hunderttausende Menschen für ein besseres Klima demonstriert. Das Foto zeigt Demonstranten in Rom, die eine Weltkugel dabei haben.
© Tiziana Fabi/AFP

Interview zum Klimagipfel: Anton Hofreiter will Ende des Verbrennungsmotors

Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Toni Hofreiter, hält den Pariser Klimagipfel erst für den Beginn einer konsequenten Klimapolitik. Von der Kanzlerin verlangt er einen Ausstiegsplan für die Kohle.

Herr Hofreiter, Deutschland will sich auf dem Weltklimagipfel in Paris für verbindliche Klimaziele einsetzen. Länder wie China und die USA wehren sich gegen Vorgaben. Droht der Gipfel zu scheitern?

Gemessen an, was beim Klimaschutz objektiv notwendig wäre, droht der Gipfel zu scheitern. Paris wird nicht alle Fragen lösen. Aber der Gipfel muss eine wichtige Etappe im internationalen Klimaschutz werden. Es muss in Paris eine rechtlich verbindliche Verabredung geben, den Anstieg der globalen Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen und dies mit nationalen Klimazielen zu untermauern. Zwei Grad sind die obere Grenze dessen, was wir gerade noch verkraften können, damit unsere Lebensgrundlagen erhalten bleiben.

Was ist, wenn keine verbindlichen nationalen Ziele verabredet werden?

Natürlich ist es am Ende besser, ein schwaches Klimaabkommen zu haben als gar keines. Es gibt immer einen Spagat zwischen dem, was nötig wäre und dem, was politisch durchsetzbar ist. Paris kann und wird sicher nicht das Ende des internationalen Verhandlungsprozesses sein. Wir müssen deshalb in Paris vereinbaren, dass die Klimaziele mindestens alle fünf Jahre überprüft und gegebenenfalls angehoben werden. Denn wenn man es naturwissenschaftlich betrachtet, kann man nur zu einem Ergebnis kommen: Es muss sich einiges ändern.

China hat zugesagt, den Ausstoß von Treibhausgasen senken zu wollen. Auch viele andere Staaten sind erstmals bereit, so etwas wie eine Klimaschutzpolitik zu entwickeln.  Ist das nicht ein Fortschritt?

Richtig, in China passiert etwas, weniger wegen der Klimakrise, sondern weil es dort gigantische Umweltverschmutzung klassischer Natur gibt. Die Luftqualität in vielen Regionen ist so katastrophal, dass die Chinesen die Kohleverbrennung reduzieren wollen. Der ökonomische Aufstieg der Schwellenländer hat dazu geführt, dass dort auch der Anteil der Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen spürbar gestiegen ist. Dadurch hat sich in einigen Ländern erstmals ein Bewusstsein für Klimaschutz entwickelt.

Anton Hofreiter ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag.
Anton Hofreiter ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag.
© Mike Wolff

Was erwarten Sie von der Bundeskanzlerin beim Klimagipfel?

Die Bundeskanzlerin muss zu Hause umsetzen, was sie international verspricht. Wer etwa beim G-7-Gipfel von Dekarbonisierung redet, muss auch national den Kohleausstieg einleiten und sicherstellen, dass die nationalen Klimaziele bis 2020 und darüber hinaus erreicht werden. Derzeit ist Deutschland aber weit davon entfernt seine eigenen Ziele erreichen. Wir sind in der Außenwahrnehmung viel wichtiger als wir denken. Wir sind nicht nur die viertgrößte Industrienation der Welt, sondern gelten als das Vorreiterland der Energiewende. Wenn noch nicht einmal wir uns auf den Weg machen unsere Klimaziele zu erreichen, strengen sich auch andere Länder nicht an.

Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2020 mindestens 40 Prozent weniger Kohlendioxid (C02) auszustoßen als 1990. Ist das zu schaffen?

Dafür muss sich die Politik deutlich ändern indem wir etwa den Klimaschutz durch ein Klimaschutzgesetz endlich rechtlich verbindlich machen. Wenn wir in Zukunft den C02-Ausstoß nicht massiv drosseln, reißen wir unsere eigenen Klimaschutzziele.

Was würden Sie ändern?

Man müsste mit Volkswagen und der deutschen Autoindustrie endlich ernsthaft darüber sprechen, wie der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor und der Umstieg auf Elektromobilität gelingen können. Der Verkehr ist von enormer Bedeutung, was den Klimaschutz angeht. Stattdessen hat die Bundesregierung auf Drängen der Autolobby dafür gesorgt, dass es in Europa keine strengen C02-Grenzwerte für den Abgasausstoß gibt. Außerdem braucht Deutschland endlich einen Fahrplan für einen schnellen Ausstieg aus der Kohle. Wir halten es für machbar, in den nächsten zwei Jahrzehnten alle Kohlekraftwerke stillzulegen.

Aber ist ein solcher Kohleausstieg denn politisch durchsetzbar?

Natürlich brauchen wir einen sozialverträglichen Ausstiegsplan aus der Kohle. Aber am Ende würde es sehr viel mehr Geld kosten, wenn wir weiter eine unwirtschaftliche und klimaschädliche Technologie fördern. Da ist es doch viel sinnvoller, wenn wir das Geld in Umbauprogramme für Konzerne wie RWE oder Eon stecken.

Schon jetzt sind weltweit etwa 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Wird die Zahl der Flüchtlinge mit dem Klimawandel zunehmen?

Die Klimakrise heißt, dass unsere Ökosysteme instabiler und Wetterlagen extremer werden. Wenn Länder zunehmend von Dürren und Überschwemmungen betroffen sind, werden dort auch Nahrungsmittel und fruchtbarer Boden knapp. Dann gerät auch der Staat ins Wanken, es kommt zu Auseinandersetzungen zwischen den Bürgern. Wenn daraus ein Bürgerkrieg erwächst, machen sich die Menschen auf die Flucht. Ein reicher, gut organisierter Staat kann den Klimawandel noch bis zu einem gewissen Maß abfangen. Aber es gibt auf dieser Welt viele, sehr schwache Staaten, die in problematischen Klimazonen liegen. Deshalb werden wir in Zukunft noch ganz andere Flüchtlingsbewegungen erleben als heute.

Dagmar Dehmer, Cordula Eubel

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