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Sieht nicht gut aus - das Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde (Brandenburg)
© dpa

Dekarbonisierung der Weltwirtschaft: Die Lösung des größten aller Menschheitsprobleme

Für Kohle, Öl und Gas bricht die Geschäftsgrundlage weg. Daher stehen die Chancen zur Lösung des größten aller Menschheitsprobleme weit besser, als es scheint. Der unvermeidliche Ausstieg aus der Nutzung der fossilen Brennstoffe bahnt sich seinen Weg. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Schumann

Sie haben es wieder getan. Als die Regenten des G-7-Klubs ihr Jahrestreffen im bayerischen Schloss Elmau beendeten, haben sie einmal mehr große Versprechen zur Rettung der Menschheit vor dem Klimawandel abgegeben. Sie konstatierten „dringenden Handlungsbedarf“, und für die nötigen „tiefen Einschnitte bei den weltweiten Treibhausgasemissionen“ forderten sie nicht weniger als eine „Dekarbonisierung der Weltwirtschaft“.

So oder ähnlich tönt es von den einschlägigen Gipfeltreffen nun schon seit 23 Jahren. Und vordergründig spricht alles dafür, dass auch diese jüngste Erklärung weitgehend folgenlos bleiben wird. US-Präsident Barack Obama muss mit einem Senat regieren, der mehrheitlich meint, der Klimawandel sei nicht menschengemacht. Das lässt ihm wenig Spielraum. Sein kanadischer Kollege Harper steht einer Regierung vor, die das wirtschaftliche Schicksal ihres Landes an die Ausbeutung der besonders schmutzigen Ölsände gekoppelt hat und sich nicht einmal zu schade war, das ohnehin schwache Kyoto-Protokoll zu brechen. Selbst Gastgeberin Angela Merkel beendete ihr Rollenspiel als Klimakanzlerin sofort nach Gipfelende, um klimaschädliche Braunkohlekraftwerke vor der kleinen Zusatzabgabe zu retten, mit der ihr Wirtschaftsminister versucht, die Integrität der deutschen Klimapolitik zu retten. Und genauso halten es fast alle Regierungen weltweit. Darum steht schon jetzt fest, dass auch die im November anstehende Klimakonferenz in Paris keinen rechtlich verbindlichen Vertrag zur Abwendung des drohenden Klimachaos beschließen wird.

Und doch stehen die Chancen zur Lösung dieses größten aller Menschheitsprobleme weit besser, als sie scheinen. Denn jenseits des Konferenzzirkus bahnt sich der ohnehin unvermeidliche Ausstieg aus der Nutzung der fossilen Brennstoffe langsam, aber stetig seinen Weg. Ein Indiz dafür ist, dass 2014 der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen aus Energiegewinnung zum ersten Mal überhaupt stagnierte, obwohl die Weltwirtschaft um drei Prozent zulegte. Wichtigste Ursache ist Chinas Kohlewende. Um die Luftverschmutzung zu bekämpfen, dringen die Machthaber in Peking auf Schließung alter Kohlekraftwerke. Trotz sieben Prozent Wachstum sank Chinas Kohleverbrauch um drei Prozent, und im ersten Quartal 2015 fielen die Kohleimporte gar um 38 Prozent. Der Höhepunkt der chinesischen Emissionen rückt damit in greifbare Nähe.

Die Rentabilität der Stromerzeugung aus Kohle und Gas sinkt

Gleichzeitig deckte China in 2014 den zusätzlichen Energiebedarf allein aus erneuerbaren Quellen. Und diese Entwicklung liegt im Trend. In den meisten Regionen der Welt sei der Strom aus Solar- und Windkraft inzwischen „genauso teuer oder billiger als der aus dem Netz“, berichtete jüngst der Wirtschaftsdienst Bloomberg. Schon seit 2013 übersteigt daher der Zubau der Kapazität aus sauberen Quellen den Bau konventioneller Kraftwerke. Damit sinkt aber die Rentabilität der Stromerzeugung aus Kohle und Gas.

Mit anderen Worten: Den Förderern von Kohle, Öl und Gas bricht die Geschäftsgrundlage weg. Denn wer nicht wächst, wird schrumpfen, das ist eisernes Gesetz im Kapitalismus. Nicht zuletzt deshalb macht sich auch unter Kapitalanlegern Unruhe breit. Nicht nur, dass die Klimaforscher fordern, zwei Drittel aller fossilen Reserven müssten im Boden bleiben. Wenn zudem Alternativen verfügbar sind, dann wird es riskant, noch länger in Öl- und Kohleunternehmen zu investieren. Darum haben langfristig orientierte Anleger wie der 800 Milliarden Dollar schwere Staatsfonds aus Norwegen oder die AXA-Versicherung und mit ihnen viele amerikanische Stiftungen begonnen, ihr Geld aus diesen Konzernen abzuziehen. Keineswegs zufällig lassen denn auch die Europäische Zentralbank und die Bank of England untersuchen, ob der drohende Ausstieg der Investoren die Stabilität der Finanzmärkte bedroht.

Klimaexperten kennen den Begriff der „tipping elements“, der Kipp-Punkte. Das sind Prozesse, die das ganze Klimasystem umkippen lassen. Wenn etwa das Amazonasbecken austrocknet oder die Permafrostböden auftauen, würde das so viel zusätzliche Treibhausgase freisetzen, dass sich der Klimawandel aus eigenem Antrieb beschleunigt, die Katastrophe wäre nicht mehr aufzuhalten.

Vor einem solchen Kipp-Punkt steht nun auch die Politik zum Schutz davor. Es fehlt nur noch wenig – etwa eine Kohlenstoffsteuer in Europa, China, Indien und den USA –, und der radikale Umbau der globalen Energieversorgung würde ein Selbstläufer. Eine solche Vereinbarung wäre dann wirklich einen Gipfel wert.

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