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Die große Unzufriedenheit. Immer wieder gibt es im Land (wie hier in den Kurdengebieten) Kundgebungen, die sich gegen die miserable wirtschaftliche Lage richten.
© Sertac Kayar/Reuters

Türkei: Ankaras Angst vor den Gelben Westen

Die Türkei will Proteste wegen der enormen wirtschaftlichen Probleme im Land unbedingt verhindern. Doch es kommt immer wieder zu Kundgebungen.

Die türkische Regierung befürchtet angesichts wachsender wirtschaftlicher Probleme den Beginn von Massenprotesten der Gelbwesten wie in Frankreich. Inspektoren des Innenministeriums erkundigten sich laut Medienberichten in jüngster Zeit in Geschäften für Berufsbekleidung, ob mehr Sicherheitswesten gekauft werden als sonst.

Auch Erdogan selbst zeigt Zeichen von Nervosität. Er will einen bekannten Fernsehmoderator einsperren lassen, weil dieser auf die verfassungsmäßig verbriefte Demonstrationsfreiheit gepocht hatte.

Nachdem das Wirtschaftswachstum nach 7,3 Prozent im vergangenen Jahr im laufenden Jahr zunächst auf 5,2 Prozent und zuletzt auf 1,6 Prozent zurückgegangen ist, befindet sich die Türkei nach einigen Definitionen in einer Rezession. Inlandsnachfrage und Investitionen gehen zurück, die Arbeitslosigkeit steigt, die Inflation liegt bei mehr als 20 Prozent. Firmenpleiten sind an der Tagesordnung.

Der Opposition fehlt eine gemeinsame Basis

In Diyarbakir, der größten Stadt des Kurdengebietes, demonstrierten am Wochenende mehrere tausend Menschen gegen die drastischen Preissteigerungen der vergangenen Monate. Einige der Teilnehmer trugen gelbe Westen. Im Internet kursieren Videos von Männern, die in einem Teehaus die Broschüren der Oppositionspartei CHP verteilen. Erdogan-Anhänger nannten sie auf Twitter „Vaterlandsverräter“ und „Provokateure“.

Innenminister Süleyman Soylu soll Berichte über potenzielle Proteste türkischer Gelbwesten als aufgebauschte Online-Gerüchte heruntergespielt haben, wie die Oppositionszeitung „BirGün“ meldete. Tatsächlich hat Erdogans Regierungspartei von ihren Kritikern kaum etwas zu befürchten.

So haben die diversen regierungskritischen Gruppen im Land keine gemeinsame Basis oder Organisation, die größere Protestkundgebungen auf die Beine stellen könnte. Die Gewerkschaften sind zu schwach; die CHP agiert als größte Oppositionskraft im Parlament von Ankara ungeschickt und ist mit innerparteilichen Streitereien beschäftigt.

Regierungskritiker einschüchtern

Dennoch reagiert die Regierung mit Einsätzen der Polizei auf jede noch so friedfertige Kundgebung, wenn diese als regierungskritisch eingestuft wird. So verhindern Polizisten wöchentlich mit Wasserwerfern die Mahnwachen der „Samstagsmütter“ in Istanbul, die seit Jahren Aufklärung über das Schicksal ihrer von den Sicherheitsbehörden in den 90er Jahren verschleppten Söhne fordern.

Auch Ermittlungen gegen Teilnehmer der Gezi-Proteste des Jahres 2013, die kürzlich von der Justiz eröffnet wurden, dienen nach Einschätzung von Erdogan-Gegnern der Einschüchterung von Regierungskritikern. Von einer „Paranoia“ in Ankara sprach der Oppositionspolitiker Aykut Erdogdu gegenüber „BirGün“.

Der Kolumnist Mehmet Yilmaz von der Internetplattform T24 schrieb, Erdogan habe „ein Problem mit der Demokratie“. Yilmaz kommentierte damit Drohungen von Erdogan gegen den bekannten Fernsehmoderator Fatih Portakal, einen der wenigen TV-Journalisten, die in einem etablierten Sender noch die Regierung offen kritisieren.

"Sind wir hier in Paris?"

Portakal hatte im Sender Fox die Frage gestellt, ob in der Türkei friedliche Demonstrationen etwa gegen die Erhöhungen der Gaspreise noch möglich seien. „Sind wir hier in Paris?“ entgegnete Erdogan in einer Rede in Anspielung auf Frankreichs Gelbwesten.

„Die Justiz wird ihm die angemessene Antwort geben“, sagte der Präsident über Portakal. In einer weiteren Ansprache am Montag wurde Erdogan deutlicher. Wenn Portakal so weitermache, werde ihm die Nation „den Hintern versohlen“.

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