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Gerade in den Kurdengebieten und den Großstädten ist Selahattin Demirtas sehr beliebt.
© Umit Bektas/Reuters
Update

Nach Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs: Erdogan lehnt Freilassung des Kurdenpolitikers Demirtas ab

Der Gerichtshof für Menschenrechte fordert die Türkei auf, den Kurdenpolitiker Demirtas aus der U-Haft zu entlassen. Doch Ankara will davon nichts wissen.

Der türkische Präsident hat am Dienstag ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichts in Straßburg demonstrativ zurückgewiesen und damit neue Spannungen mit der EU angefacht. Recep Tayyip Erdogan lehnte die Forderung des Straßburger Gerichts nach Freilassung des Kurdenpolitikers Selahattin Demirtas ab, der seit zwei Jahren wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda in Untersuchungshaft sitzt.

Die Türkei werde den Fall selbst „erledigen“, betonte Erdogan. Die Istanbuler Menschenrechtlerin Eren Keskin sagte, damit habe der Präsident offen zugegeben, dass seine Regierung die türkische Justiz kontrolliere. Anstehende Gespräche einer hochrangigen EU-Delegation in Ankara dürften konfrontativ werden. Unterdessen ordnete ein Istanbuler Gericht die Verlängerung der Untersuchungshaft für einen deutsch-türkischen Angeklagten an.

Die Straßburger Richter gaben der Beschwerde von Demirtas gegen seine Inhaftierung zwar nicht in allen Bereichen statt. Doch in den wichtigsten Punkten entschied das Gericht für den 45-jährigen Ex-Vorsitzenden der Kurdenpartei HDP und gegen Ankara. Das Urteil warf der Türkei vor, Demirtas mit der Inhaftierung aus dem Verkehr gezogen zu haben, um Pluralismus und eine freie demokratische Debatte zu unterdrücken.

Demirtas erklärte, die Straßburger Richter hätten bestätigt, dass er als „politische Geisel“ in Haft gehalten werde. Sein Anwalt beantragte noch am Dienstag beim zuständigen Gericht in Ankara die Freilassung seines Mandanten.

Erdogan-Kritiker innerhalb und außerhalb der Türkei werteten die Entscheidung als höchstrichterlichen Beweis dafür, dass Demirtas aus politischen und nicht aus juristischen Gründen hinter Gittern sitzt. Kati Piri, die Türkei-Berichterstatterin im EU-Parlament, verlangte Demirtas’ sofortige Freilassung.

Sezgin Tanrikulu, türkischer Oppositionsabgeordneter und Menschenrechtsanwalt, sprach von einem Grundsatzurteil, das auch neun anderen inhaftierten HDP-Abgeordneten die Freiheit bringen sollte.

Große Popularität und viel Talent

Im türkischen Kurdengebiet wurde das Straßburger Urteil mit Freude aufgenommen. Demirtas ist bei vielen türkischen Kurden und linksliberalen Wählern in den Großstädten sehr beliebt. Er wird als möglicher HDP-Bürgermeisterkandidat in der Kurdenmetropole Diyarbakir bei den Kommunalwahlen im März gehandelt.

Demirtas’ Popularität und politisches Talent sind wichtige Gründe dafür, dass die Regierung ihn gerne weiter hinter Gittern sehen würde. Deshalb ist eine baldige Entlassung des Politikers nicht zu erwarten, auch wenn sich die Türkei als Mitglied des Europarats eigentlich den Straßburger Urteilen fügen muss.

Die Entscheidung sei für sein Land nicht bindend, sagte Erdogan. Er kündigte nicht näher erläuterte „Gegenmaßnahmen“ an. Anwältin Eren Keskin sagte, Erdogan wolle offenbar die Gerichte anweisen, Demirtas möglichst rasch rechtskräftig zu verurteilen, um der Straßburger Entscheidung die Grundlage zu entziehen – das Urteil der Europarichter bezog sich auf die Untersuchungshaft für Demirtas.

Spannungen mit der EU

Fortschritte im politischen Dialog zwischen Türkei und EU beim Besuch der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und des Erweiterungskommissars Joachim Hahn in Ankara am Donnerstag sind in diesem angespannten politischen Klima unwahrscheinlich.

EU und Türkei arbeiten unter anderem im Rahmen eines Abkommens daran, das einen Andrang von Flüchtlingen Richtung Europa verhindern soll. Auch im Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei gibt es neue Spannungen. Nach den Haftstrafen für zwei Bundesbürger in der Türkei begann am Dienstag in Istanbul ein Strafprozess gegen den deutsch-türkischen Sozialarbeiter Adil Demirci.

Auch im bilateralen Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei gibt es neue Spannungen. Nach den kürzlichen Haftstrafen für zwei Bundesbürger in der Türkei entschied ein Istanbuler Gericht am Dienstag, dass der seit April inhaftierte deutsch-türkische Sozialarbeiter Adil Demirci aus Köln weiter in Untersuchungshaft bleiben muss. Auch Demirci muss sich wegen angeblicher Terrorpropaganda verantworten. Der Prozess gegen ihn wird am 14. Februar fortgesetzt.

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