Griechen und Europa: Angela Merkel muss jetzt einen Schnitt machen
Bei der Euro-Rettung ist die Logik der Finanzmärkte nicht durchbrochen worden, Europas Regierungen haben sie sich vielmehr zu eigen gemacht. Einen Totalverlust will die Kanzlerin jetzt verhindern. Um jeden Preis. Ein Kommentar.
„Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, dieser Satz steht am Anfang von fünf Jahren Griechenlandpolitik – Kanzlerin Angela Merkel hat ihn am Montag noch einmal wiederholt, flankiert von ihrem Vizekanzler. Aber als was sprach sie da? Als geduldig-gütige Herzenseuropäerin? Oder als Chefin von Griechenlands größter Gläubigernation, die gerade um ihre Milliarden fürchtet?
Mit ihrer Griechenlandrettung haben sich Europas Regierungen in die Rolle von Finanzinvestoren begeben. Milliarden wurden umgeschichtet, von privaten Anlegern zu europäischen Steuerzahlern. Mehr als die Griechen wurden Banken und Spekulanten gestützt – drei Viertel der Hilfskredite flossen dorthin. Der Euro sollte vor dem Zugriff „der Märkte“ gerettet werden. In Wirklichkeit aber ist die Logik der Finanzmärkte nie durchbrochen worden, Europas Regierungen haben sie sich vielmehr zu eigen gemacht. Deshalb richten sie nun übereinander – aus lauter Angst, der Gewinn des einen könne der Verlust des anderen sein.
Eine nachhaltige Lösung, die vor allem anderen eine Wiederbelebung der griechischen Wirtschaft in den Blick nimmt, gelang so nicht. Das Interesse der Institutionen ist ein anderes: Die Illusion zu erhalten, die Griechenland-Rettung sei zum Nulltarif zu bekommen. Deshalb tut die Kanzlerin ja nicht das, was offensichtlich nötig ist: Einen teilweisen Schuldenerlass zu ermöglichen, ganz unabhängig von der Frage der Athener Euro-Mitgliedschaft.
Jede Seite ist inzwischen zur Geisel ihrer Eigeninteressen geworden: Merkel will um jeden Preis verhindern, dass ihr Name mit den knapp 90 Milliarden Euro verbunden wird, die die Deutschen im Falle einer Staatspleite abschreiben müssen. Die Griechen wiederum, und nicht nur die Syriza-Partei, glauben, sie könnten mit Europas Regierungen so umspringen, wie man das mit „Heuschrecken“ eben so macht
Ein Grexit wäre schon 2011 zu haben gewesen - für weniger Geld
Auch heute noch lebt der griechische Staat über seine Verhältnisse. Fraglich, ob das Land im Euro überhaupt erfolgreich werden kann. Sollte Griechenland die Staatspleite verkünden und – auf welchem Weg auch immer – aus dem Euro scheiden, dann bleibt festzuhalten: Dieses Ergebnis wäre schon fünf Jahre früher zu haben gewesen – zu einem viel niedrigeren Preis. Tragisch, dass es damals nicht schon zu einem Referendum über die Euro-Mitgliedschaft kam. Umstritten ist, ob Merkel dies 2011 verhinderte oder ob der Plan des Ex-Regierungschefs Giorgos Papandreou in Athen selbst vereitelt wurde. Öffentlich gefordert zumindest hatte Merkel eine Volksabstimmung nie.
Wäre Merkel übrigens eine private Investorin, dann würde sie sich jetzt um Schadensbegrenzung bemühen, statt weiter an einer Konkursverschleppung mitzuwirken. Der Großteil der griechischen Schulden ist verloren, selbst wenn Athen im Euro bleibt. Zeit für Merkel, einen Schnitt zu machen.