Biden will den Krieg im Jemen beenden: Amerikas Ansage, Saudi-Arabiens Dilemma
US-Präsident Biden entzieht den Saudis die Unterstützung für den Jemenkonflikt und bringt Prinz bin Salman in Zugzwang – findet der Krieg nun ein Ende?
Es ist einer der verheerendsten Konflikte weltweit. Doch nach sechs Jahren Krieg gibt es jetzt erstmal ein wenig Hoffnung für den Jemen. Die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, die amerikanische Unterstützung für die saudische Offensive im Jemen einzustellen, reicht zwar alleine nicht aus, um das Leid der Zivilbevölkerung zu beenden.
Aber Washingtons klare Kursänderung ermöglicht mehr Hilfe für das zerstörte Land und wohl den Beginn eines politischen Prozesses. Ein Vorteil für Bidens Jemen-Beauftragten Timothy Lenderking ist zudem, dass alle Beteiligten inzwischen eingesehen haben, dass sie den Kampf nicht gewinnen können – und Amerika auf eine diplomatische Lösung dringen wird.
„Dieser Krieg muss enden“, erklärte der US-Präsident – weil er zu einer „humanitären und strategischen Katastrophe“ geführt habe.
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Saudi-Arabien führt im Jemen eine internationale Koalition an, die gegen die Huthi-Rebellen kämpft. Die schiitische Miliz hat große Gebiete im Norden und Westen des Landes einschließlich der Hauptstadt Sanaa unter Kontrolle und greift Saudi-Arabien immer wieder mit Raketen und Drohnen an.
Große Not im Armenhaus der arabischen Welt
Unterstützung erhalten die Aufständischen vom Iran, dem Erzfeind der Saudis. Dadurch ist der Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den schiitischen Mullahs in Teheran und den sunnitischen Herrschern in Riad geworden. Mehr als 100.000 Menschen sind in dem Krieg bisher umgekommen, vier von fünf der rund 30 Millionen Menschen im Armenhaus der arabischen Welt sind auf Hilfe von außen angewiesen. Die Corona-Pandemie verschärft die Lage im Jemen zusätzlich.
Biden will den Saudis ab sofort keine Waffen für den Krieg mehr liefern. Die USA unterstützen Saudi-Arabien aber weiter bei der Abwehr von Huthi-Luftangriffen auf saudisches Gebiet und setzen auch den Kampf gegen den Ableger des Terrornetzwerkes Al Qaida im Jemen fort. Aus jetzt veröffentlichten Dokumenten der UN geht hervor, dass der regionale Al-Qaida-Chef Khalid Batarfi bereits seit einem halben Jahr in Haft ist.
Amerikas neue Jemen-Position ist eine Abkehr von einer Politik, die Bidens früherer Chef Barack Obama begonnen und Donald Trump fortgesetzt hatte. Die Hilfe für die Saudis im Jemen ist in den USA allerdings seit Jahren umstritten, weil amerikanische Rüstungsgüter bei Angriffen auf Zivilisten eingesetzt wurden.
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Zudem nutzten die Saudis bei ihren Luftangriffen die Daten amerikanischer Aufklärungsflugzeuge. Unterstützung erhielt das Königreich ebenfalls bei der Blockade jemenitischer Häfen. Trump beendete zwar 2018 den Einsatz amerikanischer Tankflugzeuge für saudische Kampfjets, hielt am Rest der militärischen Unterstützung aber fest. Biden macht damit jetzt Schluss.
Der Feldzug der Saudis - ein Debakel
Eine der ersten Aufgaben des Jemen-Beauftragten Lenderking wird darin bestehen, einen gesichtswahrenden Ausweg für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman zu finden, der den Krieg im März 2015 in der Hoffnung auf einen raschen Sieg begonnen und vorangetrieben hatte.
Der saudische Thronfolger steckt aber in einem Dilemma. Einerseits ist ihm längst klar, dass im Jemen für ihn und das Königshaus nichts mehr zu holen ist. Der Feldzug gleicht einem Debakel. Die Huthis konnten trotz aller militärischen Überlegenheit nicht zum Aufgeben gezwungen werden.
Im Gegenteil. Die Aufständischen haben mit Hilfe des Irans militärisch so weit aufgerüstet, dass sie sogar die Sicherheit Saudi-Arabiens bedrohen – und damit bin Salmans Image als Beschützer der Golfmonarchie massiv beschädigen.
Andererseits kommt für den Kronprinzen schon aus Selbstachtung ein Rückzug von heute auf morgen nicht in Betracht. Bin Salman, der als ehrgeizig und machtbewusst gilt, stünde als kläglich Gescheiterter da, was wiederum seine Stellung in der saudischen Elite erheblich infrage stellte.
Der Prinz wird auf die USA zugehen müssen
Doch viele respektwahrende Ausstiegs-Optionen bleiben ihm nicht. Zumal eines fest steht: Bidens Ansage zu ignorieren und sich so mit den USA zu überwerfen, kommt für die saudischen Herrscher nicht in Betracht. Amerika ist als enger Verbündeter des erzkonservativen Königreichs alternativlos. Der Prinz wird auf die neue US-Administration zugehen müssen.
Experten weisen aber auch daraufhin, dass nach dem Stopp der US-Waffenlieferungen die eigentlichen Bemühungen um ein Ende des Krieges erst beginnen. Eine Einigung nur zwischen den Huthis und der jemenitischen Regierung wäre nicht ausreichend, schreibt Expertin Nadwa Dawsari auf Twitter. Andere Milizen im Land müssten ebenfalls eingebunden werden.
Der Iran rüstet die aufständischen Huthis auf
Dawsari sieht zudem das Risiko, dass die Huthis einen neuen Waffenstillstand wie bereits frühere Kampfpausen nutzen könnten, um sich neu zu formieren und ihren Einfluss auszuweiten. Bei der Suche nach einer Friedenslösung sind zudem die Vereinigten Arabischen Emirate ein wichtiger Akteur. Die Emiratis, lange Zeit treue Kriegsgefährten der Saudis, bewaffnen seit Langem Separatistengruppen im Süden Jemens.
Dann ist da noch der Iran. Teheran hat zwar ein offenes Eingreifen in den Jemen-Konflikt bisher vermieden, lässt es sich aber einiges kosten, die Huthis aufzurüsten. Denn die Aufständischen sind den Mullahs ein willkommenes Mittel, um den Konkurrenten Saudi-Arabien ohne großen Aufwand vor dessen Haustür zu ärgern.
Zögen sich die Herrscher in Riad jetzt aus dem Jemen ohne Zugeständnisse zurück, wäre dies für den Iran ein Triumph – einer, den die Saudis dem Erzfeind sicherlich nicht gönnen wollen und können.