Nun doch: Pazifisches Freihandelsabkommen: Amerikanismus geht auch ohne die USA
Trump hatte TPP gekündigt. Nun kommt der Handelspakt doch. Die Grundidee bleibt: Chinas Nachbarn wollen sich nicht dominieren lassen. Ein Kommentar.
Es war einmal: eine von den USA und ihren Werten geprägte Weltordnung - liberal, offen, für Demokratie, Marktwirtschaft, Freihandel. Die Uno. die Welthandelsordnung, Bündnissysteme wie die Nato: alles von den USA inspirierte Institutionen.
Seit Trump ist unsicher, ob die regelbasierte Ordnung überlebt
Gewiss wird jetzt jemand einwenden: Die USA haben sich selbst nicht immer an diese Prinzipien gehalten. Das stimmt. Dennoch hat diese Ordnung im Wesentlichen funktioniert. Denn sie gab vor, was richtig und was falsch ist. Das wurde als internationaler Maßstab akzeptiert, wenn auch nicht durchweg befolgt.
Seit Donald Trump ist nicht mehr sicher, dass diese auf Regeln und Idealen basierende Ordnung überlebt. Denn ihre Garantiemacht, die USA, wenden sich ab. Trump predigte auf seiner Asienreise gerade wieder sein Glaubensbekenntnis, zuletzt beim Apec-Gipfel in Vietnam: Multilateralismus funktioniere nicht; Nationalstaaten verfolgten nun einmal ihre Partikularinteressen; das lasse sich nicht ändern; die Lösung sei allenfalls, dass Nationalstaaten bei der Verfolgung gemeinsamer Interessen kooperieren.
Trump hat TPP gekündigt, Japan erhält es am Leben
Getreu dieser Überzeugung hatte Trump als eine seiner ersten Amtshandlungen das Transpazifische Wirtschaftsabkommen aufgegeben, das sein Vorgänger Barack Obama ausgehandelt hatte. Obamas Grundidee war: Wenn wir die absehbare Entwicklung, dass China zur Weltmacht aufsteigt, nicht einfach erdulden, sondern gestalten wollen, müssen wir China dazu bringen, ein Mindestmaß an Sozialstandards und marktwirtschaftlichen Prinzipien zu akzeptieren. Das gelingt nur, wenn Chinas Nachbarn sich in einem pazifischen Wirtschaftsabkommen (TPP) zu diesen Mindesstandards bekennen - und China so zwingen, sie ebenfalls zu akzeptieren.
Das kleine Wunder am Rande des Apec-Gipfels: Angeführt von Japan, der drittgrößten Wirtschaftsmacht nach den USA und China, haben alle ursprünglichen TPP-Partner außer den USA beschlossen, an TPP festzuhalten. Das heißt, pauschal gesagt: Die von den USA geprägte Weltordnung kann auch dann überleben, wenn die USA sich von ihr abwenden - sofern die bisherigen Alliierten Amerikas einen Wert in dieser Ordnung erkennen und sie verteidigen.
In Asien tun sie das, weil der Kitt, der für TPP sprach, unabhängig von Trump hält: Chinas Nachbarn misstrauen Peking und den Liberalisierungsversprechen. Sie wollen sich nicht von einem China dominieren lassen, das im Zweifel bisher stets auf Nationalinteressen und Protektionismus setzte.
Die Lehre für Deutschland - sobald es eine Regierung hat
Das ist eine wichtige Lehre für Deutschland, den Exportweltmeister, der mehr als andere Staaten von dieser US-geprägten Ordnung profitiert hat. Wenn es endlich eine handlungsfähige Bundesregierung gibt, sollte sie sich an Japans Führungsrolle in Asien orientieren. Auch für Deutschland ist fraglich, ob eine Abkehr von der US-dominierten Weltordnung seinen Interessen entspricht.
Bei entschlossener Führung kann Deutschland auch den für Europa relevanten Teil der Ordnung aufrechterhalten, den einst die USA dem Kontinent nach zwei mörderischen Weltkriegen geschenkt haben. Diese Ordnung hat Europa den Frieden und den Wohlstand beschert. Wir wären dumm - ja selbstmörderisch - wenn wir den Verfall dieser Ordnung passiv hinnehmen.
Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.