Südafrika in der Krise: Am Rande des Abgrundes
Eine neue Streikwelle belastet die Wirtschaft Südafrikas massiv. 25 Prozent verlor die Währung zuletzt an Wert. Es droht die Eskalation – die Folgen für das Land könnten verheerend sein.
Neue Streiks, neue Krawalle, neuer Tiefststand der Währung: In Südafrika wird die wirtschaftliche Lage immer dramatischer. Dabei war die Hoffnung vor drei Jahren unendlich groß, dass durch die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft auf das politische Wunder des friedlichen Wandels ein rasanter wirtschaftlicher Aufbruch folgen würde. Zumal Südafrikas Regierung um Jacob Zuma das sportliche Großereignis damals zum Allheilmittel für die von der Apartheid geschlagenen Wunden verklärte: Jobs, Wachstum, Frieden und rassische Harmonie – alles sollte die WM bringen. Doch wenig ist wirklich daraus geworden. Vielleicht ist deshalb die Enttäuschung nun auch so groß und entlädt sich Jahr für Jahr in heftigen und gewalttätigen Streiks.
Die aktuellen Arbeitsniederlegungen im Bergbau, aber auch im öffentlichen Dienst belasten Afrikas größte Volkswirtschaft und haben nun auch eine lokale Tochter des deutschen Chemieunternehmens Lanxess erfasst. In der vergangenen Woche kam es dabei auf einer Chrommine des Unternehmens bei Rustenburg, 120 Kilometer westlich der Wirtschaftsmetropole Johannesburg, zu Zusammenstößen zwischen dem dortigen Sicherheitspersonal und illegal streikenden Arbeitern, die Steine warfen. Offenbar geht es um Bonuszahlungen. Ein Streik bei Mercedes Benz South Africa, der erste in fast 20 Jahren, konnte nach Krisengesprächen zwischen dem Management des Unternehmens und der Metallarbeiter-Gewerkschaft Numsa zügig beigelegt werden.
Als Reaktion auf die jüngste Streikwelle ist die südafrikanische Landeswährung Rand am Mittwoch auf ihren tiefsten Stand gegenüber Euro und Dollar seit Beginn der weltweiten Finanzkrise vor fast fünf Jahren gefallen. Seit Jahresbeginn hat der Rand nun mehr als zwölf Prozent gegenüber beiden Währungen verloren. In vergangenen zwölf Monaten waren es fast 25 Prozent. Experten bezeichnen eine Währung als Aktienkurs eines Landes. Unruhe lösen in der Unternehmenswelt am Kap vor allem die auch in diesem Jahr wieder unrealistisch hohen Lohnforderungen der Gewerkschaften von bis zu 20 Prozent aus, die Südafrikas Wettbewerbsfähigkeit immer weiter unterhöhlen. Hinzu kommt eine Kostenexplosion bei Strom, Diesel und Stahl. Erschwert wird die Lage schließlich noch von einer schwächeren Rohstoffnachfrage am Weltmarkt.
Für Südafrika könnte die Eskalation der Lage langfristig schlimme Folgen haben. Martin Zimmermann, Chef von Mercedes Benz Südafrika, einer Daimler- Tochter, erklärte, dass die zerrütteten Arbeitsbeziehungen den geplanten Großausbau der Fabrik des Unternehmens in der Stadt East London gefährden könnten. Weiter wies er darauf hin, dass die Konzernmutter in Stuttgart die Situation in Südafrika genau beobachte – und die nun bevorstehende Verhandlungsrunde mit der Metallarbeitergewerkschaft deshalb „von großer Bedeutung“ sei.
Zimmermann verriet zudem, dass eine Delegation von Mercedes-Benz, die einen möglichen Ausbau der Fertigungsstätte am Kap bewerten soll, 2012 ausgerechnet zu jener Zeit Jahr in Südafrika war, als dort die blutigen Unruhen auf einer Platinmine ausbrachen. Dabei kamen mehr als 40 Menschen ums Leben. „Das Timing hätte kaum schlechter sein können“, sagte Zimmermann. Umso mehr überrascht, dass die Gewerkschaft Numsa, deren Arbeiter bereits jetzt zu den bestbezahlten in Südafrika zählen, im Vorfeld der Verhandlungen abermals eine generelle Anhebung der Löhne um 20 Prozent forderte, obwohl die Inflationsrate mit sechs Prozent weit darunter liegt.
Inzwischen wird immer deutlicher, dass die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zunehmend zur wirtschaftlichen Achillesferse des Landes werden. 2012 hat Südafrika mehr Arbeitstage durch Streiks verloren als jedes andere Land der Welt. Aber bereits 2011 hatte der Hoffnungsträger des gesamten Kontinents doppelt so viele Streiktage wie 2009 und sechsmal mehr als 2008 verzeichnet. Die Folgen sind schwerwiegend und erklären, warum Südafrikas Wirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres um weniger als ein Prozent wuchs – und damit weit unter den sieben Prozent liegt, die das Land zum Abbau seiner extrem hohen Arbeitslosigkeit von inoffiziell fast 40 Prozent eigentlich benötigt.
Als Reaktion auf die nun drohenden Streiks und die Militanz der Gewerkschaften sind die Kurse fast aller Gold- und Platinförderer inzwischen auf die tiefsten Stände in mehr als sechs Jahren gefallen. Während viele Investoren angesichts der Militanz der Arbeiter den Glauben an eine Wende zum Besseren verloren haben, drohen die Gewerkschaften mit massiven neuen Streiks. Am Mittwoch traten nun auch die Angehörigen der Polizeigewerkschaft in den Ausstand. Dass vor allem die Gold- und Platinbranche am Kap längst um das nackte Überleben kämpft, scheint die Gewerkschaften nicht im Geringsten zu beeindrucken.
Die Kompromisslosigkeit liegt vor allem darin begründet, dass das Verhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Land seit längerem vergiftet ist. Erschwert wird die Lage dadurch, dass die beiden großen Gewerkschaften der Minenarbeiter seit 2012 in einen blutigen Machtkampf verstrickt sind und sich mit Maximalforderungen bei ihren Mitgliedern profilieren wollen. In einer Studie des Schweizer Weltwirtschaftsforums landete Südafrika in diesem Jahr bei der Bewertung der Arbeitsverhältnisse unter 144 Ländern auf dem letzten Platz.
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