Kims Abwesenheit löst Nachfolgediskussion aus: Als Nächstes eine Diktatorin in Nordkorea?
Kim Jong Un fehlt weiter in der Öffentlichkeit. Falls er nicht zurückkommt, halten Experten seine Schwester Kim Yo Jong für die wahrscheinlichste Nachfolgerin.
Wie geht es Kim Jong Un? Mit Sicherheit kann das im Moment keiner sagen außer den Ärzten und Vertrauten des nordkoreanischen Diktators.
Der Rest der Welt muss Indizien aus dem intransparenten und totalitären Staat auswerten.
Seine mehr als zweiwöchige Abwesenheit in der Öffentlichkeit, auch am wichtigsten Feiertag des Landes, könnte auf größere gesundheitliche Probleme hinweisen. Über eine missglückte Herzoperation, sogar über seinen Tod wird spekuliert.
Doch Südkoreas Vereinigungsminister Kim Yeon Chul sagte zuletzt, Kim Jong Un sei seinen Geheimdienstinformationen nach „am Leben und wohlauf“.
Selbst wenn das stimmen sollte, ist die Diskussion um einen möglichen Nachfolger begründeter denn je zuvor: Kim Jong Un nimmt bereits zum zweiten Mal eine Auszeit aus wahrscheinlich gesundheitlichen Gründen.
Und Indizien wie das Kettenrauchen, sein Body-Mass-Index von 45 und seine Kurzatmigkeit deuten auf einen viel schlechteren Gesundheitszustand hin, als man für einen wahrscheinlich 36 Jahre alten Mann erwarten würde.
Doch wer käme für eine Nachfolge in Frage?
Weil die Kim-Familie seit mehr als 70 Jahren in Nordkorea regiert und weil sie um ihre Herrschaft eine pseudoreligiöse Philosophie aufgebaut hat, würde im Fall seines Todes vieles für einen dynastischen Nachfolger sprechen. Beziehungsweise eine Nachfolgerin: seine jüngere Schwester Kim Yo Jong.
Kim Jong Uns Sohn dürfte im Grundschulalter sein und damit zu jung. Der ältere Bruder Kim Jong Chol, er soll ein großer Eric-Clapton-Fan sein, gilt als zu verweichlicht, um das Land zu führen, und ist schon nach Kim Jong Ils Tod im Dezember 2011 übergangen worden.
Und sein Onkel Kim Pyong Il, der erst kürzlich nach 40 Jahren als Botschafter in Osteuropa nach Pjöngjang zurückgekehrt ist, gilt eher als Berater. Andere wie den Halbbruder Kim Jong Nam oder seinen Onkel Jang Song Thaek hatte Kim Jong Un bereits per Auftragsmord oder Hinrichtung aus dem Weg geräumt.
Kim Yo Jong leitet bereits das Propagandaministerium
Seine jüngere Schwester hingegen dient schon jetzt in einer herausragenden Position im nordkoreanischen Machtapparat. Kim Yo Jong, die auf offiziellen Fotos oftmals kühl, distanziert und arrogant wirkt, leitet das Propaganda-Ministerium. Zuletzt wurde sie von ihrem Bruder zum „Alternativen Mitglied“ im Politbüro des Zentralkomitees der alleinherrschenden Arbeiterpartei befördert.
Kim Jong Un vertraute in den vergangenen Jahren auch bei wichtigen außenpolitischen Anlässen wie den Olympischen Winterspielen in Südkorea oder den Gipfelgesprächen mit Südkorea und den USA auf ihre Unterstützung und platzierte sie als wichtiges Mitglied seiner Delegation an den Verhandlungstischen. Und als sich Kim Jong Un im Oktober 2014 erstmals einer medizinischen Behandlung unterziehen musste, soll seine Schwester bereits wichtige offizielle Funktionen übernommen haben.
Allerdings hat sie bislang keine Funktionen im mächtigen nordkoreanischen Militärapparat, sie ist bislang auch nicht Teil des Personenkults um die Kim-Familie – und sie hat noch ein größeres Problem: Sie ist jung und eine Frau.
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple-Geräte herunterladen können und hier für Android-Geräte. ]
In der konfuzianischen Tradition der koreanischen Halbinsel werden Alter und Männlichkeit hoch geschätzt. Kim Yo Jong ist genau das Gegenteil, sie ist offenkundig nicht männlich und soll ungefähr 31 Jahre alt sein. Es ist sehr fraglich, ob die männliche nordkoreanische Elite eine junge Frau als neue Führerin akzeptieren würde. Der Nordkorea-Experte Leonid Petrow glaubt deshalb, dass eher ein Elitezirkel aus wichtigen Parteifunktionären und Militärs die Macht so lange ausüben werde, bis der Sohn Kim Jong Uns alt genug ist, um die Führung zu übernehmen.
Und die Nordkorea-Expertin Anna Fifield, die eine Biografie über Kim Jong Un verfasst hat, schreibt in der „Washington Post“, sie könne nicht erkennen, wie seine Schwester Kim Yo Jong die Führung übernehmen könnte. „Aber ich kann auch nicht erkennen, wie sie nicht die Führung übernehmen könnte – es gibt niemand anderen.“