Zehnte TV-Debatte der US-Demokraten: Alle gegen Sanders – und keiner stellt ihn wirklich
Seine Mitbewerber gehen Bernie Sanders hart an. Doch wenige Tage vor den Vorwahlen in South Carolina und am „Super Tuesday“ ist er weiter der große Favorit.
Wenn dies der vorerst letzte Versuch gewesen wäre, Bernie Sanders noch zu stoppen, hat er wohl nicht geklappt. Zwar versuchten die Mitbewerber um die US-demokratische Präsidentschaftsnominierung, den derzeitigen Favoriten gleich zu Beginn ihrer bereits zehnten TV-Debatte hart anzugehen. Aber wirklich gestellt haben sie ihn nicht.
Dabei hatte es doch gerade in den letzten Tagen vor dem gemeinsamen Auftritt in Charleston (South Carolina) noch genügend Angriffspunkte gegen den politisch weit links stehenden Senator aus Vermont gegeben. So reichten nur wenige Stunden vor Beginn der Debatte am Dienstagabend zwei Demokraten aus Florida Klage gegen den 78-Jährigen ein. Sie wollen verhindern, dass der als Unabhängiger kandidierende Sanders in ihrem Staat für die Demokraten antritt.
Putin soll Sanders präferieren
Auch war Sanders wegen seiner Haltung zu Kuba in die Kritik geraten, nachdem er in einem Fernsehinterview Teile der Politik des früheren kubanischen Staatschefs Fidel Castro verteidigt hatte. Genauso hatte vor allem sein neuester Mitbewerber, der ehemalige Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, das frühere Abstimmungsverhalten des Senators beim Thema schärferes Waffenrecht in den Fokus gerückt.
Und nicht zuletzt hatte die „Washington Post“ erst vor wenigen Tagen berichtet, dass Russlands Präsident Wladimir Putin mithelfen wolle, Sanders zum Kandidaten seiner Partei zu machen - nur damit dieser dann gegen Amtsinhaber Donald Trump verliere. Eigentlich alles Punkte, die einem Hoffnungsträger gefährlich werden könnten, sollte man meinen.
Aber obwohl sich die sechs Bewerber links und rechts von Sanders zunächst darauf stürzten, gelang es diesem relativ schnell, die Debatte wieder auf anderes zu verlagern. Auch griff er selbst gleich zu Beginn Bloomberg an, dem er vorwarf, Politik für „seine“ Milliardäre zu machen. Der Medienunternehmer Bloomberg, der laut dem Magazin „Forbes“ selbst über ein Vermögen von mehr als 64 Milliarden Dollar verfügt, gilt als zwölftreichster Mensch der Erde.
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Warren schont Sanders
Vor allem die Senatorin Elizabeth Warren, die wie Sanders für eine deutlich stärkere Umverteilung und eine gerechtere Gesellschaft wirbt, zeigte erneut eher wenig Interesse, Sanders seine Favoritenrolle bei den Progressiven streitig zu machen. Lediglich zu Beginn versuchte sie das Argument zu bringen, sie sei die bessere Kandidatin. Denn Sanders trete zwar wie sie für „progressive Ideen“ ein, erkläre aber nicht, wie er seine Pläne finanzieren wolle. Sie dagegen könne ihre Reformvorschläge umsetzen und finanzieren.
Im weiteren Verlauf der Debatte griff Warren dann aber - wie in der letzten Debatte - wieder vor allem Bloomberg an: für dessen frühere Unterstützung von Republikanern und Vorwürfe, er habe eine Angestellte zu einer Abtreibung gedrängt - etwas, was Bloomberg vehement abstreitet.
Am ehesten verfing noch der Vorwurf, Sanders verschrecke mit seinen Vorschlägen moderate Wähler und habe deswegen bei der Präsidentschaftswahl im November keine Chance gegen Trump. Davon ist der gemäßigte Flügel der Partei überzeugt. So attackierten die Senatorin Amy Klobuchar und der ehemalige Bürgermeister von South Bend (Indiana), Pete Buttigieg, Sanders' Vorschläge für eine gesetzliche Krankenversicherung für alle US-Bürger. Die Pläne des selbsternannten „demokratischen Sozialisten“ seien nicht finanzierbar, betonten beide.
Der Favorit kontert
Auch betonte Buttigieg, dass mit einer Nominierung von Sanders nicht nur eine Wiederwahl Trumps drohe, sondern auch der Verlust der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus sowie die Zementierung der republikanischen Dominanz im Senat.
Der Politikveteran Sanders zeigte dann im Verlauf der bisher wohl hitzigsten Debatte aber auch, wie gut er offenbar mit solchen Angriffen umgehen kann: „Ich höre meinen Namen heute Abend immer wieder. Ich frage mich, warum“, sagte er und erntete Lacher.
Sanders weiß um seine klare Favoritenrolle: Zwei von drei der bisherigen Vorwahlen hat er gewonnen, und in der dritten lag er fast gleichauf mit dem Überraschungssieger Buttigieg.
Am Samstag wählt South Carolina
Auch bei der am Samstag anstehenden Vorwahl in South Carolina kann Sanders sich Hoffnungen auf ein gutes Abschneiden machen: In Umfragen liegt er derzeit auf Platz zwei hinter dem ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden. Und der Abstand schmilzt zwischen den beiden Favoriten, auch weil Sanders in der hier wichtigen Wählergruppe der Afroamerikaner aufholt.
Schon schaut vor allem der moderate Flügel der Demokratischen Partei mit großer Sorge auf den möglicherweise entscheidenden „Super Tuesday“ am kommenden Dienstag, an dem in gleich 14 Bundesstaaten gewählt wird, darunter in Kalifornien und Texas. An diesem Tag werden rund ein Drittel aller Delegierten gewählt, die dann beim Nominierungsparteitag der Demokraten im Juli den Herausforderer von Präsident Trump bestimmen werden.
Nach der Debatte am Dienstagabend sind Sanders' Chancen nicht kleiner geworden, seinen Vorsprung hier enorm auszubauen - auch wenn es das erste Mal sein wird, dass Bloomberg dann auch tatsächlich zur Wahl steht.