Klimawandel: Agrarpolitik der EU soll Moore besser schützen
In die Verhandlungen zur EU-Agrarreform hat sich Klimakommissar Frans Timmermans eingeschaltet. Damit riskiert er einen Konflikt mit der Kommissionspräsidentin.
Bei den Verhandlungen zur EU-Agrarreform hat Klimakommissar Frans Timmermans am Donnerstag noch keine Anstalten gemacht, den entsprechenden Gesetzesvorschlag der Kommission zurückzuziehen. Dies hatte Timmermans vor einigen Tagen in einem Interview als letztes Mittel angekündigt, falls Umwelt- und Klimaschutz nicht ausreichend berücksichtigen würden. „Er war nicht so forsch, wie er nach außen tut und hat die Verhandlungen hauptsächlich dem zuständigen Agrarkommissar Janusz Wojciechowski überlasssen“, berichtete der EU-Abgeordnete der Grünen und Schattenberichterstatter für die Agrarreform, Martin Häusling.
Allerdings habe Timmermans beim Thema Moore klar gesagt, dass die Kommission mit den Abschwächungen von Ministerrat und Parlament auf keinen Fall mitgehen könne. Hier sehen die beiden Co-Gesetzgeber der EU-Kommission eine deutliche Veränderung des Schutzstatus’ vor.
Moore machen nur drei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in der EU aus, sind aber für den Klimaschutz enorm wichtig. Trockengelegte Moore wieder in Feuchtgebiete umzuwandeln, ist eine stark unterschätzte Möglichkeit zur Stabilisierung des Klimas, hatte kürzlich das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung nachgewiesen. Emissionen aus Mooren machen den Löwenanteil der CO2-Emissionen der Landwirtschaft aus – neben anderen Klimagasen wie Methan aus der Tierhaltung und Lachgas aus der Düngung.
Ministerrat für Moor-Minimalschutz
Laut dem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission soll die Agrarpolitik einen angemessenen Schutz der Moore ermöglichen („appropriate protection of peatlands“). Um Subventionen zu bekommen, müssen sich die Landwirte an die Regeln zum guten landwirtschaftlichen und ökologischem Zustand (GLÖZ) halten. GLÖZ 2 verbietet eine Wasserentnahme aus Grund- und Oberflächenwasser ohne Genehmigung.
Der Ministerrat hatte den Vorschlag der Kommission aufgeweicht. Statt einer „appropriate protection“ soll es nur noch eine „minimum protection“ geben – und zwar erst ab 2025, heißt es in der gemeinsamen Position der Agrarminister, mit der sie in die Verhandlungen mit dem Parlament und der EU-Kommission gehen.
Der Kompromissvorschlag des Parlaments ist auch nicht umfassender. Er machte aus der „appropriate protection“ eine „appropriate maintenance“, also eine angemessene Erhaltung von Mooren. Das hört sich erst mal gut an. „Man kann es so verstehen, dass hohe, torferhaltenden Wasserstände angestrebt werden sollen, denn nur so kann ein Moor langfristig erhalten werden“, erklärt die Wissenschaftlerin Franziska Tanneberger vom Greifswald Moor Centrum. Gerade in Nordostdeutschland gebe es viele Beispiele, wo durch langfristige Entwässerung die Torfschicht verschwunden ist.
Allerdings könnte die Passage auch so interpretiert werden, dass entwässerte Moore so bleiben können, wie sie sind. Der Kompromissvorschlag des Parlaments ist für Tanneberger deshalb „nicht klar im Einklang mit den eigenen Klimazielen“. Es werde nun sehr viel von der nationalen Ausgestaltung abhängen. Hier ist der Spielraum neuerdings größer als in der vorherigen GAP.
Uneinigkeit zwischen Timmermans und Klöckner
Überlagert wird der Streit um die EU-Agrarpolitik von einem Dilemma, vor dem Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen steht: Sie habe der christdemokratischen Fraktion vor ihrer Wahl versprochen, die Agrarpolitik trotz ehrgeiziger Umweltziele nicht anzutasten, sagte Martin Häusling: „Sonst hätten ihr Stimmen zur Wahl gefehlt.“ Timmermans stehe als Sozialdemokrat nun einer großen Mehrheit von Verhandlungspartnern mit CDU-Parteimitgliedschaft gegenüber, darunter der Verhandlungsführer des Parlaments, Norbert Lins, und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner als aktuelle Ratspräsidentin.
Klöckner hatte Timmermans wegen seiner Intervention undemokratisches Verhalten vorgeworfen. Dies wiederum rief deutsche Verteidiger von Timmermans wie den SPD-Bundestagsabgeordneten Matthias Miersch und auch den Grünen Friedrich Ostendorff auf den Plan. Rein formal hat die Kommission aber immer das Recht, einen Gesetzesvorschlag zurückzuziehen.
Grundsätzlich sehen die Grünen schon jetzt eine rote Linie überschritten: „Die neue Agrarpolitik ist ein Schritt zurück in die Zeit vor dem Europäischen Green Deal. Wenn Timmermans glaubwürdig sein will, sollte er den Vorschlag für die Agrarpolitik zurückziehen“, sagte Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament. Dies hatten auch weite Teile der Klimabewegung gefordert. Wenn Timmermans jetzt nicht einschreite, würde sich die Zuspitzung der Klimakrise fortsetzen, befürchtet Giegold.
Das Grundproblem von Timmermans ist, dass die vorliegenden Positionen zur Agrarpolitik nicht im Einklang sind mit den ehrgeizigen Strategien der EU-Kommission zu Landnutzung und Biodiversität. Diese sind bisher noch nicht in Gesetze gegossen und werden in der aktuellen Agrarpolitik nicht berücksichtigt, wie Häusling bedauert.