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Der Eingang des Amtes für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) in Köln.
© Oliver Berg/dpa
Update

Trotz Einstufung als Rechtsextremist: AfD-Fraktion sieht keinen Grund für Rauswurf von Mitarbeiter

Ein Oberleutnant, der für den AfD-Politiker Nolte arbeitet, wird von Militärgeheimdienst als Rechtsextremist eingestuft. Was sind die Gründe?

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat einen Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten im Bundestag als Rechtsextremisten eingestuft. Das bestätigten Sicherheitskreise dem Tagesspiegel. Zuerst hatte die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Der Oberleutnant arbeitet für den AfD-Verteidigungspolitiker Jan Nolte und ist in dessen Büro angestellt. Der Fall war bereits im vergangenen Jahr Thema, als öffentlich die Erteilung eines Hausausweises für den Bundestag kritisiert worden war.

In der AfD-Fraktion löst die Einschätzung des Militärgeheimdienstes kein Umdenken aus. Der Fraktionssprecher Christian Lüth sagte, die Fraktionsvorsitzenden würden Nolte empfehlen, sich nicht von seinem Mitarbeiter Maximilian T. zu trennen. Gegen diesen würden nämlich keine individuellen Vorwürfe erhoben. Die Einstufung als Extremist beruhe ausschließlich auf T.'s Amt als Schatzmeister der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative in Sachsen-Anhalt. Die Nachwuchsorganisation wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ im Bereich Rechtsextremismus eingestuft. Der AfD-Fraktionssprecher bezog sich dabei auf ein Schreiben aus T.'s Kaserne, das auch dem Tagesspiegel vorliegt.

In diesem Schreiben steht, dass die Junge Alternative in Sachsen-Anhalt ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes ist. „Aufgrund dieser Erkenntnisse wird Herr T., Maximilian als Rechtsextremist in der Bundeswehr bewertet“, heißt es dort. Die Formulierung ist allerdings etwas missverständlich. Beim Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt ist anders als auf Bundesebene gesetzlich kein „Verdachtsfall“ als Vorstufe zum klassischen Beobachtungsobjekt vorgesehen – weshalb die Junge Alternative direkt in dieser Kategorie geführt wird. Dennoch sagen Sicherheitskreise, die Bezeichnung von T. als Rechtsextremist sei auf jeden Fall zutreffend.

Im Verteidigungsausschuss ist man schockiert. „Dass ein Rechtsextremist im Bundestag frei herumlaufen kann, ist kein Zustand“, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dem Tagesspiegel.

Verbindungen zu Franco A.

Die Personalie Maximilian T. hat bereits eine längere Vorgeschichte: Die Bundesanwaltschaft hatte Maximilian T. im Mai 2017 durch Beamte des Bundeskriminalamts festnehmen lassen. Der Oberleutnant war damals dringend verdächtig, aus einer rechtsextremistischen Gesinnung heraus gemeinsam mit seinem Offizierskameraden Franco A. und einem Studenten eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Im Haftbefehl stand, die drei hätten Angriffe auf hochrangige Politiker geplant, die sich aus der Sicht der Beschuldigten für eine verfehlte Ausländer- und Flüchtlingspolitik engagieren. Genannt wurden der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Ex-Bundespräsident Joachim Gauck.

T. und Franco A. gehörten dem Jägerbatallion 291 an, das als Teil der deutsch-französischen Brigade im Elsass stationiert ist. Der im April 2017 festgenommene Oberleutnant Franco A. galt als Kopf des Trios. Der Offizier hatte sich in Hessen als syrischer Flüchtling registrieren lassen. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass Franco A. die Anschläge auf die Politiker als Terroranschlag eines anerkannten, islamistischen Flüchtlings vortäuschen wollte – um die Bevölkerung zu verunsichern und flüchtlingsfeindliche Emotionen zu schüren. Aus damaliger Sicht der Bundesanwaltschaft half Maximilian T., indem er Franco A. bei den Vorgesetzten in der Bundeswehr für Abwesenheiten entschuldigte. Franco A. musste die ihm als vermeintlicher Flüchtling zustehende finanzielle Unterstützung selbst in Hessen abholen und fehlte deshalb in der Kaserne. Die Bundesanwaltschaft hielt T. auch vor, er sei an der Beschaffung einer Pistole beteiligt gewesen.

Der Verdacht gegen Maximilian T. ließ sich allerdings nicht halten. Im Juli 2017 hob der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen ihn auf. Es sei nicht im „erforderlichen hohen Maße wahrscheinlich“, dass T. an der Beschaffung der Waffe durch Franco A. beteiligt war, sagten die Richter in Karlsruhe. Die Bundesanwaltschaft ermittelte zunächst weiter, stellte dann aber im Oktober 2018 das Verfahren gegen T. ein. Anklage erhoben wurde letztlich nur gegen Franco A. Der Terrorprozess gegen den Oberleutnant dürfte in diesem Jahr am Oberlandesgericht Frankfurt beginnen. Maximilian T. hat sich inzwischen öffentlich von Franco A. distanziert.

Noltes Büro hat Zugang zu vertraulichen Dokumenten

Trotzdem sind Parlamentarier im Bundestag beunruhigt. Der AfD-Abgeordnete Nolte und sein Büro haben über die Arbeit im Verteidigungsausschuss des Bundestages auch Zugang zu vertraulichen Dokumenten und sicherheitspolitischen Strategien. Die Bundestagsverwaltung erklärte am Donnerstag auf Anfrage, zu Fragen der Ausgabe von Zutrittsberechtigungen könne in Einzelfällen keine Auskunft erteilt werden.

AfD-Verteidigungspolitiker Jan Nolte.
AfD-Verteidigungspolitiker Jan Nolte.
© imago images/Hartenfelser

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, Armin Schuster, hatte bereits im vergangenen Oktober in einem Interview erklärt: „Die politische Hygiene würde es erfordern, dass Maximilian T. nicht im Bundestag arbeitet.“ Er sagte damals weiter: „Dass er hier ein- und ausgehen darf, ist geradezu entwürdigend für das Parlament.“ Das Kontrollgremium tagt geheim und überwacht die Arbeit der Geheimdienste. Es hatte den Fall Franco A. zum Anlass genommen, um sich intensiv mit der Frage zu beschäftigen, ob rechtsextreme Aktivitäten von Angehörigen der Bundeswehr ausreichend aufgeklärt werden.

Auch jetzt werden Forderungen laut, dass Maximilian T. den Zutritt zum Bundestag zu verweigern. „Wenn der MAD bestätigt, dass der Mann ein Rechtsextremist ist, dann hat er im Bundestag nichts zu suchen. Er muss umgehend seinen Hausausweis abgeben“, sagte FDP-Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann. Zudem müsse rückwirkend geklärt werden, auf welche sensiblen Dokumente er möglicherweise Zugriff hatte. Kam er an Unterlagen mit hoher Sicherheitsrelevanz? War er in der Geheimschutzstelle des Bundestages? „Die Bundestagsverwaltung muss sofort aktiv werden“, sagt Strack-Zimmermann. „Dass ein Rechtsextremist im Bundestag frei herumlaufen kann, ist kein Zustand.“ Auch die Verteidigungspolitikerin und Vize-Fraktionschefin der Grünen, Agnieszka Brugger, hält die Situation für inakzeptabel. „Rechtsextreme haben keinen Platz in der Bundeswehr und auch nicht im Bundestag.“

Maximilian T. will sich offenbar wehren

Zumindest muss Maximilian T. jetzt damit rechnen, dass die Einstufung als Extremist zu Schritten führt, die seine Entfernung aus der Bundeswehr zum Ziel haben. Der AfD-Abgeordnete Nolte kündigte an, sein Mitarbeiter werde sich juristisch gegen die Einstufung wehren.

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