SPD-Chefs Walter-Borjans und Esken: Adieu, Sozialdemokraten!
Allen Warnungen zum Trotz hat die SPD-Basis Esken und Walter-Borjans gewählt. Jetzt droht das Groko-Ende – und das Ende der SPD. Ein Kommentar.
Auf diese Entscheidung, so viel ist sicher, werden schwere Erschütterungen folgen. Sie können die große Koalition zum Einsturz bringen und die deutsche Sozialdemokratie als Volkspartei zerstören: Allen Warnungen zum Trotz hat die SPD-Basis die Zukunft des Landes und die Zukunft der SPD in die Hände von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gelegt.
Eine weithin unbekannte Bundestagabgeordnete vom linken Rand und einen mäßig erfolgreicher Landesfinanzminister außer Dienst an der Spitze von Deutschlands ältester Partei – das kann nicht gut gehen.
So wenig Erfahrung in der Bundespolitik die beiden Neuen mitbringen, so groß dürften die Erwartungen ihrer Wähler sein. Ob aus kaltem Machtkalkül, tatsächlicher Überzeugung oder einer fahrlässigen Mischung aus beidem: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans haben den innerparteilichen Wahlkampf über Wochen hinweg mit demonstrativer Distanz zum Regierungsbündnis mit der Union bestritten. Die No-Groko-Attitüde war gewissermaßen der politische Kern ihrer Kandidatur.
Das kann der Mehrheit der SPD-Mitglieder nicht verborgen geblieben sein. Sie haben sich dennoch oder gerade deshalb für Walter-Borjans/Esken und gegen Olaf Scholz und Klara Geywitz entschieden. Das Votum der SPD-Basis ist deshalb auch ein Beschluss zur Aufkündigung der Koalition. Seit diesem Samstag muss man festhalten: Für die Fortsetzung des Regierungsbündnisses mit der Union gibt es in der SPD keinen wirklichen Rückhalt mehr.
SPD könnte schnell unter 10 Prozent fallen
Wie aber die Sozialdemokratie aus der Regierung führen, ohne dass die Partei am Ende noch schwächer da steht, als sie jetzt schon ist? Auf die Antwort der neuen SPD-Doppelspitze darf man gespannt sein. Bei nur noch 13 Prozent rangieren die Sozialdemokraten in der jüngsten Umfrage.
Nach einem Exit aus der Groko können daraus schnell Werte unter der 10–Prozent-Marke werden, zumal der Ausstieg aus dem Regierungsbündnis in der Sache nur schwer zu begründen sein dürfte. Mit großem Verständnis der Bürgerinnen und Bürger können Esken und Walter-Borjans nicht rechnen.
Erholung gibt es nicht in der Opposition
Erholung in der Opposition? Diesem Heilsversprechen ist nicht zu trauen, wie ein Blick in die sozialdemokratische Diaspora zeigt. In Bayern sind die Genossen seit Jahrzehnten in der Opposition – aufwärts ist es mit ihnen deshalb nicht gegangen, im Gegenteil.
Das Beispiel zeigt: Wo sich Politikentwürfe nicht mehr an ihrer Umsetzbarkeit ausrichten, da man die Regierungsverantwortung nicht übernehmen will (und irgendwann mangels Masse auch nicht mehr kann), ist es zum Sektierertum nicht weit.
Nun könnte einem die Zukunft der SPD herzlich egal sein, ginge mit ihr nicht auch ein Politikansatz verloren, der das Land lebenswert gemacht hat. Zusammenhalt – so lautet der zentrale sozialdemokratische Begriff.
Lange Zeit ist es der SPD gelungen, eine Brücke zu schlagen über die unterschiedlichen Milieus und Einkommensgruppen hinweg. Für die Demokratie wäre es ein Grund zu Trauer, sollte sich die deutsche Sozialdemokratie nun in die Bedeutungslosigkeit verabschieden. Einen gefährlichen Schritt dorthin hat sie jetzt getan.