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Der russische Präsident Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan demonstrierten am Dienstag Einigkeit - erzielt haben sie sie noch nicht.
© Anatoly Maltsev/dpa

Türkei und Russland: „Achse der Freundschaft wird wieder aufgebaut"

Der türkische Präsidenten Erdogan hat sich nach monatelanger Eiszeit mit Russlands Staatspräsident Putin getroffen. Jetzt sollen Sanktionen aufgehoben werden.

Wladimir Putin war pünktlich. Oft lässt er seine Gesprächspartner lange warten: Zu einem Treffen mit US-Außenminister John Kerry verspätete sich der russische Präsident vor einigen Jahren um drei Stunden, Bundeskanzlerin Angela Merkel wartete 2014 in Mailand sogar vier Stunden, bis Putin zum vereinbarten Gespräch über die Ukraine auftauchte.

Selbst beim Papst erschien Putin nicht pünktlich. Doch am Dienstag zeigte das russische Staatsfernsehen einen Präsidenten, der selbst derjenige war, der warten musste, wenn auch nur kurz. Im Konstantinpalast in St.Petersburg empfing er den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Der Gast war zuvor mit Verspätung in Russland angekommen.

Schon vor der ersten Begegnung mit Putin seit fast einem Jahr hatte Erdogan von einem „historischen Besuch“ gesprochen und einen „Neuanfang“ in den Beziehungen der beiden Länder angekündigt. Putin sagte vor dem Gespräch, der Dialog und die Beziehungen sollten wieder aufgenommen werden. Das Verhältnis war in eine tiefe Krise geraten, nachdem Ankaras Luftwaffe im November vergangenen Jahres einen russischen Bomber nahe der syrisch-türkischen Grenze abgeschossen hatte. Putin sprach von einem „Stoß in den Rücken“ und nannte die Türken „Helfershelfer der Terroristen“. Er verlangte eine offizielle Entschuldigung und verhängte Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei. Auch alle Charterflüge in das bei Russen beliebte Urlaubsland wurden gestrichen.

Im Juni entschuldigte sich Erdogan bei den Angehörigen des getöteten russischen Piloten und drückte gegenüber Putin sein „Bedauern“ über den Vorfall aus. Nach dem Putschversuch in der Türkei am 15. Juli wurden Soldaten festgenommen, die für den Abschuss der russischen Militärmaschine verantwortlich sein sollen.

Erdogan bedankt sich bei Putin für psychologische Unterstützung

Rund zwei Stunden dauerte das Gespräch der Staatschefs, dann wurden mehrere Minister hinzugebeten. Auf russischer Seite waren nach russischen Medienberichten auch der Generalstabschef Waleri Gerassimow und der Vorstandsvorsitzende des vom russischen Staat kontrollierten Energiekonzerns Gazprom, Alexej Miller, dabei.

Erdogan bedankte sich bei Putin dafür, dass er den Putschversuch umgehend verurteilt hatte. Dessen Anruf bereits am Tag danach sei eine wichtige psychologische Unterstützung gewesen, sagte Erdogan nach dem Gespräch in St. Petersburg. Seit dem Putschversuch ist das Verhältnis zwischen der Türkei und dem Westen angespannt. Ankara wirft dem Westen vor, den versuchten Umsturz nicht entschieden genug verurteilt zu haben. In der EU gibt es wiederum Kritik an der Verhaftungswelle und den Massenentlassungen, mit denen Erdogan auf die Ereignisse reagierte. Dagegen sagte Putin am Dienstag, er hoffe, dass die Türkei die Ordnung vollständig wiederherstellen könne. „Wir sind immer gegen verfassungswidrige Handlungen gewesen“, betonte der Präsident.

Der Besuch in Russland ist Erdogans erste Auslandsreise seit dem Putschversuch. Allerdings war der Termin offenbar schon vor den dramatischen Ereignissen vom 15. Juli geplant worden. Das Treffen wurde auch deshalb in den europäischen Hauptstädten aufmerksam verfolgt, weil ein vom Westen enttäuschter Erdogan sich womöglich stärker am autoritär regierten Russland orientieren könnte.

„Wir haben noch viel Arbeit vor uns“, sagt Putin

„Die Achse der Freundschaft zwischen Moskau und Ankara wird wieder aufgebaut werden“, erklärte Erdogan nach dem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen, den er als „lieben Freund“ ansprach. Die türkisch-russischen Beziehungen seien heute stabiler als je zuvor. Auch Putin sprach sich dafür aus, die Beziehungen zur Türkei wiederherzustellen. Allerdings betonte er, dass es bis zu einer Normalisierung noch dauern werde: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns.“ Russland will die gegen die Türkei verhängten Sanktionen schrittweise abbauen. So sollen die Charterflüge für russische Urlauber in absehbarer Zeit wieder aufgenommen werden. Auch das Einfuhrverbot für landwirtschaftliche Produkte aus der Türkei soll bis zum Jahresende fallen.

Beide Länder wollen außerdem das Energieprojekt „Turkish Stream“ nach einer durch die Krise bedingten Pause wieder voranbringen. Die Pipeline soll russisches Erdgas durch das Schwarze Meer in die Türkei und von da aus zum Teil weiter nach Südeuropa bringen. Wenn diese Pipeline sowie die geplante Erweiterung der Ostsee-Pipeline Nord Stream erst einmal gebaut sind, könnte Russland auf den Gastransit durch die Ukraine verzichten.

Keine Einigkeit gibt es zwischen beiden Ländern aber beim Syrien-Konflikt: Während Moskau das Regime des syrischen Staatschefs Baschar al Assad halten will, unterstützt die Türkei Assads Gegner. Syrien sei bei dem Gespräch kein Thema gewesen, sagte Erdogan. Putin verwies auf die Meinungsverschiedenheiten und kündigte an, dass der Krieg in Syrien Thema neuer Gespräche zwischen beiden Ländern sein soll.

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