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Recep Tayyip Erdogan (links) und Wladimir Putin beim Treffen in St. Petersburg.
© REUTERS

Angst vor neuer Allianz: Erdogan und Putin sind nur scheinbar mächtig

Die Präsidenten Erdogan und Putin handeln aus einer Position der Schwäche heraus. Ihre Kooperation muss der Westen nicht fürchten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Was macht die Faszination von Antidemokraten wie Wladimir Putin und Recep Erdogan aus? Was treibt Medien dazu, ihr Treffen als wichtig einzustufen oder gar zu behaupten, ihr Bündnis könne die Welt verändern?

Sie treffen sich aus Schwäche, nicht aus Stärke. Sie wollen vergessen machen, dass sie isoliert sind, und ihren Bürgern vorgaukeln, sie seien mächtige Figuren auf der Weltbühne. Zu ihrer Propaganda gehört, dass sie sich westlicher Kritik nicht beugen, alternative Bündnisoptionen haben und ihren Kritikern Angst einjagen können – frei nach dem Lied des Wiener Kabarettisten Georg Kreisler: Wenn Russland und China zusamm’n marschier’n, kann Österreich kapitulier’n. Nur: Warum sollen wir uns davon beeindrucken lassen?

In Wahrheit ist es umgekehrt. Autokraten wie Erdogan und Putin müssen ein Ende der Kooperation mit dem Westen fürchten. Wie sonst wollen sie ihre Gesellschaften und Volkswirtschaften modernisieren? Mit veralteter Atomtechnik? Die EU und die USA erbringen 46 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Russlands Anteil fällt und liegt unter drei Prozent. Die türkische Wirtschaft wächst und hat 1,1 Prozent erreicht. Was aber wäre sie ohne Technik und Touristen aus dem Westen?

Die Interessen von Putin und Erdogan sind zu verschieden

Die Propagandanummer Gegenbündnis probieren Putin, Erdogan & Co immer wieder. Bleibende Bündnisse werden daraus nicht. Dafür sind die Interessen zu verschieden. Der griechische Premier Alexis Tsipras wollte die EU in der Euro-Krise mit einem Moskau-Besuch erpressen. Genützt hat es ihm nicht. Putin schloss, als der Westen Sanktionen wegen Krim-Annexion und Ukrainekrieg verhängte, einen Gas-Deal mit China. Der bringt Russland Milliardenverluste, denn Peking nutzte Putins Notlage eiskalt bei den Preisverhandlungen. Erdogan legte sich im Namen der nationalen Ehre mit Israel (wegen eines gestürmten Hilfsschiffs für Palästina) und Russland (wegen eines im Syrienkrieg abgeschossenen russischen Kampfjets) an. Nun hat er in beiden Fällen eingelenkt. Er kann nicht mit aller Welt zugleich über Kreuz liegen.

Europa und die USA haben andere außenpolitische Ziele. Sie bilden Koalitionen, um Konflikte zu lösen und deren Folgen zu lindern. Putin und Erdogan tun das Gegenteil: Ihr Trumpf ist nicht, was sie Positives beitragen, sondern wie destruktiv sie sein können.

Keine Zugeständnisse, die Frieden in Syrien ermöglichen

Eine Welt, in der die Erdogans und Putins das Sagen haben, ist kein schöner Ausblick. Aber ein Anlass für nüchterne Vergewisserung. Ihre Pseudoallianzen müssen uns nicht erschrecken. Sie sind kein Grund, sich moralisch erpressen zu lassen und den Bruch der Grundrechte zu ignorieren oder sich der Einflüsterung zu beugen, der Westen habe Putin oder Erdogan durch Fehler erst zu ihren Taten animiert. So allmächtig ist der Westen nun wirklich nicht. Er kann einen Putin oder Erdogan weder erschaffen noch verhindern noch zu Wohlverhalten zwingen.

Es bleibt nur, den eigenen Werten und politischen Zielen treu zu bleiben, bis die Putins und Erdogans abtreten. Und das Leid ihrer Opfer zu lindern, auch im Syrienkrieg. Bei aller neuen Nähe sind sie zu den Zugeständnissen, die dort Frieden ermöglichen, nicht bereit.

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