Kattowitz: Abschluss der Klimakonferenz verzögert sich weiter
In der entscheidenden Phase der Verhandlungen fordern deutsche NGOs Unterstützung von der Bundeskanzlerin. Währenddessen wird der Zeitplan weiter verschoben.
Zähes Ringen um den Klimaschutz: Die Unterhändler auf der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz (Katowice) sollen nach dem Willen von Konferenzpräsident Michal Kurtyka erst am frühen Samstagmorgen im Plenum zusammenkommen. Eine Sitzung wurde für 4 Uhr angesetzt. Die Abschlusssitzung zum Ende der Konferenz war zunächst für 6 bis 8 Uhr geplant. Ob es dabei wirklich bleibt, war zunächst unklar - in den Verhandlungen kommt es häufig zu Verzögerungen.
Zuvor hatten sich mehrere Umweltorganisationen in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewandt und ihre Unterstützung für ehrgeizige Klimaziele gefordert. Der Erfolg der 24. UN-Klimakonferenz stehe "auf der Kippe", erklärten Germanwatch, Greenpeace Deutschland, WWF Deutschland und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am Freitagabend in Kattowitz. "Deshalb wenden wir uns mit einem öffentlichen Appell an Sie."
Die Organisationen verwiesen darauf, dass Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Mittwoch im Rahmen der sogenannten High Ambition Coalition mit Regierungsvertretern anderer Staaten angekündigt hatte, die nationalen Klimaschutzziele bis zum Jahr 2020 zu erhöhen. Am Freitagabend rief das Bündnis erneut zu mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderwärmung auf. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte am Donnerstagabend im ZDF gesagt, Schulze könne sich dieser Idee bei der Weltklimakonferenz in Kattowitz zwar anschließen, es entscheide aber letztlich die Bundesregierung.
Merkel müsse daher Stellung beziehen, forderten die Umweltorganisationen. "Ohne eine klare Positionierung Deutschlands" drohe der Vorstoß des Bündnisses der im Klimaschutz besonders ehrgeizigen Länder zu scheitern, "ein einigermaßen ambitioniertes Ergebnis in Kattowitz zu erreichen".
"Wir bitten Sie deshalb dringend, als Kanzlerin klarzustellen, dass die deutsche Bundesregierung hinter diesen ambitionierten Zielen und Ankündigungen steht", hieß es in dem Appell weiter. Dies sei "notwendig, um diese Konferenz zu einem Erfolg zu führen".
Die Verhandlungen in Kattowitz hatten eigentlich am Freitagabend enden sollen. Da einige Streitpunkte weiter nicht gelöst sind, wird nun aber mit einer Verlängerung bis Samstag gerechnet.
Vertreter der sogenannten High Ambition Coalition (etwa Hochambitionierte Koalition) entrollten gemeinsam ein Transparent mit der Aufschrift "Zusammen für mehr Ambition". Das Bündnis habe bereits 2015 in Paris auf "ein starkes Abkommen" gedrungen, sagte Schulze. "Und heute senden wir erneut ein klares Signal." EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete sagte, die Befunde des 1,5-Grad-Berichts des Weltklimarats IPCC erforderten, dass die Konferenzteilnehmer "keine Mühen scheuen" für ehrgeizige Beschlüsse in Kattowitz.
Schulze: "Sehr, sehr lange Nacht"
Der Aufruf wurde von den besonders stark vom Klimawandel bedrohten kleinen Inselstaaten und anderen Entwicklungsländern unterstützt. Zum Verhandlungsstand sagte Schulze, es werde "eine sehr, sehr lange Nacht" werden, aber sie sei "optimistisch".
Mit der Vorlage eines Abschlusstext-Entwurfs in der Nacht zu Donnerstag hatte Konferenz-Präsident Michal Kurtyka die Schlussrunde eingeläutet. Allerdings gab es weiterhin ungelöste Streitpunkte. Aus Sorge vor einem Scheitern der Konferenz reiste UN-Generalsekretär Antonio Guterres zum dritten Mal seit dem Konferenzbeginn Anfang Dezember nach Kattowitz. Er versuchte die Verhandlungen mit einer Reihe bilateraler Gespräche zu unterstützen.
Der maledivische Delegationsleiter und Ex-Präsident Mohammed Nasheed mahnte: "Wir haben nicht den Luxus (zu warten), wir müssen handeln und zwar jetzt." Zu den Knackpunkten in Kattowitz gehören weiterhin die Transparenzregeln im sogenannten Regelbuch. Dabei geht es darum, wie die nationalen Klimaziele der einzelnen Länder künftig eingereicht und überprüft werden. Auch der Umgang mit den Schäden und Verlusten durch den Klimawandel insbesondere in den ärmsten Ländern ist noch hoch umstritten.
"Die Anliegen der ärmsten Staaten wurden in Kattowitz von den Industriestaaten und den ölexportierenden Ländern vollkommen überrollt", kritisierte die Klima-Expertin von Brot für die Welt, Sabine Minninger. "Wir steuern ungebremst auf eine CO2-bedingte Heißzeit zu und bislang ändert diese Konferenz nichts am Kollisionskurs", erklärte der Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. Die BUND-Klimaexpertin Ann-Kathrin Schneider kritisierte die Verhandlungstexte als "mutlos", sie enthielten keine Ankündigungen zur Verbesserung der nationalen Klimaziele bis zum Jahr 2020.
Der Klimachef von WWF Deutschland, Michael Schäfer, warf der Bundesregierung vor, sich in der Klimapolitik "schizophren" zu verhalten. Während sie in Kattowitz "einen hervorragenden Job" mache, schiebe sie zu Hause den Kohleausstieg auf und blockiere in der EU ambitioniertere Klimaschutzmaßnahmen, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Wie in Kattowitz schlossen sich auch in mehreren deutschen Städten Schüler einem internationalem Klima-Streik an. In Berlin versammelten sich etwa 60 bis 80 Schülerinnen und Schüler vor dem Bundestag.
Die Konferenz in Kattowitz ist eine wichtige Etappe in den internationalen Klimaverhandlungen. Hier soll das Regelbuch zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens fertiggestellt werden. Die nächste UN-Klimakonferenz findet Ende kommenden Jahres in Chile statt, wie am Abend bekannt gegeben wurde. Die Zwischenverhandlungen finden in Costa Rica statt. (AFP)