Weltklimakonferenz in Kattowitz: „Wir werden versinken, wenn nichts getan wird“
Mit dramatischen Appellen geht die Klimakonferenz in die Verlängerung - wieder einmal. Aber noch herrscht Optimismus, dass es zu dem geplanten Regelbuch kommt.
Mateusz fährt in diesen Tagen die ganze Welt durch Kattowitz. „Leute aus Saudi-Arabien hatte ich schon an Bord, Amerikaner und Inder“, erzählt der junge Pole, der sein Auto für die Teilnehmer der Klimakonferenz über den Fahrdienst Uber anbietet. „Wir sprechen natürlich über den Klimawandel.“ Wie schädlich Schadstoffe aus der Kohleverbrennung sind, weiß Mateusz gut. Eine graue Smogglocke bedeckt Kattowitz im Winter, Kohlegeruch liegt in der Luft. „Fahren Sie nach Krakau, da ist es noch schlechter“, sagt er beim Abschied am Kongresszentrum, in dem die Konferenz stattfindet.
Im deutschen Pavillon sind die Delegierten am Freitagmorgen ziemlich müde. Es war wieder eine kurze Nacht. Um drei Uhr in der Frühe hat die polnische Präsidentschaft den ersten Entwurf zum sogenannten „Regelbuch“ vorlegt – eine Gebrauchsanweisung für das Pariser Abkommen. „Wir bewegen uns auf der Zielgeraden“, erklärt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) den anwesenden Journalisten. „Es ist sicherlich nicht der letzte Entwurf, weil hier und da noch Unzufriedenheit herrscht. Aber ich glaube, dass wir es hinbekommen können.“ Der Präsident der Klimakonferenz, Mihal Kurtyka, trifft sich im Laufe des Tages mit einzelnen Ländern, um die Knackpunkte zu lösen.
Entwicklungsländer empfinden finanzielle Hilfe als unzureichend
Dabei geht es oft um technische Details, aber auch politisch ist einiges offen: Den Entwicklungsländern reicht die finanzielle Hilfe bei Klimawandelschäden nicht aus. Im Entwurf des Regelbuches fehlt zudem der Hinweis, dass die Staaten ihre nationalen Klimaziele möglichst bis 2020 nachschärfen sollen. Kritisch wird auch gesehen, wie der 1,5-Grad-Bericht in das Regelbuch einfließt. Nach derzeitigem Stand werden die wissenschaftlichen Beiträge des Weltklimarats „wertgeschätzt“. Den Inselstaaten und Ländern Afrikas ist das nicht genug. Von der deutschen Delegation heißt es, dass man sich da nicht verkämpfen werde.
Insgesamt aber zeigt sich Deutschland, zumindest das Bundesumweltministerium, in Kattowitz solidarisch mit jenen Ländern, die vom Klimawandel am stärksten betroffen sind. Sichtbar wurde das vor einigen Tagen auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz im Pavillon der Europäischen Union.
Da stand Umweltministerin Schulze auf der Bühne, im roten Kleid und weißen Blumenohrringen, die gut zu Pazifikinseln passen, zwischen den Staatsvertretern der Marshallinseln und Äthiopiens. Für die EU war Klimakommissar Miguel Arias Cañete dabei. Als Allianz der Ambitionierten verpflichteten sie sich dazu, ihre Klimaziele bis 2020 zu erhöhen und forderten andere auf, es ihnen gleich zu tun. Schulze reichte das Mikrofon eifrig von einem zum anderen, jeder sollte seinen Appell an die vielen Journalisten, die sich in den stickigen Pavillon gequetscht hatten, loswerden. „Wir werden versinken, wenn nichts getan wird“, rief etwa David Paul, Umweltminister der Marshallinseln. Schulze schaute betroffen.
Unterstützung durch die Bundesregierung erfährt sie kaum: Dem Koalitionspartner geht der Klimaehrgeiz der Umweltministerin zunehmend auf die Nerven. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte am Donnerstagabend im ZDF, dass Schulze sich der Idee der Klimazielerhöhung zwar anschließen könne. Es entscheide aber letztlich die Bundesregierung. Zudem könnte Deutschland sich nur Ziele setzen, die es tatsächlich einhalte. Im deutschen Pavillon in Kattowitz signalisiert Schulze, dass sie sich von Altmaier nicht einschüchtern lässt. „Es gilt der Koalitionsvertrag“, sagt die SPD-Politikerin kurz und knapp. Dass „Heißzeit“ das Wort des Jahres ist, dürfte Schulze beim Klimaschutz helfen.
Saudi-Arabien ist neuer Klimastörer
Störfeuer kam in Kattowitz wie erwartet von der amerikanischen Regierung. In einer politisch ungewöhnlichen Allianz mit Saudi-Arabien, Russland und Kuwait hatten die USA sich schon Ende der ersten Woche dagegen ausgesprochen, den 1,5-Grad-Bericht zu „begrüßen“. Sie wollten ihn lediglich „zur Kenntnis nehmen“.
Die amerikanischen Verhandler hätten sich aber überwiegend konstruktiv in Kattowitz gezeigt, heißt es mittlerweile. Wenn der nächste Präsident nicht Donald Trump heißt, besteht die Chance, dass die USA im Pariser Vertrag bleiben. Der neue Klimastörer sei Saudi-Arabien, erzählen sich Konferenzbeobachter, wenn sie abends bei Veranstaltungen die Köpfe zusammenstecken. Viele sind erschöpft. Während des Tages hat es oft nur für ein Brötchen gereicht, das vor dem Laptop sitzend verschlungen wurde.
Später am Tage schlägt der Umweltminister Costa Ricas, Carlos Manuel Rodríguez, Alarm für mehr Klimaschutz. „Wie kann das sein, dass es hier für die Pazifikinseln ums Überleben geht, und dort Saudi-Arabien nur über seine Ölwirtschaft spricht?“, empört sich der Minister im Pressezentrum. An seinem Kragen heftet ein Anstecker mit den Buchstaben NDC. Symbolisch steht das für die Erhöhung der Klimaziele. Costa Rica hätte gern die nächste Klimakonferenz ausgerichtet. Man wolle ja, sagt Rodríguez. Aber das Land habe kaum Kapazitäten. Die Konferenz einigt sich dann auf Chile als Gastgeber für das nächste Treffen.
Anderes bleibt noch offen. Das finale Regelbuch lässt auch noch auf sich warten. Nur eines ist sicher: Mit dem Uber-Fahrer wird wieder über den Klimawandel gesprochen.