NSA-Affäre im Bundestag: Abgeordnete im Visier der Geheimdienste?
Werden Handys von Bundestagsabgeordneten ausgespäht? Eine Bundesbehörde bietet Politikern an, das zu überprüfen. Sollen auch Angriffe auf die Hardware ausgeschlossen werden, geht das "leider nicht zerstörungsfrei".
Wenn die NSA jahrelang das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel überwacht hat, wie hält es der US-Geheimdienst eigentlich mit den Telefonen von „einfachen“ Bundestagsabgeordneten? Das ist ein durchaus ernstes Problem, etwa für die Abgeordneten, die im Ausschuss zur Untersuchung der NSA-Affäre sitzen, also unmittelbar mit der Aufklärung des Spähskandals befasst sind. Ihr Chef, der CDU-Mann Patrick von Sensburg, hat bereits ein Comeback von mechanischen Schreibmaschinen gefordert, um ungestörter arbeiten zu können. Und bei einer als geheim eingestuften Sitzung ließ er die Abgeordnetenhandys in eine Metallkiste schließen. Von seinem Handy spielte dazu klassische Musik – Bach, wie sich Teilnehmer erinnern.
Im Sommer wandte sich Sensburg an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), um zu klären, ob die NSA oder andere Geheimdienste Zugriff auf die Daten der Mobiltelefone von Abgeordneten haben, womöglich Gespräche mithören. Zu jener Zeit war der Verdacht publik geworden, das dienstlich genutzte Handy des Unionsobmanns im NSA-Ausschuss, Roderich Kiesewetter (CDU), könnte abgehört worden sein.
Das BSI zeigte sich durchaus kooperativ. Allerdings hat das vom Bundesamt angebotene mehrstufige Überprüfungsverfahren mehrere Haken. Laut einem Schreiben des Behördenchefs Michael Hange an Sensburg vom 18. Juli, das dem Tagesspiegel vorliegt, müssen für alle Kontrollverfahren sowohl Passwort als auch PIN des dienstlich genutzten Handys beziehungsweise Smartphones zur Verfügung gestellt werden.
Bemerkenswert ist dabei besonders eine Folge der dritten Stufe, für die eine Prüfdauer von drei bis vier Wochen veranschlagt wird. Sie sieht auch eine Hardware-Überprüfung vor, die Geräte werden zum Beispiel geröntgt. So können auch mögliche Manipulationen am Gerät ermittelt werden, die die anderen beiden Prüfvarianten nicht abdecken. Das Bundesamt schreibt dazu: „Die Untersuchung muss am Originalgerät erfolgen und ist leider nicht zerstörungsfrei realisierbar.“
Auf ein kaputtes Handy wollte es schließlich auch Kiesewetter nicht ankommen lassen. Das BSI stellte im Fall seines Handys zwar eine ungewöhnliche Erhitzung das Akkus fest, fand aber in der Untersuchungsstufe zwei keine Hinweise auf einen qualifizierten Angriff auf oder Manipulationen an der Software. Damit ließ es der CDU-Mann bewenden.
Linke: Offenbarungseid der Behörden
Andere Abgeordnete hatten nach Erhalt des BSI-Briefes gar keine Lust mehr, sich auf das Überprüfungsverfahren einzulassen – etwa der Linken-Politiker André Hahn, Mitglied im NSA-Ausschuss und Vizechef des für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen Parlamentsgremiums. Er sagte dem Tagesspiegel: „Was auf den ersten Blick wie ein Hilfsangebot aussieht, ist in Wahrheit ein Offenbarungseid des BSI und keine akzeptable Unterstützung für die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss.“ Die Bedingung der Bundesbehörde, alle auf dem Handy gespeicherten Daten einsehen zu können, sei „völlig indiskutabel.“ Es sei absurd, von einem Oppositionspolitiker zu verlangen, dass er einer Bundesbehörde uneingeschränkten Zugang zu allen seinen Handydaten gewähren solle, also etwa den Telefon- und Mailkontakten (auch von Journalisten) bis hin zu privaten SMS der Ehefrau. „Wer so etwas fordert, will gar nicht, dass Abgeordnete ihre Handys auf Ausspähaktivitäten untersuchen lassen.“ Die vom BSI angekündigte Zerstörung des Handys in der dritten Überprüfungsstufe – „und nur die erscheint sinnvoll“ – lehnt der Linke-Mann klar ab: „Soll das Ganze dann mit dem nächsten Handy wieder von vorn anfangen?“
Grüne: Das Verfahren ist mehr als bizarr
Auch Konstantin von Notz, Grünen-Obmann im NSA-Ausschuss, hält das Verfahren für mehr als bizarr. Er wolle dem BSI „nicht komplett misstrauen“, sagte Notz dem Tagesspiegel, doch müsse ein Politiker sein Handy „letztlich dem Innenministerium“ anvertrauen, wenn er es auf Spähangriffe untersucht haben möchte. „25 Jahre nach dem Ende der DDR ist das kein Zustand.“ Letztlich aber bleibe es aus seiner Sicht unbefriedigend, dass Politiker „in den Wald gehen müssen, um vertrauliche Gespräche zu führen“. Dabei seien die noch privilegiert. „Das BSI bietet an, unser Handy zu überprüfen“, so der Grüne: „Die Normalbevölkerung überlässt man sich selbst.“
Matthias Meisner