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5261 Kinder lebten 2018 in Familien, in denen ein Erwachsener kein Hartz IV mehr bekam.
© Marcel Kusch/dpa

Linke fordert Abschaffung: 80.000 Kinder waren Ende 2018 von Hartz-IV-Sanktionen betroffen

Die Sanktionen gegen Empfänger von Hartz IV sind heftig umstritten. Ende 2018 trafen die Strafmaßnahmen gegen ihre Eltern auch 80.000 Minderjährige.

Rund 80.000 Kinder und Jugendliche waren Ende vergangenen Jahres von Sanktionen auf Hartz-IV-Leistungen betroffen. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linke-Fraktion hervor, aus der die Zeitungen der Funke Mediengruppe zitieren.

Bundesverfassungsgericht hat Hartz-Sanktionen gerade eingeschränkt

Im Dezember 2018 lebten 79.899 Minderjährige in Haushalten, in denen mindestens ein Erwachsener sanktioniert worden war. 5261 Minderjährige lebten sogar in Familien, in denen ein Erwachsener vollsanktioniert war, also gar kein Hartz IV mehr bekam. Die Zahl bewegt sich dem Bericht zufolge damit etwa auf dem Niveau der Vorjahre.

Linken-Chefin Katja Kipping sieht darin ein erhebliches Risiko für die Chancen der betroffenen Kinder. "Ausgrenzungserfahrungen und materielle Nöte können gerade in jungen Jahren nachhaltig positive Wege verstellen", sagte Kipping den Zeitungen.

"Materielle Not gerade in der Kindheit beeinträchtigt die Lernerfolge negativ. Hier wird etwas angerichtet, dass später nur schwer zu korrigieren ist." Die Linke fordert, alle Sanktionen abzuschaffen. "Das ist die unbürokratischste Umsetzung des Urteils", erklärte Kipping.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Urteil Anfang November die bisherige Sanktionspraxis im Umgang mit Hartz-IV-Beziehern stark eingeschränkt. Demnach dürfen bei Pflichtverletzungen die Leistungen höchstens um 30 Prozent gekürzt werden - bislang mögliche Kürzungen von 60 Prozent oder sogar der komplette Wegfall der Leistungen sind demnach mit dem Grundgesetz unvereinbar.

Deutsches Kinderhilfswerk sieht Verstoß gegen UN-Kinderrechtskonvention

Das Deutsche Kinderhilfswerk und die Bundesagentur für Arbeit hatten gerade gefordert, Kinder aus Hartz-IV-Familien stärker zu unterstützen. Der Bundesgeschäftsführer des Kinderhilfswerks, Holger Hofmann, sagte, die Hartz-IV-Sanktionen für Familien mit Kindern müssten ganz abgeschafft werden. "Kinder leiden unter jeder Kürzung der Hartz-IV-Leistungen, denn schon der normale Hartz-IV-Regelsatz von Kindern entspricht nicht dem notwendigen soziokulturellen Existenzminimum."

Die schlichte Umsetzung des Bundesverfassungsgerichturteils sei aus Sicht von Familien mit Kindern zu wenig, sagte Hofmann weiter. Er forderte Bundesregierung und Bundestag auf, das Karlsruher Urteil vielmehr zum Anlass zu nehmen, die bisherigen Hartz-IV-Mithaftung von Kindern für ihre Eltern zu beenden. Das Gericht habe mit seiner Entscheidung eine "Grundsatzdiskussion über Hartz-IV-Sanktionen" angeregt.

Bundesagentur für Arbeit fordert kostenlose Angebote für Kinder

Bei einer zu engen Auslegung des Urteils werden dem Hilfswerk zufolge weiterhin Monat für Monat zehntausend Kinder und Jugendliche von den Kürzungen der Bezüge ihrer Eltern betroffen sein. Das verstoße gegen das in der UN-Kinderrechtskonvention normierte Recht auf soziale Sicherheit und angemessene Lebensbedingungen.

Um Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Familien besser zu unterstützen, forderte der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, Angebote für Kinder deutschlandweit kostenlos zu machen. "Zum Beispiel Tickets für Bus und Bahn, Eintrittskarten für den Zoo und fürs Schwimmbad", sagte er. Eine Erhöhung der Regelsätze für Mädchen und Jungen dagegen lehnte Scheele ab: "Ich bin nicht sicher, ob höhere Regelsätze immer eins zu eins bei den Kindern ankommen würden."

Scheele erklärte außerdem, dass die Arbeitsagentur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz-IV-Sanktionen auch bei unter 25-Jährigen umsetze. "Wir verschicken zurzeit keine Sanktionsbescheide." Bei Arbeitslosen, die aktuell mit Abzügen von 60 oder 100 Prozent sanktioniert wären, würden die Sanktionen dem Karlsruher Urteil entsprechend auf 30 Prozent reduziert. "Wir haben den Jobcentern mitgeteilt, dass diese Sanktionspraxis zunächst auch für unter 25-Jährige gilt", sagte Scheele weiter. (AFP, KNA)

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