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Der Flüchtlingskurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel spaltet die Union.
© Kay Nietfeld/dpa
Update

Flüchtlinge in Deutschland: 44 Unionsabgeordnete stellen sich gegen Angela Merkel

Von allen Seiten hagelt es Kritik. Jetzt sogar aus ihrem eigenen Kabinett. 44 Abgeordnete von CDU und CSU haben sich einer Unterschriftenaktion gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik angeschlossen.

In der Unionsfraktion haben sich weniger Abgeordnete an einer Unterschriftenaktion gegen die Flüchtlings- und Asylpolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beteiligt als von den Initiatoren erwartet. Das Schreiben sei am Dienstag mit den Unterschriften von 44 der 310 Parlamentarier von CDU und CSU an Merkel gesandt worden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Berlin. In den Reihen der Initiatoren des Merkel-kritischen Briefs hatte man ursprünglich gehofft, wesentlich mehr Parlamentarier zu einer Unterschrift bewegen zu können.

Die Initiatoren hatten ihren Vorstoß vergangene Woche noch entschärft. Sie wollten zunächst in der Fraktion über einen Antrag abstimmen lassen, der auf ein Zurückweisen von Flüchtlingen an der Grenze abzielte. Nun heißt es in dem der dpa vorliegenden Schreiben an die Kanzlerin: „Wir stehen vor einer Überforderung unseres Landes. Deshalb halten wir eine Änderung der derzeitigen Zuwanderungspraxis (...) durch die Rückkehr zur strikten Anwendung des geltenden Rechts für dringend geboten.“

Ein Gegen-Brief zur Unterstützung Merkels hat nach Angaben seines Verfassers eine ähnliche Resonanz in der Unionsfraktion gefunden. Der CDU-Abgeordnete Martin Patzelt sagte der dpa, er habe auf sein Unterstützungsschreiben von etwas mehr als 40 Fraktionskollegen positive Rückmeldungen erhalten. Patzelt hatte die Aktion der Merkel-Kritiker als populistisch abgelehnt.

Kritik von Verkehrsminister Dobrindt

Unterdessen forderte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt im „Münchner Merkur“ (Dienstag) einen Kurswechsel und riet dringend dazu, einen Plan B zu entwickeln. „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir um Grenzschließungen nicht herumkommen. Wir müssen das mit den anderen Ländern auf der Reiseroute der Flüchtlinge zügig absprechen“, sagte der CSU-Politiker.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt fordert von Merkel einen Kurswechsel.
Verkehrsminister Alexander Dobrindt fordert von Merkel einen Kurswechsel.
© Olivier Hoslet/dpa

In einem Brandbrief an Kanzlerin Merkel fordern mehr als 30 CSU-Landtagsabgeordnete eine Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik - und eine Obergrenze für die Zuwanderung. „Mehr als 200 000 Zuwanderer pro Jahr - seien es Bürgerkriegsflüchtlinge oder Asylsuchende - kann Deutschland nicht verkraften“, heißt es in dem Schreiben, das Merkel bei ihrem Besuch der CSU-Fraktionsklausur an diesem Mittwochabend in Wildbad Kreuth übergeben werden soll. „Wir haben die große Befürchtung, dass ohne eine schnelle Begrenzung in 2016 noch weit mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen werden als im Jahr 2015.“ Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Die Abgeordneten beschreiben mit teils drastischen Worten, wie schlecht aus ihrer Sicht die Stimmung in der Bevölkerung ist. „Was uns zu diesem Brief bewegt, ist die tiefe Sorge um die Zukunft unseres Landes“, heißt es gleich zu Beginn. Und: „Das Stimmungsbild in der Bevölkerung ist so schlecht wie nie zuvor. Die Ängste vor der Zukunft, mittlerweile aber auch die Verzweiflung und die Wut der Bürger, sind mit Händen greifbar. Tag für Tag erreichen uns die Bitten unserer Bürger, die Politik möge jetzt endlich handeln!“

Die Dobrindt-Zeit ist der Zeitraum zwischen zwei hohlen Aussagen des Ministers Dobrindt, um auch mal wieder was gesagt zu haben, anstatt sich auf sein Ressort zu konzentrieren und (mangelnde) gute (!!!) Arbeit abzuliefern.

schreibt NutzerIn zenker_bln

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) forderte die Kanzlerin auf, das Grundgesetz wieder strikt anzuwenden und Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen. „Wir müssen zur Verfassungstreue zurückfinden. Das bedeutet, dass der überwiegende Teil der Flüchtlinge, der jetzt an der deutsch-österreichischen Grenze zu uns kommt, nicht nach Deutschland gelassen werden darf. Das ist geltendes Recht“, sagte er der „Magdeburger Volksstimme“ (Dienstag).

"Grenzschließung ist brandgefährlich"

Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung und stellvertretende SPD-Vorsitzende, Aydan Özoguz, warnte dagegen davor, die Grenzen in Europa wieder dicht zu machen. „Kaum ein Land profitiert so stark vom freien Warenverkehr in Europa wie wir, die Nachteile wären immens“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag). „Die Forderung nach der Wiedereinführung von Schlagbäumen in Europa ist daher nicht nur leichtsinnig, sie ist brandgefährlich.“

Dobrindt warf der EU vor, Deutschland mit dem Flüchtlingsproblem alleinzulassen. „Wer von einer Koalition der Willigen redet zur Bewältigung dieser Krise, muss auch die Realität benennen: Es gibt bei dem Thema längst einen Pakt der Unwilligen gegen uns.“ Man brauche eine schnelle Veränderung der Situation - „im Wissen, dass das Auswirkungen auch auf das Ansehen Deutschlands in Europa haben kann“, sagte Dobrindt. „Es reicht jetzt aber nicht mehr aus, der Welt ein freundliches Gesicht zu zeigen.“

Bayerns CSU-Finanzminister Markus Söder hat der SPD vorgeworfen, wichtige Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu blockieren. „Die Koalition in Berlin kann sich erneut nicht einigen, die SPD blockiert ein wichtiges Asylpaket“, sagte Söder am Dienstag im Deutschlandfunk. Beim Asylpaket II streiten die Koalitionspartner vor allem um die Einschränkung des Familiennachzugs und die Beteiligung von Migranten an Kosten für Sprach- und Integrationskurse. „Die Entwicklung verschärft sich von Tag zu Tag, und Beschlüsse werden nicht umgesetzt“, kritisierte Söder. „Die Menschen erwarten ein Signal, dass es so nicht weitergeht.“

Zur Integration der Flüchtlinge will Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) mit einem neuen Zehn-Millionen-Euro-Programm unter dem Motto „Menschen stärken Menschen“ Paten, Vormünder und Gastfamilien für Asylbewerber gewinnen. „Integration ist mehr als der Gang zum Sprachkurs oder Arbeitsamt“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag). (dpa)

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