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Ein Mann aus Syrien verurteilt mit einem Plakat vor dem Hauptbahnhof und dem Dom in Köln die sexuelle Gewalt der Silvesternacht.
© dpa

Flüchtlinge und Integration nach Köln: Es ist Zeit für einen Plan B in der Flüchtlingspolitik

Die Silvesternacht von Köln hat die Politik in Deutschland erschüttert, das ist deutlich zu spüren. Wie kann Integration noch gelingen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Die politische Eröffnungsbilanz des Jahres 2016 ist zum Fürchten – und das nicht nur wegen des Terroranschlags von Istanbul. Keine zwei Wochen nach der Silvesternacht in Köln bemüht sich die Bundesregierung mit schärferen Ausweisungsgesetzen darum, ihre Handlungsfähigkeit zu beweisen. Aber in der ersten Bundestagssitzung des neuen Jahres wird deutlich, wie verunsichert die Politik insgesamt ist. Nicht einmal die Opposition kann auftrumpfen. Dafür geht es jetzt um zu viel.

Wie tief erschüttert die alte Ordnung ist, zeigt sich daran, dass der Satz „Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt“ nun von der großen Koalition bis hin zur Linken Sahra Wagenknecht und dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann Zustimmung findet.

Die Partei der Kanzlerin nähert sich dem Gedanken, dass die EU-weite Verteilung von Flüchtlingen auf immer eine Chimäre bleiben wird und deshalb eine andere Lösung her muss. Diese wäre keine Entscheidung gegen die Integration von einer Million Menschen, sondern die Voraussetzung dafür, dass sie gelingen kann – allerdings nur mit deutlich mehr Geld als den zwölf Milliarden Euro aus dem Haushaltsüberschuss.

Der CDU-Generalsekretär wirft derweil Nebelkerzen und fordert die Bundesländer auf, pro Tag tausend abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. Vor den Landtagswahlen ist das ein durchsichtiger Versuch, SPD-geführte Regierungen für kriminelle Flüchtlinge verantwortlich zu machen. Damit weckt Peter Tauber Erwartungen, die niemand erfüllen wird. Viel entscheidender wäre eine Antwort auf die Frage, wie Flüchtlinge, die absehbar keine Bleibeperspektive haben, gar nicht erst ins Land kommen.

Eine nationale Abschottung könnte kleine Länder destabilisieren

Auch prominente Verfassungsrechtler drängen inzwischen auf eine Sicherung der deutschen Grenzen. Die aber hätte einen hohen Preis. Die Befürchtung ist völlig berechtigt, wonach eine nationale Abschottung kleinere Länder an der Balkanroute und das ohnehin fragile Griechenland destabilisieren und Konflikte zwischen ihnen heraufbeschwören könnte. Allerdings hat auch die einsame deutsche Entscheidung zur Grenzöffnung die Europäische Union keineswegs zusammengeführt, sondern erst in die Krise getrieben.

Deshalb ist es Zeit, einen „Plan B“ wenigstens vorzubereiten. Der wäre nicht umsonst zu haben, sondern müsste gestützt werden durch massive finanzielle, organisatorische und humanitäre Unterstützung Berlins für jene Länder, in denen nach einer Kehrtwende der Merkelschen Flüchtlingspolitik die Menschen stranden werden, die in Richtung Deutschland aufgebrochen waren.

Meist kann die Politik wählen zwischen guten und schlechten Wegen. Vier Monate nach der Kanzlerinnen-Entscheidung zur Grenzöffnung Anfang September gibt es nur noch schlechte und noch schlechtere Lösungen. Lässt sich die Liberalität Deutschlands nur retten durch Illiberalität in der Flüchtlingsfrage? Lässt sich die Hilfsbereitschaft der Deutschen für die Angekommenen nur erhalten durch eine Verweigerung der Hilfe für Nachkommende? Lässt sich der Zusammenhalt Europas nur wahren durch eine stärkere Abgrenzung in Europa, die für die Exportnation Deutschland sehr teuer würde?

Es ist kein Wunder, dass die Politik darauf keine schnelle Antwort hat. Aber es wäre ein Fortschritt, wenn sie diese Fragen in ihrer ganzen existenziellen Brutalität endlich offen verhandeln würde.

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