Newsblog zur Flüchtlingskrise: 4300 Flüchtlinge an einem Tag aus dem Mittelmeer gerettet
Allein am Samstag sind mehr als 4300 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet worden. Kroatien hat Ungarn zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge gezwungen. Ungarn wiederum hat den Stacheldrahtzaun an der Grenze zu Kroatien fertiggestellt. Die wichtigsten Ereignisse des Tages im Newsblog.
Papst zeigt sich „sehr bewegt“ vom Schicksal der Flüchtlinge: Papst Franziskus verfolgt die Situation der Flüchtlinge in Europa nach eigenen Worten aufmerksam und nimmt großen Anteil an ihrem Schicksal. Die Begegnung am Samstagmorgen mit einer syrischen Flüchtlingsfamilie, die in der Pfarrei Sant'Anna des Vatikans untergekommen ist, habe ihn „sehr bewegt“ und schockiert, sagte der Argentinier auf dem Flug nach Kuba, wo er am Samstag zu seinem zehnten Auslandsbesuch eintraf. „Man hat in diesen Gesichtern den Schmerz gesehen“, berichtete der Papst nach dem Treffen mit der Familie.
„Ich glaube, dass die Welt heute nach Frieden dürstet“, ergänzte Franziskus. „Es gibt Kriege, die Migranten, die fliehen, die Migrationswelle, die von Kriegen verursacht wurde. Menschen, die vor dem Tod fliehen und ein neues Leben suchen.“ Franziskus hatte die Pfarreien und Gemeinden in Europa aufgerufen, je eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen. Eine Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern aus Syrien war daraufhin von der Vatikan-Pfarrei Sant'Anna in einer Wohnung in der Nähe des Vatikans untergebracht worden. Die Flüchtlinge bedankten sich am Samstag beim Papst für die Gastfreundschaft und wünschten ihm eine gute Reise.
Fast 5000 Flüchtlinge an einem Tag aus dem Mittelmeer gerettet: Fast 5000 Flüchtlinge sind alleine am Samstag aus dem Mittelmeer gerettet worden. Beim größten von insgesamt 20 Rettungseinsätzen in den Gewässern vor Libyen wurden 1137 Menschen von zwei Schiffen in Sicherheit gebracht, wie die italienische Küstenwache mitteilte. An der Operation, bei der auch eine Frauenleiche geborgen wurde, waren Schiffe von Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen sowie eine Fregatte der Bundeswehr beteiligt, die Hunderte der Flüchtlinge aufnahm. Die britische und kroatische Marine sowie ein Frachtschiff halfen ebenfalls mit.
Wie eine dpa-Reporterin an Bord der Bundeswehr-Fregatte „Schleswig-Holstein“ beobachtete, wurden in einem fast zwölfstündigen Einsatz 767 Flüchtlinge von einem Holzboot und einem Schlauchboot an Bord geholt. Dies sei die größte Anzahl von Menschen, die die Fregatte bisher an einem Tag gerettet habe, sagte ein Sprecher an Bord. Die meisten der geretteten Menschen stammten aus dem Sudan sowie aus Eritrea, Somalia und Syrien. Die Fregatte mit den Flüchtlingen soll voraussichtlich am Sonntagmittag in Palermo auf Sizilien einlaufen, um die Menschen an die zuständigen Behörden zu übergeben.
Die „Schleswig-Holstein“ ist eines von zwei deutschen Schiffen, die sich seit Ende Juni an der EU-Mission zur Seenotrettung und Bekämpfung der Schleuserkriminalität im südlichen Mittelmeer beteiligen. Insgesamt haben die deutschen Schiffe seitdem fast 2400 Menschen geholfen. Zuvor hatte die Bundeswehr unter einem nationalen Mandat insgesamt 5673 Flüchtlinge gerettet. Seit Jahresbeginn sind nach Zählung der Internationalen Organisation für Migration mehr als 2600 Menschen beim Versuch ums Leben gekommen, von Libyen aus über das Mittelmeer nach Italien zu gelangen. Über 120 000 (Stand 18. September) schafften es demnach bis an die Küste des südlichen EU-Mitgliedstaats.
Merkel soll Kroatien zu Ausreisestopp für Flüchtlinge gedrängt haben: Bundeskanzlerin Angela Merkel soll Kroatiens Regierung nach einem Medienbericht aufgefordert haben, Flüchtlinge von einer schnellen Weiterreise mit dem Ziel Westeuropa abzuhalten. Merkel habe von der Führung in Zagreb verlangt, die Flüchtlinge für eine gewisse Zeit im Land zu halten, berichtete die kroatische Zeitung „Jutarnji list“ am Samstag. Die Zeitung bezog sich dabei auf das Telefonat der CDU-Vorsitzenden mit dem kroatischen Regierungschef Zoran Milanovic vom Freitag. Milanovic habe Merkels angebliche Forderung mit dem Argument abgelehnt, Menschen könnten nicht gegen ihren Willen festgehalten werden.
Die Bundesregierung verwies am Abend auf Anfrage auf eine frühere Mitteilung. Darin hatte Regierungssprecher Steffen Seibert erklärt, dass Milanovic der Kanzlerin von den Anstrengungen Kroatiens berichtet habe, seinen Verpflichtungen vollständig nachzukommen und dabei eine menschenwürdige Behandlung aller Flüchtlinge zu gewährleisten. „Die Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident stimmten überein, dass das Problem an den Außengrenzen der Europäischen Union gelöst werden müsse“, erklärte Seibert. Seit der Abriegelung der ungarischen Grenze zu Serbien versuchen Tausende Migranten, über Kroatien nach Westeuropa zu gelangen. Die kroatische Regierung lässt seit Tagen wiederum Tausende Flüchtlinge an die Landesgrenzen zu Ungarn und Slowenien bringen. Von dort wollen die meisten der Menschen nach Österreich und Deutschland weiterreisen.
Flüchtlingsrückstau in Österreich durch deutsche Grenzkontrollen: Österreich muss wegen der deutschen Kontrollen an der Grenze zwischen beiden Ländern eine wachsende Zahl an Migranten betreuen. „Es gibt einen Rückstau in Österreich“, sagte der Rettungschef des österreichischen Roten Kreuzes, Gerry Foitik, am Samstag. In der Nacht auf Sonntag würden rund 9 000 Menschen im Land übernachten, sagte er der Presseagentur APA.
Am Samstag wurden von der Polizei rund 10 000 Menschen an der Ostgrenze zu Ungarn erwartet. Erstmals wurde auch die südliche Grenze zu Slowenien von Flüchtlingen überschritten: Bis zum Abend hatten mehr als 150 Menschen diese Route gewählt, einige Hunderte mehr waren innerhalb Sloweniens in Richtung Grenze unterwegs.
Der erneute Anstieg war auch im Westen Österreichs spürbar. Rund 700 Flüchtlinge brachten den Salzburger Hauptbahnhof nahe der bayerischen Grenze an seine Kapazitätsgrenze, wie örtliche Behörden mitteilten.
Flüchtlinge kommen in Oberbayern an: In Freilassing in Oberbayern ist am frühen Abend ein Zug aus Graz mit rund 400 Flüchtlingen angekommen. Die Menschen würden registriert und anschließend nach Hanau gebracht, sagte ein Sprecher der Bundespolizei.
Ungarns Armee mobilisiert 500 Reservisten: Ungarns Streitkräfte mobilisieren wegen der Flüchtlingskrise 500 Reservisten. Dies verfügte Verteidigungsminister Istvan Simicsko am Samstag, wie die staatliche Nachrichtenagentur MTI berichtete. Die Einberufenen sollten in den Kasernen die an der Grenze eingesetzten Stammkader ersetzen, hieß es. Schon bisher waren über die Zeit verteilt 400 Reservisten mobilisiert worden. Ungarn hat seit 2004 ein Berufsheer. Darin dienen auch Zeitsoldaten, die nach Ablauf ihres Vertrags in den Reservistenstand versetzt werden können.
Deutschland rechnet mit erneutem Anstieg der Flüchtlingszahlen: Die Bundespolizei rechnet nach einem vorübergehenden Rückgang in der kommenden Woche wieder mit mehr Flüchtlingen. Für Samstag und Sonntag seien je zwei Sonderzüge aus Österreich mit Migranten angekündigt, sagt ein Sprecher der Bundespolizei in Potsdam. Ab Montag seien täglich fünf Züge anvisiert. Bis zum Nachmittag wurden an der deutsch-österreichischen Grenze bei Passau rund 600 Flüchtlinge aufgegriffen, erheblich weniger als am Vortag, sagt ein Polizeisprecher. In Freilassing wird am späten Nachmittag ein Zug aus Graz mit 400 bis 500 Migranten erwartet.
Kroatien zwingt Ungarn zur Aufnahme von Flüchtlingen: In der Flüchtlingskrise verschärft sich der Streit zwischen den osteuropäischen Transitstaaten. Kroatien kündigte am Samstag an, es werde den Nachbarn Ungarn weiter zur Aufnahme von Migranten zwingen. „Indem wir die Menschen dorthin geschickt haben, haben wir ihre Aufnahme erzwungen. Das werden wir auch weiter tun“, sagte Ministerpräsident Zoran Milanovic in Beli Manastir. Von dort aus hatten Busse und Züge am Freitag Tausende Flüchtlinge nach Ungarn gebracht. Die Regierung in Budapest warf Kroatien vor, Ungarn und die EU im Stich zu lassen, da es seine Außengrenze nicht ordentlich schütze. Das Land bringe ständig weitere Menschen an die Grenze. Ungarn kündigte eine diplomatische Protestnote an die Adresse Kroatiens an. Eine etwas ausführlichere Fassung lesen Sie hier.
Schäuble erwägt weitere Einsparungen: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erwägt einem Medienbericht zufolge weitere Milliarden-Einsparungen, um die Flüchtlingshilfe zu finanzieren. Der CDU-Politiker wolle bis zu zwei Milliarden Euro zusätzlich aus dem Haushalt 2016 für die Versorgung der Flüchtlinge abschöpfen, berichtete der “Spiegel“ am Samstag. Schäuble hoffe, diese Summe über eine günstigere Entwicklung etwa der Zinsen gegenüber den bisherigen Prognosen erwirtschaften zu können. Reiche dies nicht aus, werde das Ministerium den Ressorts weitere Sparvorgaben machen, um das angepeilte Volumen zu erreichen. Ein Sprecher des Finanzministeriums wollte sich zu dem Bericht nicht äußern. Bisher war lediglich ein Sparprogramm von 500 Millionen Euro bekannt, das auf die Ministerien umgelegt werden soll. Danach kann jeder Minister selbst entscheiden, wo er seinen Haushalt kürzt. Die Bundesregierung rechnet dieses Jahr mit einem Zustrom von 800.000 Flüchtlingen. Ein großer Teil von ihnen stammt aus dem Bürgerkriegsland Syrien.
Deutsche Marine rettet fast 400 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer: Eine Fregatte der Bundeswehr hat fast 400 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Das sagte Alexander Gottschalk, der Sprecher an Bord der Fregatte „Schleswig-Holstein“. Wie eine dpa-Reporterin vor Ort beobachtete, wurden in dem etwa dreistündigen Einsatz am Samstag Hunderte Flüchtlinge von einem Holzboot rund 35 Kilometer vor der libyschen Küste an Bord geholt. Anschließend seien weitere Menschen von einem Schlauchboot gerettet worden, sagte Gottschalk. Die meisten von ihnen stammten aus Sudan und Eritrea. Die Fregatte ist eins von zwei deutschen Schiffen, die sich seit Ende Juni an der EU-Mission zur Seenotrettung und Bekämpfung der Schleuserkriminalität im südlichen Mittelmeer beteiligen. Insgesamt haben die deutschen Schiffe seitdem 1980 Menschen gerettet. Zuvor hatte die Bundeswehr unter einem nationalen Mandat insgesamt 5673 Flüchtlinge gerettet.
Grenzkontrollen auch in Finnland: Finnland nimmt in Tornio im Norden des Landes an der Grenze zu Schweden Kontrollen auf. Asylbewerber können nun nicht mehr ohne Registrierung in Tornio weiterreisen, teilt das Innenministerium mit. An der Grenze demonstrieren nach einem Bericht des Senders YLE rund 100 Finnen gegen die Flüchtlinge und fordern auf Plakaten "Schließt die Grenzen!"
Kauder nennt Flüchtlingsandrang "nationale Herausforderung": Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hat angesichts des großen Flüchtlingsandrangs einen gesellschaftlichen Kraftakt beschworen. „Die Flüchtlingsbewegung ist eine der größten nationalen Herausforderungen für unser Land“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Ja, wir schaffen das. Aber wir brauchen einen langen Atem.“
Kauder beklagte zudem mangelnde Solidarität in der EU, räumte aber zugleich ein, dass die Staaten an den Außengrenzen von anderen EU-Ländern nicht genug unterstützt wurden. „Als man gesehen hat, dass es nicht um ein paar tausend Menschen geht, hätte man Italien, Griechenland oder Ungarn besser helfen müssen“, sagte Kauder. „Da hat Europa versagt.“
Kroatien schickt weiter Flüchtlinge über die Grenze: Kroatien schickt nach ungarischen Angaben immer weiter Flüchtlinge ins Nachbarland. Allein am Freitag seien 8000 Migranten aus Kroatien angekommen, sagt ein Sicherheitsberater der Regierung. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass der Flüchtlingsstrom bald abebbt.
Deutschland und Österreich fordern gemeinsam finanzielle Hilfe: Deutschland und Österreich fordern mehr Geld der internationalen Gemeinschaft zur Unterstützung syrischer Flüchtlinge im Nahen Osten. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann und der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel nannten in Wien eine Summe von fünf Milliarden Euro. Wenn die Europäische Union jetzt nicht Geld in die Hand nehme, „dann werden sich noch mehr Menschen auf den Weg machen“, sagte Gabriel bei einem Treffen führender europäischer Sozialdemokraten. Die USA und Saudi-Arabien sollen sich an dem Programm beteiligen, stimmte er mit Faymann überein.
US-Außenminister Kerry hatte in London in einem Interview bereits angekündigt, die Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Syrien zu prüfen.
Zugleich hat Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angesichts des neuen Flüchtlingsandrangs über den Balkan harte Maßnahmen angekündigt. Menschen, die nach der Durchreise durch Kroatien oder Slowenien erst in Österreich um Asyl bitten, würden alle dorthin zurückgebracht, sagte die Ministerin am Samstag in Wien. Sie habe kein Verständnis dafür, dass am Balkan kaum Asylanträge gestellt werden, denn es handle sich um sichere Länder. „Das ist keine Schutzsuche mehr, sondern Asyl-Optimierung“, fügte die konservative Politikerin hinzu. Österreichs Behörden erwarteten am Samstag die Ankunft von rund 10 000 Menschen, die zuvor über Kroatien und Ungarn reisten. Die meisten Flüchtlinge wollen derzeit weiter nach Deutschland. Im zweiten Quartal war Österreich hinter Ungarn das EU-Land mit der zweithöchsten Zahl von Asylanträgen pro Einwohner.
Ungarn stellt Zaun an kroatischer Grenze fertig, Tschechien droht mit Klage gegen Quote
Schulz fordert sieben Milliarden Euro von EU-Mitgliedern: Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, hat an die Staats- und Regierungschefs der EU appelliert, endlich die versprochenen sieben Milliarden Euro zur Flüchtlingsbetreuung im Nahen Osten freizugeben. „Das Geld muss noch in dieser Woche fließen“, sagte er am Samstag in Kiel beim SPD-Kongress „Mehr Gerechtigkeit wagen“ mit Blick auf den EU-Sondergipfel an diesem Mittwoch. Der SPD-Politiker verwies auf die Flüchtlingslager in der Türkei, im Libanon und Jordanien mit mehreren Millionen Menschen.
Zugleich kritisierte Schulz die mangelnde Solidarität einiger Staaten in Europa in der Flüchtlingsfrage. Er nannte insbesondere Ungarn. „Die Gefahr geht von rechts aus in Europa“, sagte Schulz.
Steinmeier fordert "gemeinsame europäische Antwort": Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekräftigte die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Lösung. „Es kann nicht sein, dass bei den ankommenden Hunderttausenden von Flüchtlingen am Ende sich nur vier Länder in Europa verantwortlich fühlen - Italien, Österreich, Deutschland und Schweden“, sagte Steinmeier am Samstag auf einem SPD-Landesparteitag in Magdeburg. Zugleich stellte Steinmeier finanzielle Hilfen für Länder in Aussicht, in denen Flüchtlinge europäischen Boden betreten und wo sie registriert werden sollen. Dies müsse die europäische Antwort auch beinhalten.
137 Festnahmen in Bulgarien: Die bulgarische Polizei hat in der Hauptstadt Sofia bei einer Razzia in Hostels und kleinen Hotels 137 Flüchtlinge festgenommen. Die Festgenommenen gaben sich nach Angaben des Innenministeriums als Syrer aus. Bulgarien ist Mitglied der EU, gehört aber nicht zum Schengen-Raum. Zur Sicherung seiner 160 Kilometer langen Grenze zur Türkei baut das Land einen Zaun, verstärkt die technische Überwachung und beordert zusätzliche Polizisten und Soldaten an die Grenzanlagen.
Deutlich weniger Flüchtlinge in Deutschland angekommen: In Deutschland sind am Freitag deutlich weniger Flüchtlinge angekommen als an den Vortagen. Insgesamt seien 1985 illegale Einreisen registriert worden, sagt ein Sprecher der Bundespolizei in Potsdam. Über die Entwicklung am Samstag macht der Sprecher keine Angaben und verweist darauf, dass zwei Sonderzüge aus Österreich mit Flüchtlingen angekündigt sind. An der deutsch-österreichischen Grenze bei Passau sind nach Polizeiangaben von Mitternacht bis 12.00 Uhr knapp 100 Flüchtlinge aufgegriffen worden. In Österreich hingegen kamen allein in der Nacht fast 7000 Menschen über die Grenzen.
Kroatien streitet über Militäreinsatz: Die kroatische Staats- und Regierungsspitze ist zerstritten über die Frage, ob die Armee des Landes zur Grenzsicherung in der Flüchtlingskrise eingesetzt werden soll. Nachdem Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic wiederholt den Einsatz von Soldaten verlangt hatte, erteilte Regierungschef Zoran Milanovic diesem Vorschlag eine klare Absage. „Die Grenze kann man nur mit brutaler Gewalt schließen, beziehungsweise nur mit der Armee und indem man auf diese Leute schießt, und das hieße morden“, begründete Milanovic seine Position am Samstag in Beli Manastir an der Grenze zu Ungarn. „Dazu müsste man den Kriegszustand ausrufen. Das sage ich nur, um zu verdeutlichen, welche alberne Ideen das sind“.
Ungarn stellt Zaun an kroatischer Grenze fertig: Ungarn hat in der Nacht zum Samstag den Stacheldrahtzaun an der Grenze zu Kroatien fertiggestellt. Damit will sich das Land gegen die Ankunft von Flüchtlingen vom Balkan abschotten. Das sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur AFP. Hunderte von Soldaten hatten tags zuvor mit dem Bau des 41 Kilometer langen Zauns begonnen. Die Grenze zwischen Ungarn und Kroatien ist insgesamt 330 Kilometer lang. Sie verläuft aber nur auf 41 Kilometern über Land, auf dem restlichen Abschnitt wird sie vom Fluss Drau gebildet, der schwer zu überqueren ist.
Die kroatische Regierung bekräftigte dennoch, sie wolle weiter Flüchtlinge zur ungarischen Grenze bringen. Der kroatische Ministerpräsident Zoran Milanovic sagte am Samstag in Zagreb, Kroatien habe Ungarn "in gewisser Weise genötigt", Flüchtlinge zu übernehmen. Obwohl es mit der Regierung in Budapest "keine Vereinbarung" darüber gebe, solle der Flüchtlingstransport weitergehen. "Kroatien wird nicht zum Zentrum der Flüchtlinge in Europa werden."
Schmierereien und brennende Mülltonnen an Flüchtlingsheim: Unbekannte haben die Außenwände eines Flüchtlingsheims in Riedlingen in Baden-Württemberg mit umgekehrten Hakenkreuzen und rechten Parolen beschmiert. Zudem zündeten sie am frühen Samstagmorgen zwei Mülltonnen an, wie die Polizei mitteilte. In der Unterkunft sind 47 Flüchtlinge aus Syrien untergebracht, nach Polizeiangaben bestand für sie keine Gefahr. Die Feuerwehr konnte den Brand der Mülltonnen schnell löschen.
Die Flüchtlinge seien umgehend betreut worden, sagte ein Polizeisprecher. Sie seien innerlich aufgewühlt gewesen, es gehe ihnen aber gut. Zuletzt hatte es in Deutschland immer wieder Anschläge gegen bestehende oder geplante Flüchtlingsunterkünfte gegeben.
Tschechien droht mit Klage gegen Quote: Der tschechische Vizeregierungschef Pavel Belobradek droht mit einer Klage, falls die EU gegen den Willen seines Landes verpflichtende Flüchtlingsquoten beschließen sollte. „Es ist sehr schwierig, uns jemanden gegen unseren Willen aufzunötigen“, sagte der Christdemokrat (KDU-CSL) der Zeitung „Pravo“. Er gehe davon aus, dass sein Land in einem solchen Fall vor den Europäischen Gerichtshof ziehen würde.
Belobradek wies den Vorwurf zurück, sein Land zeige sich nicht solidarisch genug. Tschechien habe angeboten, 1500 Flüchtlinge auf freiwilliger Basis aufzunehmen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte zuletzt mit einem Mehrheitsentscheid gegen den Willen der Quotengegner gedroht. In der EU sollen 120.000 Flüchtlinge auf die Mitgliedstaaten verteilt werden, einige Staaten sperren sich aber gegen feste Quoten.
Elf Haftbefehle gegen Flüchtlinge in Ungarn beantragt: Nach den Unruhen am ungarisch-serbischen Grenzübergang Röszke vor drei Tagen hat die ungarische Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen elf festgenommene Flüchtlinge beantragt. Die Männer würden des „verbotenen Überschreitens der Grenzsperre als Teilnehmer von Massenunruhen“ beschuldigt, teilte die Staatsanwaltschaft in der südungarischen Stadt Szeged am Samstag mit. Der Oppositionspolitiker Ferenc Gyurcsany erklärte am Freitag higegen: „Die Polizisten haben mit bewusster Absicht, auf geplante Weise und aller Wahrscheinlichkeit nach auf Weisung von Ministerpräsident Viktor Orban die Flüchtlinge angegriffen.“
Tatsächlich veröffentlichte das Portal „24.hu“ Video-Clips, in denen zu sehen ist, wie hunderte Flüchtlinge freudig durch das unerklärlicherweise geöffnete Grenztor gingen. Dabei riefen sie „Danke, Ungarn!“, offenbar in der Annahme, die Grenze sei für sie wieder offen. Danach sieht man, wie sie vor dem Angriff der Polizei davonlaufen.
Weiteres geflüchtetes Kind ertrunken: Beim Kentern eines Bootes vor der Insel Lesbos ist ein fünfjähriges Kind in der Ägäis ertrunken. Zwölf Migranten konnten aus den Fluten gerettet werden. Wie ein Sprecher der Küstenwache am Samstag im Fernsehen weiter mitteilte, sollen an Bord des Bootes insgesamt 26 Menschen gewesen sein. „Wir suchen nach den Vermissten“ sagte er. Die Ägäis ist eine der Routen, über die Tausende Migranten und Flüchtlinge nach Europa kommen. Immer wieder kommt es zu Unglücken. Vergangenen Sonntag waren bei einem ähnlichen Unglück 34 Migranten vor der Kleininsel Farmakonisi ums Leben gekommen.
Ungarn mobilisiert Streitkräfte: Ungarn mobilisiert Reservisten der Armee, um der Flüchtlingssituation Herr zu werden. Dies berichtet die Nachrichtenagentur MTI.
Kroatien und Serbien streiten offen: Die beiden Nachbarn Serbien und Kroatien sind sich über die Flüchtlinge in die Haare geraten. Während Serbien „auf zivilisierte Weise“ mit den tausenden Flüchtlingen umgehe, sei Kroatien „ein neonazistisches Provisorium, das nur zu Hass und Konflikten fähig ist“, kommentierte die serbische Boulevardzeitung „Informer“ am Samstag in Belgrad.
Am Vortag hatte Kroatiens Regierungschef auf die Drohung Serbiens reagiert, gegen die Schließung der Grenzübergänge vor internationalen Gerichten zu klagen: „Ein Adler jagt doch keine Fliegen, und der Adler sind wir“. Die größte serbische Zeitung „Blic“ regte das auf: „Skandal: Kroatischer Premier bezeichnet Serbien als Fliege“, schrieb das Blatt. Der direkt angesprochene serbische Sozialminister Aleksandar Vulin blieb nichts schuldig: „Du bist ein gerupftes Huhn“, zitierte ihn die Zeitung „Kurir“ am Samstag mit einer Aussage zu Milanovic.
Flüchtlingszahlen in Österreich nehmen zu: Durch die Weiterleitung von Flüchtlingen von Kroatien über Ungarn sind in Österreich über Nacht tausende Menschen angekommen. Bis Samstagmorgen zählte die Polizei 6700 Ankommende an den zwei wichtigsten Grenzübergängen im Burgenland, wie der österreichische Rundfunk ORF online berichtete. Die Behörden rechneten damit, dass im Lauf des Tages tausende weitere Flüchtlinge eintreffen. In den vergangenen Tagen waren nur wenige Flüchtlinge nach Österreich gelangt.
US-Außenminister mischt sich ein: US-Außenminister John Kerry hat die Situation der Flüchtlinge in Europa als „humanitäre Katastrophe“ bezeichnet. In einem Interview des britischen Senders Channel 4 räumte Kerry ein, die Aufnahme von 10.000 syrischen Flüchtlingen in den USA sei nicht genug. „Wir schauen uns andere Optionen an, es ist dringend“, sagte Kerry. Der US-Außenminister machte jedoch auch deutlich: „Man kann das nicht lösen, indem man einfach die Leute ins Land lässt.“ Es sei notwendig, die Wurzeln des Problems anzupacken.
Zahl der in Bayern ankommenden Flüchtlinge nimmt ab: Die Bundespolizei hat am Freitag an der deutsch-österreichischen Grenze rund 2000 ankommende Flüchtlinge gezählt. Das waren rund 1700 Menschen weniger als am Donnerstag; bereits am Mittwoch war die Zahl der Migranten deutlich zurückgegangen.
Zudem wurden am Freitag drei Schleuser festgenommen, wie ein Sprecher der Bundespolizei Rosenheim am Samstag sagte. Am Hauptbahnhof in München war es am Samstagmorgen ruhig. Für den Vormittag rechnete eine Sprecherin der Bundespolizei mit bis zu 150 ankommenden Flüchtlingen. Da zugleich zum Auftakt des Oktoberfestes zahlreiche auswärtige Besucher erwartet werden, wollen die Behörden die Züge mit Flüchtlingen um München herumleiten.
Verwirrung um angebliche Festnahme kroatische Polizisten: Auch das kroatische Innenministerium hat dementiert, dass am Freitagabend in Ungarn kroatische Polizisten festgenommen wurden. In einer Erklärung hieß es: "Das kroatische Innenministerium informiert die Öffentlichkeit darüber, dass diese Information falsch ist." Medien hatten über die Festnahmen berichtet, auch ungarische Behörden hatten den Vorfall vermeldet. Ein ungarischer Regierungsvertreter sprach von einem "beispiellosen Vorfall".
Unterdessen hat Kroatien tausende Flüchtlinge zu ungarischen Grenzübergängen gebracht. Nach Angaben der Polizei vom Samstag trafen am Vortag 7852 Migranten in Ungarn ein, die meisten von ihnen aus Kroatien. Da die Aktion nicht abgesprochen war, wolle Ungarn den Beitritt seines EU-Nachbarn zur Schengen-Zone blockieren, sagte der designierte Kabinettschef von Ministerpräsident Viktor Orban, Antal Rogan.
Slowenien will 10.000 Flüchtlinge aufnehmen: Slowenien ist nach den Worten seiner Botschafterin in Deutschland zur Aufnahme von bis zu 10.000 Flüchtlingen bereit. "Wenn die Flüchtlinge bei uns Asyl beantragen, nehmen wir sie auf und schützen sie", sagte Marta Kos Marko der "Rheinischen Post" vom Samstag. Wenn mehr Menschen aufgenommen werden sollten, müsse Slowenien aber um europäische Hilfe bitten.
Die slowenische Botschafterin versicherte im Gespräch mit der Zeitung, ihr Land werde "nach den Regeln der Abkommen von Schengen und Dublin handeln". Auch Slowenien habe zu Kriegszeiten "Solidarität erfahren". Daher habe ihr Land eine "moralische Pflicht", nun ebenfalls zu helfen, sagte die slowenische Diplomatin.
Seit Ungarn seine Grenze zu Serbien vor einigen Tagen komplett dicht gemacht hatte, versuchen tausende Flüchtlinge in Serbien, durch Kroatien weiter Richtung Nordwesten zu gelangen. Damit wird auch Slowenien verstärkt zum Transitland.
Slowenische Polizei setzt Tränengas ein: Die slowenische Polizei hat an der Grenze zu Kroatien gegen hunderte Flüchtlinge, darunter Kinder, Tränengas eingesetzt. Am Grenzübergang Harmica demonstrierten am Freitagabend hunderte von ihnen mit Aktivisten aus Kroatien und Slowenien dafür, aus Kroatien nach Slowenien einreisen zu dürfen. Nach einer Stunde setzte die slowenische Polizei schließlich Tränengas gegen die Flüchtlinge ein, die versuchten, die am Grenzübergang postierten Polizisten zurückzudrängen.
Sloweniens Ministerpräsident Miro Cerar hatte am Freitag erklärt, wenn weiterhin so viele Flüchtlinge einträfen, könne sein Land Transitkorridore einrichten. Am Freitag registrierten die slowenischen Behörden etwa tausend Flüchtlinge, etwa 700 weitere warteten noch am kroatisch-slowenischen Grenzübergang Obrezje, etwa 20 Kilometer östlich der kroatischen Hauptstadt Zagreb.
Ungarn stoppt Flüchtlings-Zug aus Kroatien: Die ungarischen Behörden haben nach eigenen Angaben am Freitagabend einen Zug aus Kroatien mit Flüchtlingen an Bord gestoppt. Am Abend wurde gemeldet, die eskortierenden Polizisten seien entwaffnet und der Fahrer festgenommen worden. Ein Regierungssprecher sagt, es bestehe der Verdacht, dass es sich um einen Grenzverstoß gehandelt haben könnte. Eine kroatische Polizeisprecherin wies dies zurück. Niemand sei entwaffnet oder festgenommen worden. Auf die Polizei-Eskorte habe man sich vorab verständigt gehabt. Die Polizisten seien nach Kroatien zurückgekehrt.
Kroatien hatte offenbar ohne jede Absprache Flüchtlinge nach Ungarn weitergeleitet. (mit dpa, Reuters, AFP)
Die Ereignisse vom Freitag können Sie hier nachlesen.
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