„Das Bremspotenzial ist unzureichend“: 2G hält Coronavirus in Österreich nicht auf
Eine erste Zwischenbilanz zu den strikten Maßnahmen in Österreich fällt ernüchternd aus. Laut Experten werden zahlreiche Intensivstationen bald überlastet sein.
Trotz der Einführung der 2G-Regelung in Österreich vor zehn Tagen zeigt sich Experten zufolge keine ausreichende Abschwächung des Infektionsgeschehens. „Das Bremspotenzial dieser Maßnahmen ist aktuell unzureichend, um kurzfristig eine nachhaltige Senkung der Inzidenzen herbeizuführen“, hieß es in einer Aktualisierung der Covid-Prognose für den Alpenstaat, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtete.
Durch die neuen Maßnahmen sind zwar die Impfzahlen in den vergangenen Tagen gestiegen, doch die Virus-Verbreitung hat sich noch nicht verlangsamt. Die Zahl der Corona-Neuinfektionen erreichte am Mittwoch einen neuen Höchstwert.
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Binnen 24 Stunden wurden zur Wochenmitte laut Behörden 14.416 Neuansteckungen verzeichnet. Das ist - unter Berücksichtigung der Zahl der Einwohner - in etwa das Zweieinhalbfache des deutschen Wertes. Den stärksten Anstieg gab es erneut im Bundesland Oberösterreich, das eine besonders niedrige Impfquote hat.
Die Sieben-Tage-Inzidenz in Österreich stieg ebenfalls kräftig an und erreichte einen Wert von 953,2 Fällen pro 100.000 Einwohner. Am Dienstag hatte der Inzidenzwert demnach noch bei 919,4 gelegen. Außerdem wurden am Mittwoch weitere 41 Corona-Tote gemeldet.
Die Regierung in Wien hatte angesichts der dramatischen Corona-Lage vergangene Woche landesweit 2G-Regeln eingeführt. Seitdem haben nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt zur Gastronomie, zu Konzerten, Sportveranstaltungen oder zum Friseur.
Intensivmedizinische Überlastung droht
Zwar sei laut der jüngsten Covid-Prognose eine „Reduktion der Wachstumsrate der täglichen Neuinfektionen auf hohem Niveau“ beobachtet worden, die möglicherweise auf Boosterimpfungen und die 2G-Regelungen zurückzuführen sein könnten.
Diese Effekte reichten aber nicht aus - vor allem nicht in den besonders stark betroffenen Regionen. Demnach muss befürchtet werden, dass die intensivmedizinischen Kapazitäten für Covid-Patienten in naher Zukunft an ihre Grenzen stoßen werden.
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Konkret beträgt demnach die Wahrscheinlichkeit, dass die systemkritische Auslastungsgrenze von 33 Prozent im Intensiv-Bereich in zwei Wochen überschritten wird, im Bundesland Oberösterreich 97,5 Prozent. Sie sei damit gegenüber der Vorwoche um weitere 2,5 Prozentpunkte gestiegen.
In Salzburg und Vorarlberg beträgt sie demnach 84 Prozent - ein Plus von jeweils 19 Prozent gegenüber der letzten Einschätzung. Alarmierend sehe es auch in Tirol aus.
In ganz Österreich beträgt die Wahrscheinlichkeit 65 Prozent. Sie ist damit im Vergleich zur Vorwoche gleich geblieben - den Experten zufolge kein Indiz, das für die Wirksamkeit der 2G-Regel spricht.
Triage-Vorbereitungen in Salzburg
In Salzburg waren wegen der drohenden Überlastung der Intensivstationen am Dienstag bereits Vorbereitungen für eine mögliche Triage getroffen worden. In den Landeskliniken wurde ein sechsköpfiges Team für diese Maßnahme nominiert, bei der zwischen zwei Patienten, die akut einer intensivmedizinischen Behandlung bedürfen, abgewogen werden muss, wenn die Betten nicht mehr ausreichen.
Zu Monatsbeginn war in der Alpenrepublik die 3G-Regel am Arbeitsplatz eingeführt worden. Nach der 2G-Regelung hatte Österreich am Montag einen landesweiten Lockdown für Ungeimpfte eingeführt. Er dient nach Regierungsangaben der „Verhinderung eines Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung“ und gilt zunächst für zehn Tage für alle Menschen ab zwölf Jahren, die weder über einen Impfnachweis noch über den Nachweis einer in den vergangenen 180 Tagen überstandenen Corona-Infektion verfügen.
Sie dürfen ihre Wohnung nur noch für Lebensmittel-Einkäufe, Arbeit oder Ausbildung, Arztbesuche sowie zur körperlichen Erholung verlassen. Neu ist nun, dass Ungeimpfte beim Einkaufen auf die Grundversorgung beschränkt werden. (AFP, dpa)