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Mistgabel und Minitrecker - so kann Landwirtschaft auch aussehen, aber wo sieht man das noch?
© dpa

Agrarwende: 20 Prozent Bio-Landwirtschaft müssen sein – oder?

Ressourcenschonend, umweltverträglich, nachhaltig? Der Öko-Landbau ist nicht so vorteilhaft, wie viele glauben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hartmut Wewetzer

Neulich im Supermarkt. Auf der Suche nach Avocados stoße ich auf einen Restbestand von Bio-Früchten, verschrumpelt, weich und fleckig. Mangels Alternative greife ich zu. Ich muss „bio“ kaufen, obwohl ich herkömmliche Ware bevorzuge. Und wundere mich, dass immer wieder gemeldet wird, Öko-Produzenten würden den Bedarf nicht befriedigen können. Der Bürger hungere nach Bio-Kost.

Betrachtet man die nackten Zahlen, ist es mit dem angeblichen Öko-Hype nicht ganz so weit her. Bei fünf Prozent liegt bislang der Anteil der Bio-Lebensmittel. Das sieht dann doch nicht nach dem ganz großen Appetit auf Öko aus, werden doch zu 95 Prozent konventionelle Produkte verkauft.

Wenn es nach der Politik geht, soll das anders werden. Die im Februar vom Landwirtschaftsministerium vorgestellte „Zukunftsstrategie ökologischer Landbau“ sieht vor, dass künftig 20 Prozent der Agrarflächen in Deutschland entsprechend genutzt werden sollen. Im Juli teilte das Ministerium mit, dass die „ökologisch bewirtschaftete Fläche“ 2016 um 14,9 Prozent gewachsen sei. Der Gesamtanteil des Ökolandbaus an der landwirtschaftlich genutzten Fläche betrug 7,5 Prozent. Bio-dynamisch geht da noch was.

Als „ressourcenschonend“, „umweltverträglich“ und „nachhaltig“ preist das Ministerium den ökologischen Landbau. Stimmt das?

Die meisten Menschen kaufen Bio-Produkte, weil sie sie für gesünder halten, sind doch im Öko-Landbau weder synthetisch hergestellte -Pestizide noch Kunstdünger erlaubt. Aber das macht die Bio-Möhre nicht automatisch bekömmlicher als eine konventionell gezogene Karotte. Zwar enthalten Öko-Lebensmittel weniger synthetische Pestizide. Ob sie mehr gesunde Inhaltsstoffe wie Vitamine oder Omega-3-Fettsäuren in sich bergen, ist umstritten. Dabei spielen Sorte, Boden, Klima und Verarbeitung eine wichtige Rolle, nicht nur (oder eher weniger) die Unterscheidung zwischen konventionellem und biologischem Anbau.

Ein gesundheitlicher Nutzen durch Bio-Produkte ist nicht belegt, wie eine wissenschaftliche Bewertung durch die Medizinerin Dena Bravata von der Universität Stanford 2012 ergab. Ein Salat ist gesund, ein Schweinebraten eher weniger (wenn zu häufig genossen), ob „bio“ oder nicht. Und nachweisbare geschmackliche Unterschiede dürften ebenfalls die Ausnahme sein.

Bio und konventionell wird als Gegensatz verstanden - das ist falsch

Andererseits: Der Verzicht auf künstlich hergestellte Pestizide und Dünger hat eindeutige ökologische Vorteile, ebenso wie der behutsame und auf langfristige Nutzung angelegte Ackerbau. Die Artenvielfalt etwa ist in der Regel größer, der Boden reichhaltiger. Und da man ohne Kunstdünger auskommt, ist auch der Energieverbrauch kleiner. Allerdings, auch der Biobauer düngt und setzt Pestizide ein, nur eben andere.

Doch der Öko-Landbau hat auch Schattenseiten. Sie leiten sich in erster Linie von den um 19 bis 25 Prozent geringeren Ernteerträgen ab (die Zahlen schwanken stark). Das hat einen höheren Flächenbedarf im Vergleich zu herkömmlichem Anbau zur Folge. Eine Tatsache, die den Öko-Bonus deutlich schmälert.

„Ein ,organischer’ Bauernhof kann bei Dingen wie der Artenvielfalt besser sein, doch braucht man mehr Land, um die gleiche Menge an Nahrungsmitteln zu produzieren wie auf einem konventionellen Hof“, sagt die Agrarexpertin Verena Seufert von der Universität British Columbia. „Die Flächenumwandlung zugunsten der Landwirtschaft ist die größte Ursache für den Verlust von Lebensraum für wilde Tiere und Pflanzen – und den Klimawandel.“

Landwirtschaft besteht aus vielen Komponenten, es gibt keine Pauschallösung. Welche Früchte werden angebaut, welche Tiere gezüchtet? Wie ist der Boden beschaffen, was ist mit Wasser, Klima, Schädlingen? Vieles hat erheblichen Einfluss darauf, wie groß jeweils der Nutzen von „organischem“ oder „normalem“ Ackerbau ist. „Wir müssen aufhören, organische und konventionelle Agrarwirtschaft als zwei Extreme zu betrachten“, fordert die Expertin Seufert. „Stattdessen sollte der Verbraucher für beide Verbesserungen anmahnen, damit wir die Ernährungsbedürfnisse nachhaltig befriedigen können.“

Ähnlich äußern sich andere Fachleute. Sie raten beiden Seiten, voneinander zu lernen, ideologische Gräben zu überwinden. Ist eine planwirtschaftlich angepeilte Bio-Fläche von 20 Prozent der richtige Weg? Weltweit wird ein Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche „ökologisch“ bewirtschaftet. So gesehen hat Deutschland sein Soll mehr als erfüllt.

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