Nach dem Terror in Barcelona: 120 Gasflaschen - und ein ungeheurer Verdacht
Die Terrorzelle in Spanien hatte weit mehr geplant, als sie umsetzen konnte. Ein Unfall kam dazwischen. Der Hauptverdächtige bleibt auf der Flucht.
Drei Tage nach den Anschlägen in Barcelona und Cambrils hat Spanien Abschied von den Opfern genommen. In der Basilika La Sagrada Familia kamen am Sonntag rund 1800 Menschen zusammen, um im Rahmen eines Gottesdienstes gemeinsam zu trauern und innezuhalten. Unter den Gästen befanden sich König Felipe, der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy, der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont sowie Portugals Staatsoberhaupt Marcelo Rebelo de Sousa. Die Veranstaltung fand unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Auf den Dächern rund um die berühmte Kirche waren Scharfschützen postiert, am Boden patrouillierten schwerbewaffnete Polizisten. Vor der Basilika versammelten sich hunderte Menschen.
Unterdessen berichteten die Onlinezeitungen „El confidential“ und „El Espanol“ unter Berufung auf eigene Quellen, die Sagrada Familia wäre neben dem Boulevard Las Ramblas ein weiteres Hauptziel des Anschlags gewesen. Das Bauwerk von Gaudí, einem der berühmtesten Söhne der Stadt, gilt als Wahrzeichen Barcelonas und zugleich als Symbol des Christentums. Nur weil es am Tag vor dem Anschlag in einem Labor der Terrorzelle im Küstenort Alcanar zu einer Explosion gekommen und dabei viel Sprengstoff vernichtet worden sei, hätten die Terroristen ihren Plan ändern müssen. Tageszeitungen wie die angesehene „El Pais“ berichteten nicht über diese mögliche Entwicklung.
Fahndung nach Hauptverdächtigem an Grenze zu Frankreich
Die Fahndung nach dem mutmaßlichen Haupttäter läuft auf Hochtouren. Ein Schwerpunkt der Suche nach dem 22-jährigen Marokkaner war am Sonntag die Grenzregion zu Frankreich rund um die Stadt Ripoll am Fuße der Pyrenäen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Gesuchte ins Nachbarland abgesetzt habe, sagte der katalanische Polizeichef Josep Lluis Trapero. In ganz Katalonien wurden Straßensperren errichtet.
Younes Abouyaaqoub soll am Donnerstag den Lieferwagen in die Menschenmenge auf die Flaniermeile Las Ramblas gesteuert haben. Seine Mutter rief ihn auf, sich zu stellen. Es sei besser, im Gefängnis statt tot zu sein, sagte Hannon Ghanimi zu Journalisten. Die rund zwölfköpfige Terrorzelle soll von den Orten Ripoll und Alcanar aus agiert haben.
In Alcanar hätten die Verdächtigen mindestens 120 Gasflaschen für „einen oder mehrere Anschläge“ in der katalanischen Hauptstadt gehortet, teilte die Polizei mit. Die Gasflaschen hätten sich auf dem Anwesen in Alcanar befunden, wo durch die Explosion die ursprünglichen Pläne durchkreuzt worden seien. Die Attentäter hatten daraufhin mit Fahrzeugen die zwei Anschläge in Barcelona und Cambrils verübt, bei denen insgesamt 14 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt worden waren.
Zu der Terrorzelle zählte den Ermittlungen zufolge ein marokkanisches Bruderpaar – der 17-jährige Moussa Oukabir, der zusammen mit vier weiteren mutmaßlichen Attentätern in Cambrils erschossen wurde, und sein 27-jähriger Bruder Driss Oukabir, der in Ripoll festgenommen wurde. Die Anschläge hatte die Dschihadistenmiliz IS für sich reklamiert.
In Ripoll wurde am Samstag die Wohnung des Imams Abdelbaki Es Satty durchsucht, der nach Informationen der Zeitung „El País“ möglicherweise bei der Explosion in Alcanar getötet wurde. Der Imam soll der spanischen Polizei bekannt gewesen sein. Er soll wegen kleinerer Straftaten im Gefängnis gewesen sein und habe dort Häftlinge getroffen, die an dem islamistischen Anschlag von Madrid 2004 beteiligt waren. (mit AFP, Reuters)