Heiko Maas zum Anschlag in Berlin: "Wir waren nicht ausreichend vorbereitet"
Der geschäftsführende Bundesjustizminister räumt Fehler nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz ein. Es müsse mehr getan werden für die Opfer, schreibt er. Ein Gastbeitrag.
Der 19. Dezember 2016 gehört zu den Tagen, die viele Menschen in Berlin und ganz Deutschland niemals vergessen werden. Der furchtbare Anschlag auf arglose Besucher eines Weihnachtsmarktes hat uns alle tief erschüttert. Der Mörder vom Breitscheidplatz tötete 12 Menschen. Fast hundert wurden verletzt, einige von ihnen so schwer, dass sie Pflegefälle bleiben. Zu einer Zeit, in der die Menschen in Deutschland Kerzen anzünden und sich still auf ein besinnliches Fest mit ihrer Familie und ihren Freunden freuen, traf uns alle dieser Anschlag mitten ins Herz.
Ein Terroranschlag ist nicht einfach nur ein Unglück. Er ist ein gezielter Angriff auf unsere freiheitliche Gesellschaft – und meint damit uns alle. Daher tragen wir eine besondere Verantwortung gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen.
Unsere Aufgabe als Politiker ist es, die Betroffenen zu unterstützen. Gleichzeitig müssen wir unseren Teil dazu beitragen, damit die Menschen in Deutschland sicher sind und frei bleiben. Dazu haben wir Gesetze angepasst, um Gefährder leichter in Abschiebehaft nehmen und abschieben zu können. Die Fußfessel ist ebenfalls ein Baustein, um unseren Sicherheitsbehörden die Arbeit zu erleichtern.
Mehr Personal in Justiz und Polizei
Auch unser Terrorismusstrafrecht gehört zu den schärfsten in Europa. Aber die besten Gesetze nützen nichts, wenn bei Polizei und Justiz in einigen Ländern das Personal fehlt, um sie konsequent anzuwenden. Zurzeit fehlen in Deutschland etwa 2000 Richter und Staatsanwälte. Wenn wir wollen, dass unser Rechtsstaat durchsetzungsfähig ist, brauchen wir dringend deutlich mehr Personal.
Und: Allein repressive Maßnahmen werden niemals ausreichen, um Extremismus und Terrorismus nachhaltig zu bekämpfen. Wir brauchen eine gesellschaftliche Offensive gegen den radikalen Islamismus. Die notwendige Präventionsarbeit muss auch eine zukünftige Bundesregierung dauerhaft ermöglichen und unterstützen.
Zur Wahrheit gehört aber auch: In einer freiheitlichen Demokratie können wir keine absolute Sicherheit garantieren. Daher müssen wir angemessene Maßnahmen für den Fall treffen, dass es trotz aller Anstrengungen zu einem Terroranschlag in Deutschland kommt.
Der Abschlussbericht des Opferbeauftragten der Bundesregierung, Kurt Beck, lehrt uns: Wir müssen noch mehr tun, um den Menschen beizustehen, deren Familien durch einen Terrorakt getroffen werden. Der Bericht enthält wichtige Änderungsvorschläge, die zügig umgesetzt werden sollten.
Koordinierungsstelle wird gebraucht
So sollten wir eine Koordinierungsstelle in einem Ministerium einrichten, um im Fall eines künftigen Anschlags Opfern und Angehörigen sofort einen direkten Ansprechpartner auf Bundesebene an die Seite zu stellen. Und: Wir müssen alle rechtlichen Grundlagen so anpassen, dass sämtliche Opfer eines Terroranschlags unabhängig von ihrer Nationalität oder der benutzten Tatwaffe gleich behandelt und angemessen entschädigt werden können.
Ein Terroranschlag verursacht bei den Betroffenen erhebliche finanzielle Schäden. Es sollte dringend überprüft werden, welche Änderungen erforderlich sind, um Verletzte und Hinterbliebene bei einem Terroranschlag finanziell noch besser zu unterstützen. Die derzeitigen Beträge sind im internationalen Vergleich eher dürftig.
„Die Lücke in unserem Leben wird bestehen bleiben und uns bis an das Ende unseres Lebens begleiten“, schreiben die Hinterbliebenen selbst in einem offenen Brief. Ganz klar: Nichts wird das Leid und den Schmerz der Angehörigen jemals ausgleichen können. Wir waren nicht ausreichend auf die Folgen eines solchen Terroranschlags für die Betroffenen vorbereitet. Dafür können wir uns bei den Opfern und Hinterbliebenen nur entschuldigen. Es bleibt eine nie endende Aufgabe von Politik in einem demokratischen Rechtsstaat, aus Fehlern zu lernen und unsere Verantwortung gegenüber Opfern von Terror wahrzunehmen. Das sind wir ihnen und ihren Angehörigen schuldig.
Heiko Maas