Gewalt gegen Frauen: Wenn der Täter Heinz heißt
Gewalt von Migranten wird breit diskutiert, das Gros der Verbrechen an Frauen und die einheimischen Täter nicht. Doch Verharmlosen ist gefährlich. Ein Kommentar.
Das Verbrechen und der oder das Fremde – ein uralter Topos, von dem nicht nur Hollywood lebte und lebt – vom Western Typ „Die Glorreichen Sieben“ bis „Eine verhängnisvolle Affäre“, wo eine diabolische Verführerin in eine Ehe und sogar in das Haus des Paares eindringt. In Zeiten der Massenimmigration lässt sich damit trefflich Politik machen, erst recht, wenn es sich um sexualisierte Verbrechen handelt. Die Angst vor Vergewaltigung, Belästigung, Stalking, sexuell grundierter Erniedrigung ist uns Frauen unter die Haut gepflanzt, auch Jahrzehnte nach der sogenannten sexuellen Revolution noch. Und zwar allen Frauen, wie wir nach #aufschrei und #MeToo einsehen müssen.
Fast zwei Drittel aller Frauen erleben sexuelle Belästigung
Diese Angst scheint etwas Bekämpfbares zu bekommen, wenn der Vergewaltiger, der Stalker, der Grapscher und Nötiger ein (ethnisch) Fremder ist. Würde man sie einfach dahin zurückbringen, woher sie kamen, wäre das Problem doch gelöst oder hätte es nie gegeben. Und gleichzeitig verdoppelt sich die Angst, weil sie im Fall des Fremden oder auch nur als fremd Etikettierten auch einheimische Männer mobilisiert, die sich sonst in die Tätergruppe sortiert sehen. Impuls eins: Die da verletzen, nötigen, vergewaltigen „unsere“ Frauen! Impuls zwei: So sind wir schließlich nicht.
Doch das ist ziemlich falsch. Fast jede siebte Frau, sagt die Soziologin Monika Schröttle, erlebt als Erwachsene sexuelle Gewalt, Erfahrungen mit sexueller Belästigung haben mindestens 60 Prozent der Frauen – nicht in einer religiös machistisch grundierten Diktatur, sondern in Deutschland, das auf die teils zäh erkämpften Fortschritte der Gleichstellung zurecht stolz ist. Und diese Gewalt geschieht auffallend häufig Frauen, die sich trennen wollen oder die ihren Mann beruflich oder finanziell ein- oder überholen. Die Zahlen der Studie, die Schröttle und eine Kollegin für das Bundesfamilienministerium erhoben, sind 14 Jahre alt, stammen also aus der Zeit vor der Massenmigration aus dem Nahen Osten, aus den verdächtig(t)en muslimisch geprägten Kulturen mit ihrer angeblich typischen Frauenverachtung, vor der Europa sich so gern gruselt, als sei es der eigenen Kultur vollkommen fremd. Verändert hat sich seither nichts zum Guten. Die Zahlen, sagte Fachfrau Schröttle kürzlich in einem Interview, gingen weltweit praktisch nicht zurück.
Und es bleibt nicht bei Schlägen, Griffen, erzwungenem Verkehr: „Jeden einzelnen Tag versucht ein Mann in Deutschland, seine Partnerin umzubringen, an jedem dritten gelingt es.“ So nüchtern wie erschütternd brachte vor einigen Tagen eine taz-Kollegin die Zahlen der Polizeistatistik auf den Punkt.
Migration ist nie so beunruhigend wie die Maßnahmen gegen sie
120 Frauen sterben in Deutschland Jahr für Jahr durch die Hand ihrer (Ex-)Ehemänner, Liebhaber, Partner oder anderer Männer, die glauben, sie gehörten ihnen. Das wären Schlagzeilen, gäbe Talkshow-Stoff. Ist es aber nur, wenn es sich als „ Ausländerkriminalität“ lesen lässt. Die schrecklichen Tode von Susanna F. in Wiesbaden, Mia in Kandel, Maria L. in Freiburg sind Titelstorys. Warum sind es nicht die der 117 anderen Frauen, wenn die Täter Thomas, Gunnar, Heinz heißen? Warum ruft da niemand „Verharmlosung“, wohl aber, wenn man nach den Silvester-Übergriffen von Köln an die alljährlichen Vergewaltigungsfälle rings ums Oktoberfest erinnert? Werden nicht eher die verharmlost?
Es ist etwas arg schief in der Debatte um sexuelle und Partnerschaftsgewalt. Und was die Debatten nach Rainer Brüderle und Harvey Weinstein an Erkenntnisgewinn gebracht haben, scheint schlagartig verdünnt, ja vergessen, sobald es wieder Verbrechen „fremder“ Täter gibt, über die sich debattieren lässt. Vielleicht fehlt ja einfach das richtige Wort. Auf italienisch und spanisch gibt es seit Jahren den Begriff „feminicidio“, in dem das Gezielte dieser Morde an Frauen mitschwingt und der ausdrücklich meint, dass nicht irgendeine, sondern die Frau des Täters das Opfer ist, die eigene eben. Manche Worte erweisen dem, was sie bezeichnen, den unschätzbaren Dienst, es erst einmal betracht- und fassbar zu machen. Die Wörter „Familientragödie“ „Beziehungsdrama“, die gern verwendet werden, wenn ein Mann einer Frau das Leben nimmt, sind dagegen regelrecht Lügen.
Die Fokussierung auf den fremden Täter ist nicht nur rassistisch, sie lenkt vom Gros der Verbrechen ab. Das kann sich ein Rechtsstaat ebenso wenig wünschen wie Minister – siehe NRW und Sami A. –, die zum Schutz vor solchen fremden Tätern absichtsvoll seine Regeln außer Kraft setzen. Migration ist noch stets nie so gefährlich gewesen wie die Mittel, die gegen sie eingesetzt werden.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung haben wir im ersten Absatz einen falschen Filmtitel genannt. Es ist nicht "Basic Instinct" gemeint, sondern "Eine verhängnisvolle Affäre". Diesen Fehler haben wir korrigiert.
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