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Ein überlebensgroßes Plakat von Präsident Bashar al-Assad in Douma nahe Damaskus.
© Marko Djurica/REUTERS

Ein Rahmen für den Frieden: Syrien braucht eine Verfassung mit neuer Balance

Donald Trump hat überstürzt gehandelt, der Rückzug aus Syrien kommt zu früh. Die USA müssen die Zukunft des Landes gestalten – mit drei Zielen. Ein Gastbeitrag.

Charles A. Kupchan ist Professor für Internationale Beziehungen an der Georgetown University und leitender Wissenschaftler des Thinktanks „Council on Foreign Relations“. Er war von 2014 bis 2017 Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats der Vereinigten Staaten. Sinan Ülgen ist ein ehemaliger türkischer Diplomat, Vorstandsvorsitzender des Thinktanks „Centre for Economics and Foreign Policy Studies“. Copyright: Project Syndicate.

Während sich die Welt um einen möglichen Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran sorgt, eskaliert das Blutvergießen in Syrien erneut. Das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad hat seinen Angriff auf die verbliebene Oppositionsfestung in der Provinz Idlib intensiviert, in der etwa drei Millionen Menschen leben, darunter viele Binnenvertriebene. Um einen neuen humanitären Alptraum zu verhindern, müssen die USA ihre friedensschaffenden Bemühungen verstärken.

Seit es einer von den USA unterstützten Koalition (größtenteils) kurdischer Kräfte gelang, das Kalifat des „Islamischen Staates“ (IS) zu zerschlagen, haben die USA begonnen, Syrien zu verlassen. Ende letzten Jahres kündigte US-Präsident Donald Trump den Rückzug der US-Truppen an und überließ die Zukunft des Landes effektiv Russland, dem Iran und der Türkei.

Es ist jetzt klar, dass Trump überstürzt gehandelt hat. Die erneuten Kämpfe in Idlib sind eine deutliche Erinnerung daran, dass Syrien ein Pulverfass bleibt. Fast ein Drittel des Landes wird von einer kurdisch geführten Miliz kontrolliert, die die Türkei als Todfeind betrachtet. Aufgrund der amerikanischen Unterstützung für die Kurden und der Entscheidung der Türkei, russische Flugabwehrraketen zu kaufen, stehen die amerikanisch-türkischen Beziehungen kurz vor dem Scheitern. Unterdessen fädelte Russland seine Rückkehr in die Region durch die Unterstützung des Assad-Regimes ein, und der Iran hat sich ein eigenes Standbein in Syrien geschaffen, indem er seinen regionalen Einfluss verstärkt und die Wahrscheinlichkeit eines Krieges mit Israel erhöht hat.

Anstatt diese Risiken zu ignorieren, müssen sich die USA wieder in die Zukunftsgestaltung Syriens einbringen. Als ersten Schritt sollte sie eine neue Kontaktgruppe einrichten, der die Türkei, Russland, die Europäische Union und die Vereinten Nationen angehören. Die Initiative sollte drei zentrale Ziele haben, von denen das erste darin besteht, das Assad-Regime dazu zu drängen, die Gewalt zu beenden und einen dezentralen Staat als Gegenleistung für internationale Hilfe beim Wiederaufbau zu akzeptieren. Um den Konflikt zu beenden, muss das Regime seine Offensive in Idlib aufgeben, und die dort angesiedelten Oppositionsgruppen müssen zustimmen, die Waffen abzugeben und die Kämpfe einzustellen.

Dezentralisierung fördern, die Zentralregierung nicht vernachlässigen

Der politische Rahmen für Frieden und Stabilität in Syrien erfordert eine neue Verfassung, die ein bedeutendes Maß an regionaler Dezentralisierung vorsieht und gleichzeitig das Gewaltmonopol der syrischen Regierung aufrechterhält. Verschiedenen autonomen Milizen weiterhin Operationen zu gestatten, würde mit Sicherheit zu einem gescheiterten Staat führen.

Für die internationale Gemeinschaft sollte es oberste Priorität haben, die mit diesem Pakt einhergehende Wiederaufbauhilfe zur Verfügung zu stellen. Man würde einem wiedererstarkten Extremismus Tür und Tor öffnen, wenn es nicht gelingt, die durch den Krieg zerstörten Gemeinden in Syrien wiederaufzubauen und die Möglichkeiten des Staates zur Bereitstellung von grundlegenden Leistungen wiederherzustellen. Gruppen wie der IS nutzen soziale Notlagen aus. Um den Prozess in Gang zu bringen, sollte die EU mit Unterstützung der Vereinten Nationen die Kontrolle über die Rückkehr der Flüchtlinge übernehmen und die erforderlichen Ressourcen dazu aufbringen.

Die Kurden politisch einbinden

Das zweite Ziel der Kontaktgruppe sollte es sein, ein Abkommen mit der wichtigsten kurdischen Partei Syriens, der Demokratischen Union (PYD), abzuschließen. Im Gegenzug für regionale Autonomie innerhalb eines dezentralisierten syrischen Staates würde die PYD ihre Ausrichtung an der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) beenden, die eine separatistische Terrorkampagne in der Türkei führt. Unter der Voraussetzung, dass die PYD ihre Beziehungen zur PKK abbricht, sollte die Kontaktgruppe die Bemühungen um einen Stabilisierungsplan für die Kurdenregion in Syrien anführen.

Die USA ihrerseits haben die Verpflichtung, die politischen Rechte der syrischen Kurden abzusichern, die an der Spitze des Kampfes gegen den IS standen. Allerdings müssen die Vereinigten Staaten auch ihre Beziehungen zur Türkei kitten. Die einzige Möglichkeit, beides unter einen Hut zu bringen, besteht darin, in einer Annäherung zwischen der Türkei und der PYD zu vermitteln. Dazu sollten die USA ihre Zusage einhalten und die schweren Waffen, die man den Kurden zuvor überantwortet hatte, zurücknehmen sowie die PYD drängen, jenen Gemeinden, die sie während des Kampfes gegen den IS besetzt hatte, wieder die lokale Kontrolle zurückzugeben.

Denkbar wäre eine Sicherheitszone in Nordsyrien

Außerdem müssen die USA dabei helfen, kurdische Kämpfer von der türkischen Grenze fernzuhalten. Das könnte mit der Einrichtung einer Sicherheitszone in Nordsyrien bewerkstelligt werden. Die kürzliche Wiederaufnahme eines direkten Dialogs zwischen der türkischen Regierung und der Führung der PYD ist ein ermutigendes Zeichen.

Das dritte Ziel der Kontaktgruppe sollte darin bestehen, den iranischen Einfluss in Syrien zu verringern oder zu eliminieren. Mit seinen Streitkräften vor Ort – von seiner erheblichen Einflussnahme auf die syrische Regierung ganz zu schweigen – kann der Iran nicht nur in Syrien, sondern auch im Irak, im Libanon und in Israel für Probleme sorgen. Die bloße Einrichtung einer neuen Kontaktgruppe würde den diplomatischen Einfluss des Iran schon verringern, weil er dadurch vom Hauptforum für Verhandlungen über die Zukunft Syriens ausgeschlossen werden würde. Darüber hinaus sollte die Kontaktgruppe die Bereitstellung der Wiederaufbauhilfe davon abhängig machen, dass sich Assad von den Iranern distanziert.

Vor dem Rückzug müssen neue diplomatische Bemühungen stehen

Trumps Wunsch nach einem Rückzug aus Syrien ist richtig. Aber um sich aus dem Konflikt zu lösen, müssen die USA zunächst erneute diplomatische Friedensbemühungen einleiten. Zieht sich Trump zu früh zurück, überlässt man Syrien der chronischen Instabilität und es besteht die Gefahr einer Wiederkehr des Radikalismus. Außerdem würde der Bruch zwischen Amerika und der Türkei an einen Punkt gelangen, an dem es kein Zurück mehr gibt, Russland würde über einen unkontrollierten Stellvertreter in der Region verfügen und der Iran hätte die Möglichkeit, in der Region Chaos zu verbreiten.

Die Bedingungen wären reif für einen neuen Konflikt, der die USA zu einem noch höheren Preis zurück in die Region zwingt. Die Entscheidung sollte nicht allzu schwer fallen.

Charles A. Kupchan, Sinan Ülgen

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