Matthias Platzeck: Politiker sind auch nur Menschen
Die Anforderungen an Politik wie Politiker sind zunehmend weniger menschlich. Der Fall Matthias Platzeck zeigt, wohin das führen kann.
Politiker sind Menschen! Und Politik ist ein Prozess! Ja doch, wir müssen es betonen, uns vor Augen führen. Denn allzu schnell ist inzwischen die Duldsamkeit am Ende. Mehr noch: Die Ungeduld nimmt zu, mit der Zahl der Informationen, die rasend schnell zu bekommen sind.
Ein bisschen ist es wie beim Autofahren. Da kann es auch mal langsamer vorangehen, weil so viele unterwegs sind, weil die Straßen voll sind, aber dann wird halt geschimpft; obwohl der Stau vorher bekannt war. In der Politik ein Stau oder zäh fließende Entscheidungsprozesse – und schon geht’s los.
Als ginge es so: Heute gesagt, morgen gemacht. Bloß funktioniert Politik anders, sie ist, um im Blick zu bleiben, eine mitunter schleichende Annäherung ans Ziel. Die Verwirklichung dauert – oft Monate oder sogar Jahre. Nur die Beschlüsse, die sind schnell konsumiert.
Damit korrespondiert das Bild des Politikers. Der sagt mal schnell, wie die Dinge zu sein haben, und dann sind sie so, nicht wahr? Schwarz oder weiß, oder? Dass politische Entscheidungen oft in Grauschattierungen stattfinden und enden, wer will das schon wissen, das passt nicht ins Bild. Die Zeiten sind schnell, die Urteile noch schneller.
Womit wir bei den Anforderungen an Politik und in Sonderheit Politiker wären. Die sind, eben wegen der genannten Umstände, zunehmend weniger menschlich. Es muss funktionieren, Politiker haben dementsprechend zu funktionieren, das ungefähr ist die Marschroute. Einschränkungen, körperliche, andere, wecken Misstrauen, sind darum im Grunde nicht erwünscht. So gesehen wären viele Politiker früher weder ins Amt gekommen noch im Amt geblieben, wäre alles über zum Beispiel ihre Gesundheit und manche Krankheit bekannt gewesen, von John F. Kennedy über Hans-Dietrich Genscher bis Helmut Schmidt.
Und so gesehen ist es fast ein Wunder, jedenfalls eine Wohltat im wahren Wortsinn, dass Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz Ministerpräsidentin geworden ist. Sie macht deutlich, dass es eine neue gestiegene Anforderung an Politiker gibt. Es ist die, wichtige Aufgaben zu erkennen, aber dann auch richtig zu delegieren. Es ist eine andere (Selbst-)Organisation nötig, um Politik funktionabel zu halten. Die im Laufe der Jahre deutlich gestiegene Notwendigkeit, Beteiligung und Transparenz zu schaffen, um einer Politik- und Politiker- und Demokratieverdrossenheit entgegenzuwirken, birgt andererseits eine strukturelle Überforderung in sich. Politik darf sich aber nicht auflösen in der Notwendigkeit, ständig präsent zu sein.
Ständige Präsenz kann eine Belastung werden, die dem Politiker zusätzlich Kraft raubt, auch psychische. Die aber wiederum erforderlich ist, um nahbar zu sein und aufnahmebereit zu bleiben, damit das vorankommt, wozu Politik da sein soll: gesellschaftliche Veränderungen, sprich Verbesserungen für Menschen zu erreichen.
Und deshalb hat Matthias Platzeck nicht nur das Recht, sondern jetzt geradezu die Pflicht, Urlaub zu machen. Er ist doch auch nur ein Mensch.
Stephan-Andreas Casdorff
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