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Am Mittwoch soll der Bundestag darüber entscheiden, ob der EU-Rettungsschirm auf eine Billionen Euro aufgepumpt wird.
© dpa

Kontrapunkt: Kampfsportler im Bundestag

Das Besondere an einem Hebel ist, dass man wenig Kraft braucht, um eine große Wirkung zu erzielen - nicht nur im Kampfsport. Stephan-Andreas Casdorff über eine Bundestags-Abstimmung, die so manchen Abgeordneten überfordern dürfte.

Die Kanzlermehrheit! Nicht nur die FDP muss immer liefern, wie Philipp Rösler so griffig gesagt – die Union muss es auch. Unabhängig davon, dass manchem dort die Fresse (Zitat!) manch anderer nicht mehr gefällt: Wenn das Regierungsbündnis nicht auseinanderfallen will, muss sie alle beisammen haben, alle eigenen Abgeordneten. Und zwar so viele, dass es nicht wie eine verkappte Niederlage aussieht. Da können SPD und Grüne mitstimmen, wie sie wollen, es ist hier nicht nur entscheidend, was als Gesamtergebnis herauskommt. Sie werden im Nachhinein die ersten sein, die darauf verweisen.

Dabei wirkt es schon länger so, als hätten nicht mehr alle die, die in der Koalition Verantwortung tragen, den Überblick. Sie hatten es schon vorher nicht, ausweislich von Umfragen zur Sache, wo im Parlamentsrund erschreckende Unkenntnis über die in Rede stehenden Summen deutlich wurde. Viele, zu viele Abgeordnete werden sie jetzt erst recht nicht mehr haben. Sie werden heillos überfordert. Eigentlich wäre das mal eine Verfassungsbeschwerde wert, wie der Bundestag entweder übergangen oder überfordert wird.

Vielleicht traut sich ja einer der Abgeordneten. 

Der „Hebel“ – hier geht es nicht um Archimedes – und seine Wirkung, sprich: Auswirkung, ist gerade erst vereinbart, dazu höchst kompliziert ausgedrückt und also allein schon deshalb schwer zu verstehen. Dann aber noch den internationalen Kontext zu beachten, Griechenland, Portugal, Spanien und  Italien nicht aus dem Auge zu verlieren: Das bringt auch Experten an den Rand ihrer Erkenntnisse. 

Die Abgeordneten sind in aller Regel keine Experten. Wo sogar schon Helmut Schmidt, der Weltwirtschaftsweise, dieser Tage sinngemäß gesagt hat, dass man das Geschäft doch besser den Zuständigen in der EU-Kommission hätte überlassen sollen! So aber läuft Politik auch an den höchsten Stellen inzwischen ab, wie sich Klein-Fritzchen Politik vorstellt. Das Beste daran sind noch die Berichte über Nicolas Sarkozy, wie er den Briten David Cameron und den Italiener Silvio Berlusconi anraunzt. Da hätte man dabei sein wollen. Verdient hatten es die beiden allemal, und einer muss es ja tun: ihnen die Wahrheit sagen. Wenn es unsere Kanzlerin partout nicht tut; oder jedenfalls nur so, dass die Herren es als freundschaftlichen Hinweis verstehen. 

Aber keiner oder keine soll behaupten, er oder sie wüsste, wie es geht oder wohin das alles führt. Versuch und Irrtum, das ist der Weg, und dann schnelle Reaktion, damit wir nicht im Abgrund landen. Die nur vermeintlichen Fachleute kann man übrigens daran erkennen, dass sie im Blick auf Griechenland als Beispiel Argentinien anführen, das sich aus einer ähnlichen Lage habe befreien müssen. Bloß war die Lage gar nicht so ähnlich, das fängt schon damit an, dass Argentinien keiner Gemeinschaftswährung wie dem Euro angehört. Was alles ändert. 

Die Kanzlermehrheit: Die Kanzlerin wird eine Mehrheit haben. So oder so. Das ist aber auch das einzige, das heute einigermaßen feststeht. Und das auch nur für morgen. Übermorgen ist ein anderer Tag. Wer weiß schon, was der bringt. Denn der Hebel ist nicht nur ein Kraftübertragungsinstrument. Er ist auch eine Technik im Kampfsport.

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