Neuwahlen in Griechenland: Gut gebrüllt, Schaf
Alexis Tsipras, der Chef der griechischen Linken, setzt auf Erpressung – doch der Euro braucht die Griechen nicht. Wenn Tsipras sein Blatt überreizt, katapultiert er sein Land aus dem Euro. Ein Kommentar.
Drei Wochen vor der griechischen Parlamentswahl fährt Syriza, die radikale Linke, schweres Geschütz auf. Führende Politiker der Partei, die als Anwärter auf den Wahlsieg gilt, erwägen eine Aussetzung des Schuldendienstes. Sie berufen sich dabei auf einen Syriza-Parteitagsbeschluss. Die Ankündigung ist an die Gläubiger des Landes adressiert, vor allem an die Europäische Union. Sie stellt eine Art Trommelwirbel dar, der Griechenlands Geldgeber darauf einstimmen soll, was sie von einer Syriza-Regierung zu erwarten haben – ultimative Forderungen und null Kompromissbereitschaft.
Syriza-Chef Alexis Tsipras glaubt offenbar, dass er am längeren Hebel sitzt – wegen der mehr als 250 Milliarden Euro, die Griechenland den öffentlichen Kreditgebern schuldet. Sein Kalkül: Aus Angst um ihr Geld werden die Gläubiger auf die Syriza-Forderung nach einem massiven Schuldenschnitt eingehen, um das Land nicht in die Staatspleite rutschen zu lassen. Denn dann würden sie alles verlieren und den Bestand der Euro-Zone gefährden. Tsipras setzt auf Erpressung.
Der Syriza-Chef könnte sich aber verrechnen. Denn die Drohung, Griechenland werde die Währungsunion verlassen, versetzt heute keinen in Europa mehr in Panik, im Gegenteil. Viele würden die Griechen am liebsten hinauskomplimentieren. Die Euro- Zone hat inzwischen das Instrumentarium, mit einer solchen Krise umzugehen. Eine Ansteckungsgefahr ist nicht zu erkennen, weil Länder wie Spanien, Portugal und Irland – anders als Griechenland – über den Berg sind.
Die Verhandlungsposition einer künftigen Athener Regierung gegenüber Brüssel ist schwach
Daher erleben wir jetzt keine Neuauflage der Euro-Krise, sondern eine griechische Krise. Das schwächt die Verhandlungsposition einer künftigen Athener Regierung. Tsipras hat kein Erpressungspotenzial. Wenn er im Poker mit den Gläubigern sein Blatt überreizt, katapultiert er sein Land aus dem Euro. Sollte die Athener Regierung keine Hilfskredite mehr bekommen und sich nicht mehr am Kapitalmarkt refinanzieren können, muss sie Geld drucken. Und das könnten nur Drachmen sein.
Dann müssten die Euro-Staaten zwar ihre Kredite abschreiben. Aber die will Tsipras ja ohnehin nicht zurückzahlen, sondern größtenteils streichen. Der Verlust wäre schmerzhaft, doch zu verkraften. Die Währungsunion geriete nicht in Gefahr.
Der Euro braucht die Griechen also nicht. Ob die Griechen den Euro brauchen, steht auf einem anderen Blatt. Eine Rückkehr zur alten Landeswährung, der Drachme, würde dem Land eine Hyperinflation bescheren. Je mehr Geld die Regierung druckt, um ihren Haushalt zu finanzieren, desto weniger wäre die neue Drachme wert. Die meisten Importwaren würden aus den Regalen der Supermärkte verschwinden, ohne dass die strukturell schwache griechische Exportwirtschaft von den Vorteilen der Abwertung nennenswert profitieren könnte.
Heute spricht der Syriza-Chef von einer „humanitären Katastrophe“, die als Folge des Brüsseler „Spardiktats“ über Griechenland hereingebrochen sei. Für das, was seinem Land nach einer Rückkehr zur Drachme widerfahren könnte, hätte er womöglich keine Worte.