Griechenland: Ifo-Chef Sinn legt Griechen Euro-Austritt nahe
In den nächsten Wochen und Monaten sind mehrere Szenarien für Griechenland denkbar - dazu gehört auch ein Austritt des Landes aus der Euro-Zone. Der Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn hält den "Grexit" für bedenkenswert.
Zur Jahreswende ist Europa wieder einmal wegen Griechenland alarmiert. Nachdem der konservative Regierungschef Antonis Samaras seinen Präsidentschaftskandidaten im Parlament nicht durchbrachte, stehen den Griechen am 25. Januar vorgezogene Neuwahlen ins Haus. Zur stärksten Kraft könnte dabei das Linksbündnis Syriza werden, das die Vereinbarungen mit den internationalen Kreditgebern ändern oder ganz aufkündigen will. Aus Berliner Sicht sind die möglichen Entwicklungen in Hellas entscheidend – denn Deutschland haftet im zweistelligen Milliardenbereich für Griechenland, das von den Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds mit insgesamt fast 240 Milliarden Euro unterstützt wurde. Mehrere Szenarien sind denkbar:
Szenario 1: Regierungschef Samaras bleibt an der Macht
Auch wenn Samaras im Parlament gerade eine krachende Niederlage erlitten hat, ist es denkbar, dass sich der griechische Premierminister an der Macht hält. Zwar liegt seine Nea Dimokratia derzeit in den Umfragen hinter dem Linksbündnis Syriza zurück. Allerdings kann die Parteienlandschaft in Griechenland bis zum Wahltag noch gehörig in Bewegung geraten: Der frühere Vorsitzende der sozialistischen Pasok, der ehemalige Ministerpräsident Georgios Papandreou, hat die Gründung einer eigenen Partei angekündigt. Wenn Papandreou das wahr macht, dann dürfte seine neue Partei in jedem Fall ins Parlament einziehen und dort eine Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung spielen – das ist jedenfalls die Einschätzung des Athener Analysten George Tzogopoulos.
Nach dessen Auffassung dürfte eine neue Papandreou-Partei vor allem der Pasok und der Syriza potenzielle Wähler abspenstig machen und damit die Verhandlungsposition von Samaras bei einer Regierungsbildung stärken. Sollte Samaras Ministerpräsident bleiben, könnte er die Verhandlungen mit der Troika aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank wiederaufnehmen. Zuletzt hat sich Samaras dagegen gesträubt, einige Forderungen der Troika – darunter Klarstellungen bei der anstehenden Rentenreform – zu erfüllen. Eine Einigung zwischen den Geldgebern und der Regierung ist aber notwendig, damit die noch ausstehenden Notkredite in Höhe von sieben Milliarden Euro nach Athen überwiesen werden können.
Szenario 2: Tsipras handelt einen Schuldenschnitt aus
Der Chef der Syriza hat den Wählern des Linksbündnisses einen Schuldenschnitt für sein Land versprochen. Dazu hat er die Idee einer internationalen Schuldenkonferenz nach dem Vorbild des Londoner Treffens von 1953 ins Spiel gebracht, bei dem Deutschland seinerzeit 60 Prozent seiner Schulden erlassen wurden. Ein Schuldenschnitt birgt aber für beide Seiten große Risiken. Zum einen wird Tsipras ein derartiges Zugeständnis wohl kaum ohne neue Auflagen erhalten. Und zum anderen dürfte ein Ausfall bei der Rückzahlung in Deutschland Wasser auf die Mühlen der AfD sein. Nach Ansicht des Ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn sind aber weitere Erleichterungen für Griechenland nach den bereits gewährten Laufzeitverlängerungen und Zinsverzichten unvermeidlich: „Weitere Schuldenschnitte werden immer wieder gewährt werden müssen – außer man entlässt das Land aus dem Euro und erlaubt ihm, durch eine Abwertung wieder wettbewerbsfähig zu werden“, sagte Sinn dem Tagesspiegel.
Szenario 3: Grexit
Als Regierungschef würde Tsipras sein Land in der Euro-Zone halten wollen, aber nicht um jeden Preis. Deshalb ist auch das „Grexit“-Szenario, dem zufolge Hellas den Euro verlassen müsste, nicht ganz unwahrscheinlich. Es träte dann ein, wenn sich Griechenland über weitere Notkredite oder am Kapitalmarkt nicht mehr finanzieren könnte – Tsipras müsste zur Drachme zurückkehren.